Die Informatik-Millionengräber des Bundes
Auch nach mehreren Jahren und nach Kosten von über 150 Millionen Franken schafft es der Bund nicht, Systeme aus den Achtzigerjahren bei der Steuerverwaltung abzulösen. Nun schlägt die Finanzdelegation Alarm.Die Delegation nahm nach einem Besuch bei der ESTV laut dem Bericht "mit Besorgnis zur Kenntnis, dass in der Projektleitung erneut einschneidende Veränderungen vorgenommen werden mussten, die Projektarchitektur nach drei Jahren erneut hinterfragt worden war und der verbleibende finanzielle Rahmen nur noch die elementaren Projektziele abzudecken vermag". Die Finanzdelegation gibt sich im Bericht sehr besorgt über den Stand des Projektes "Insieme". Einmal mehr zeige sich, dass der Bund in der Handhabung solcher gewichtiger Vorhaben überfordert sei. Wesentliche Fragen der Führung und der finanziellen Verantwortung seien innerhalb der ESTV nicht klar geregelt und das Projekt dauere zu lange. Und weiter heisst es im Bericht: "Dass mit einem Gesamtvolumen von rund 150 Millionen Franken eine ganze Reihe der ursprünglich geplanten Funktionalitäten nicht abgedeckt werden kann, erachtet die Finanzdelegation als nicht akzeptabel." Zwar strebe die ESTV an, die Fristen und den finanziellen Rahmen einzuhalten, dies jedoch auf Kosten stark reduzierter Projekt- und Anforderungsziele. Insbesondere sei der Grundgedanke des Projektes, die Prozesse über die ganze ESTV zu vereinen, "gefährdet", schreibt die FinDel im Bericht.
Prozess mit Unisys und eine Administrativuntersuchung
Das Projekt "Insieme" läuft mit Unterbrüchen und Richtungsänderungen bereits seit sieben Jahren. 2005 ging man noch davon aus, das Projekt 2010 abschliessen zu können. Doch 2007 entschied sich das für Beschaffungen zuständige Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) dazu, einen entsprechenden Zuschlag an Unisys aus dem Jahr 2006 aufzuheben – daraufhin gelangte Unisys ans Bundesverwaltungsgericht. Erst Ende 2008 konnten sich die beiden Parteien einigen: Der Bund musste eine Entschädigung bezahlen. 2009 erachtete die eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) die Projektorganisation und das Projektmanagement als nicht ausreichend. Als schliesslich im Herbst 2010 auch noch ein dringlicher Nachtragskredit gesprochen werden musste, war dies für die Finanzdelegation Anlass, sich über den Projektstand orientieren zu lassen und 2011 einen Informationsbesuch bei der ESTV durchzuführen. Mittlerweile wurde eine Administrativuntersuchung eingeleitet.
"Insieme" ist beileibe nicht das einzige Informatik-Millionengrab innerhalb der Bundesverwaltung. So kämpft etwa das Verteidigungsdepartement seit Jahren mit IT-Problemen: Die in den vergangenen Jahren für 700 Millionen Franken beschaffte Software FIS Heer (Führungsinformationssystem) funktioniert immer noch nicht.