Ja was nun: Arbeiten bis 70 oder mit 45 bereits weg vom Fenster?
Der Deckungsgrad berechnet, wie viele ICT-Qualifizierte es im Verhältnis zu ICT-Stellen mit entsprechenden Anforderungen gibt. Über alle Berufsfelder liegt der Wert etwas über 100 Prozent. In der ICT liegt er bei 72 Prozent. Konkret heisst das, dass in der ICT sehr viele Stellen mit Personen ohne adäquater ICT-Qualifikation besetzt sind.
Die Zuwanderung in der ICT ist mit 12 Prozent beinahe doppelt so hoch wie im schweizerischen Durchschnitt (7 Prozent). Die Migration ist für die ICT vor allem zur Rekrutierung von Hochschulabsolventen wichtig. Eine hohe Migrantenquote deutet auf ein ungenügendes inländisches Angebot an entsprechenden Fachkräften hin.
Die Arbeitslosenquote der Informatiker liegt 2013 bei 2,4 Prozent. Gesamtschweizerisch beträgt die Arbeitslosenquote 2,9 Prozent. Die unterdurchschnittliche Quote deutet auf einen Mangel.
Die Quote der offenen Stellen in der IT ist gemäss Zahlen von x28 mit 3,4 Prozent im Jahresschnitt von 2013 deutlich höher als diejenige der gesamten Schweiz von 2,4 Prozent.
Die Unterbeschäftigung misst den Anteil derjenigen Teilzeitbeschäftigten, die mehr arbeiten möchten, aber keine Mehrarbeit angeboten erhalten. Die Quote ist in der Informatik zweieinhalb Mal geringer als im gesamtschweizerischen Durchschnitt (1% gegenüber 2,5%).
Wenn wir also davon ausgehen, dass es tatsächlich zu wenig ICT-Fachkräfte gibt und in Zukunft immer noch mehr gebraucht werden, dann müssen Lösungen gesucht werden, die mehr Fachkräfte hervorbringen. Die Möglichkeiten sind begrenzt. Auf die Zuwanderung können wir nicht weiter setzen.
Wenn Teilzeitbeschäftige das Arbeitspensum erhöhen, dann vergrössert sich das Angebot an Fachkräftestunden. Diese Möglichkeit ist aber kaum vorhanden, da die Beschäftigungsquote im Berufsfeld der ICT bereits sehr hoch ist (siehe Knappheitsindikator der Unterbeschäftigung).
Diese Massnahme wirkt analog einer Erhöhung des Beschäftigungsgrades, ist aber wohl schwer umzusetzen, da die Belastung in der ICT bereits hoch ist. Die Massnahme hätte wohl eine verstärkte Berufsabwanderung zur Folge, was unter dem Strich zu einem Verlust an Fachkräften führen würde.
Diese Massnahme wäre wie die Erhöhung der Arbeitszeit theoretisch ein Gewinn an Fachkräftekapazität. Die Diskussion wird sicher gesamtgesellschaftlich und politisch geführt werden (müssen), dies aber losgelöst vom Berufsfeld der ICT. Hier stehen wir eher vor dem Problem, dass die sonst unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote ab einem Alter von 45 Jahren plötzlich überdurchschnittlich ansteigt und höher liegt als im schweizerischen Durchschnitt der Gleichaltrigen. Und damit kommen wir zu einer dringend notwendigen Massnahme.
Das Berufsfeld der ICT zeichnet sich durch zwei ungünstige Eigenschafen aus: Zum einen verlässt jeder dritte ICT-Ausgebildete das Berufsfeld und geht einer Tätigkeit ausserhalb der ICT nach, und zum andern können über 45-jährige ICT-Qualifizierte nur noch schwer Fuss fassen in ihrem angestammten Berufsfeld. Hier sind die Unternehmen gefordert und haben ein riesiges Fachkräftepotenzial, das es zu erschliessen gilt. Dass die Lösung nicht banal ist, liegt auf der Hand. Denn die Breite, Komplexität und Dynamik in der ICT ist zu gross, als dass man die Formel "ICT-Fachkraft = ICT-Fachkraft" anwenden könnte. Ganz entscheidend ist aber die letzte hier aufgeführte Massnahme.
Jörg Aebischer ist der erste Geschäftsführer des im Jahr 2010 gegründeten Verbands ICT-Berufsbildung Schweiz. ICT-Berufsbildung Schweiz wird getragen vom Dachverband ICTswitzerland sowie den kantonalen und regionalen ICT-Lehrbetriebsorganisationen. Zuvor war Jörg Aebischer während sieben Jahren als Direktor eines privaten kaufmännischen Bildungsunternehmens in Bern tätigt, davor während zehn Jahren als Unternehmensberater für Personal und Organisation.