"Wunderbar wandelbar – Gemeinsam neue Perspektiven schaffen", ist das Motto des Jahreskongresses 2023 der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) in der Messe Bremen, der heute eröffnet wurde. Das tönt wunderbar harmonisch, und die hochrangigen Vertreter der DSAG und von SAP gaben sich an der Pressekonferenz zum Kongressauftakt auch mehrheitlich sehr harmonisch. Da wurde von "den Wandel gemeinsam gestalten" gesprochen und jemand fand, "Wandel ist etwas, das kontinuierlich stattfindet." Diese wohl nicht voll durchdachte Plattitüde sorgte für einige Heiterkeit in unserer Redaktion.
Aber jetzt wieder zu ernsterem. Es gibt durchaus auch Spannungen zwischen SAP und den in der Anwendergruppe vertretenen Kunden. Die DSAG hat gegenwärtig vor allem eine zentrale Forderung an den Softwareanbieter: Die neuesten SAP-Innovationen sollten auch On-Premises-Kunden zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sei mehr Transparenz bei Produkt- und Preisstrategie notwendig.
Innovationen nur noch für Cloud-Anwender?
Bei der Frage der Innovationen für On-Premises-Kunden geht es eine Ankündigung von SAP im Juli, dass massgebliche Innovationen zukünftig nur noch Kunden mit einem Rise- oder Grow-Vertrag angeboten werden, also Kunden, die SAP in einer Cloud betreiben. Diese Ankündigung habe viele Kunden "kalt erwischt", erklärte einer der Pressevertreter an der PK.
Die Ankündigung bedeute zwar nicht, dass On-Premises-Lösungen generell nicht funktional weiterentwickelt würden, kommentiert die DSAG. Aber On-Premises-Kunden würden wichtige Innovationen wie Künstliche Intelligenz und
Green Ledger verwehrt. Gleiches gelte für grössere Funktionsbausteine und Erweiterungen, die auf der Business Technology Platform (BTP) basieren.
"Um die Position der DSAG klarzustellen: Wir befürworten die Nutzung der Cloud und wissen, dass Innovationen heute massgeblich auf Cloud-Technologie bereitgestellt werden müssen. Aber wichtig dabei ist die Freiheit für jedes einzelne Unternehmen, selbst entscheiden zu können, auf welchem Weg es diese Innovationen nutzt", sagt dazu Jens Hungershausen, Vorstandsvorsitzender der DSAG. Daraus leitet der Anwenderverband die Forderung an SAP ab, dass alle Innovationen für die S/4Hana Private Cloud mit identischem Leistungsumfang auch für S/4Hana On-Premises zur Verfügung gestellt werden müssen. "Eine Cloud-first-Strategie von SAP ist durchaus nachvollziehbar, eine Cloud-only-Strategie ist jedoch keine Option", so Jens Hungershausen.
Eine verbindliche Antwort auf die Forderung gaben die SAP-Vertreter an der Pressekonferenz, darunter der CEO Christian Klein höchstpersönlich, nicht. Klein erklärte unter anderem, dass es deutlich leichter sei, KI in der Cloud zu trainieren, da man so wesentlich mehr Daten zusammenführen könne. Auch die Datenkonsistenz sei besser. Dies führe zu einem besseren Kundenerlebnis, und SAP lege hohen Wert darauf, nicht für schlechte Kundenerlebnisse zu sorgen.
Migration statt Transformation
Laut einer Umfrage der DSAG waren kurz vor dieser Ankündigung 53% der befragten Unternehmen im DACH-Raum sehr zufrieden oder zufrieden mit der Zusammenarbeit mit SAP. Explizit unzufrieden oder sehr unzufrieden waren dagegen nur 17%. Die restlichen 29% waren weder zufrieden noch unzufrieden. Die Ankündigung dürfte diese Werte aber negativ für SAP geändert haben, glaubt Hungershausen: "Stand heute wäre hier sicher ein anderes Ergebnis zu verzeichnen."
Gemäss weiteren Ergebnissen der Umfrage ist mittlerweile rund die Hälfte der befragten Unternehmen auf S/4Hana umgestiegen. Das sei erfreulich, finden die Anwendervertreter. Aber ebenfalls rund die Hälfte habe die Migration noch vor sich. Zudem seien viele der Umstellungen aktuell rein technische Migrationen, während "echte Transformationen sowie Cloud-ERP noch Zukunftsmusik" seien.