Beekeeper ist eines der wertvollsten Schweizer Software-Startups. Das 2012 gegründete Unternehmen figuriert seit letztem Jahr auf der Liste von Europas "Top 100 Next Unicorns" und ist auf dem Weg zur Profitabilität. Wir haben CEO Cris Grossmann zum Interview getroffen und gefragt, wann die nächste Finanzierungsrunde und der Börsengang anstehen.
Vor ziemlich genau 12 Monaten haben Sie in Ihrer bisher letzten Finanzierungsrunde 50 Millionen Franken geholt. Was ist seither passiert?
Es ist Geld in Kundenakquise und Marktexpansion geflossen. Ausserdem haben wir in die Produktentwicklung investiert und die Oberfläche vergrössert. Das heisst, wir zeigen mehr Informationen aufs Mal an.
Das war jetzt ein bisschen allgemein. Deshalb frage ich anders: Ist vom Geld noch etwas übrig?
Es ist noch einiges übrig (lacht). Wir sind bald schon profitabel und werden die Investments weise und strategisch verwenden.
Ist es noch ein weiter Weg? Wann wollen Sie im Ziel sein?
Wir wollen in den nächsten 6 bis 9 Monaten profitabel sein.
Und danach? Stehen weitere Finanzierungsrunden an, um zu wachsen – oder planen Sie gar einen IPO?
Wir wollen profitabel werden, um die Abhängigkeit von den Finanzmarktinvestoren zu verringern. Dennoch ist es definitiv eine Option, nochmals eine Runde zu machen, um uns nochmals einen Wachstumsschub zu geben. Aber ein IPO steht in den nächsten 2 Jahren nicht zur Debatte.
Ihre Zielgruppe sind Mitarbeitende von Firmen, die keinen Büroarbeitsplatz haben. Also Logistikerinnen, Pflegerinnen und Bauarbeiter oder Mitarbeitende am Fliessband. Ihr primärer Kanal ist also das Smartphone?
Ja, aber nicht nur. Beekeeper wird auch am PC genutzt. Viele Firmen verwenden Software, die auf den PC ausgerichtet ist, und die dank Beekeeper in einer "desktopfreundlichen" All-in-one-App gebündelt werden kann. Es ist wichtig, dass wir auch die Bedürfnisse der PC-Nutzerinnen und -Nutzer in unserer Lösung abbilden können.
Schlussendlich ist es aber nur eine andere Bildschirmgrösse – oder was sind die besonderen Herausforderungen bei ihrer Zielgruppe?
Nein, es ist ein ganz anderer Ansatz. Es ist wie Tennis und Baseball – bei beiden Sportarten kommen Schläger zum Einsatz, aber das Spiel ist ein ganz anderes. Bestes Beispiel: das Login. Viele der sogenannten Frontline Worker haben keine E-Mail-Adresse. Das gewohnte Einloggen funktioniert also nicht, weshalb wir ein System mit QR-Codes gebaut haben, mit denen sich die Mitarbeitenden einloggen können.
Sie sind aber nicht alleine. Auch grosse Provider wie SAP oder Microsoft sind in diesem Bereich aktiv.
Das stimmt, auch diese haben das Thema für sich entdeckt. Sie versuchen aber, bestehende Lösung für die Frontline Worker neu zu verpacken, wir adressieren sie direkt mit einem für sie gedachtem Produkt.
Sie haben vor einem Jahr nicht nur die Finanzierungsrunde gemacht – plötzlich war auch ChatGPT da. Dadurch hat sich die Wahrnehmung von Künstlicher Intelligenz in der breiten Bevölkerung stark verändert. Inwiefern haben sich durch ChatGPT Ihr Produkt oder die Ansprüche von Kundinnen und Kunden verändert?
KI ist ein wichtiges Thema für uns. Aber während ChatGPT für "Desktop Worker" einen Mehrwert bieten kann, ist es für unsere Zielgruppe weniger wichtig. Wir nutzen KI aber schon seit längerem für Übersetzungen. Unsere Plattform übersetzt jegliche Art von Inhalten in über 100 Sprachen, was für die Mitarbeitenden von grosser Bedeutung ist. Sie können sich also in ihrer Muttersprache – sei es Portugiesisch, Spanisch oder Albanisch – informieren. Weil sie darüber hinaus bei ihrer Arbeit oft Handschuhe tragen, sind Voice-Interfaces sehr wichtig.
Welche Rolle spielt KI oder Large Language Models (LLMs) intern, zum Beispiel im Kundendienst oder in der Software-Entwicklung?
Bei beidem. Unsere Development-Teams brauchen die KI von Github, um gewisse Prototypen schneller zu machen. Darüber hinaus hilft uns KI, Feedback von Kundinnen und Kunden schnell und gut zusammenzufassen. Darüber hinaus setzen wir KI beim Marketing ein, um unsere Inhalte zu verbessern.
Ich würde gerne einen Blick auf den Schweizer Markt werfen. Wer sind Ihre wichtigsten Kunden und wer kam in den letzten 12 Monaten neu dazu?
Eine der am schnellsten wachsenden Branchen ist das Gesundheitswesen. Wir konnten beispielsweise die Kantonsspitäler Aarau und Baden sowie Hirslanden als Kunden gewinnen. Auf dem Vormarsch ist auch die Baubranche, wo Walo, Marti und Cellere neu zu uns kamen.
Hat die Pandemie geholfen?
Ja! Viele Unternehmen haben realisiert, dass viele ihrer Frontline Worker noch mit Papier und Stift ausgestattet waren und sie diese dringend unterstützen mussten.
Wie viele Mitarbeitende zählt Beekeeper heute und wie viele davon sitzen in der Schweiz?
Weltweit sind es 220, davon 105 in der Schweiz. Der Rest verteilt sich auf unsere Büros in den USA, Krakau und Berlin.
Möchten Sie uns unterstützen?
Inside IT steht für unabhängigen und qualitativ hochwertigen Journalismus. Unsere Inhalte sind kostenlos verfügbar und bleiben dies auch weiterhin. Umso mehr würden wir uns freuen, wenn Sie unsere Arbeit und unsere Recherchen mit einem Betrag Ihrer Wahl unterstützen. Vielen Dank!