Daten müssen nicht zur KI, sondern die KI zu den Daten

31. Oktober 2024 um 08:00
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Todd Lieb (l.), Vice President of Cloud Partnerships, und Frank Thonüs, General Manager Schweiz. Fotos: Screenshot / Dell Technologies Forum

Am Rande des Dell Technologies Forum in Zürich haben wir mit Todd Lieb, VP of Cloud Partnerships, und Schweiz-Chef Frank Thonüs über die Herausforderungen von KI-Projekten und die Vorteile der "Late Follower" gesprochen.

Weltweit gehen vier von fünf Unternehmen davon aus, dass Künstliche Intelligenz ihre Branche fundamental verändern wird. Gleichzeitig stehen zwei Drittel der Unternehmen noch am Anfang ihrer KI-Reise, so die Ergebnisse einer von Dell durchgeführten Befragung unter IT- und Business-Entscheidern weltweit. Wie die KI-Reise angegangen werden kann, erklären Todd Lieb, VP of Cloud Partnerships, und Frank Thonüs, General Manager Schweiz. Am Rande des Dell Technologies Forum in Zürich haben wir mit ihnen über den Einsatz von KI in Unternehmen, die Besonderheiten des Schweizer Marktes und neue Risiken durch Künstliche Intelligenz gesprochen.
Viele Unternehmen haben heute noch Legacy-Systeme, arbeiten aber gleichzeitig mit Multi-Cloud-Umgebungen – und jetzt kommt auch noch KI. Wie gehen Ihre Kunden mit dieser Herausforderung um?
Todd Lieb: Das ist eine Frage, mit der sich die IT schon seit Jahren beschäftigt. Früher hatten wir die Legacy-IT und die Cloud-Teams, die nicht unbedingt gegeneinander kämpften, sich aber nicht immer einig waren. Heute haben wir die Legacy-IT und die KI-Teams. Was hilft, ist ein klar definierter Use Case mit einem erkennbaren Business Value. Bei Dell haben wir über 900 potenzielle KI-Projekte auf unter 200 reduziert. So konnten wir uns auf solche konzentrieren, die in kurzer Zeit den grössten geschäftlichen Nutzen bringen. Der Use Case bestimmt schliesslich, welche Daten benötigt werden – auch von den Legacy-Teams, und welche Anforderungen zu erfüllen sind.
Wie entscheidet man, ob Daten auf den eigenen Servern im Keller oder in der Cloud gespeichert werden?
Lieb: Die Zeiten, in denen man alle Daten an einem zentralen Ort zusammenführt, sind vorbei. Es gibt einfach zu viele Daten und zu grosse Latenzzeiten beim Transfer. Der erste Schritt ist, zu definieren, welche Datensätze überhaupt benötigt werden. Strukturierte Daten aus Mainframe-Systemen sind einfacher zu verarbeiten. Die unstrukturierten Daten sind hingegen oft die interessanteren, aber auch komplexeren. Man muss wissen, wo sich diese Daten befinden, sei es in der Cloud, am Edge oder im Rechenzentrum. Danach geht es darum, die Daten zu bereinigen und mit der KI zu verbinden. Dabei muss gleichzeitig sichergestellt werden, dass Datenschutz- und Compliance-Anforderungen eingehalten werden.
Welche Rolle spielt Edge Computing?
Lieb: Die Entscheidungsfindung wird immer mehr an den Edge verlagert. Von der Automatisierung in Fabriken bis hin zum Arzt, der Röntgenbilder auswertet. Etwa 50% der weltweiten Daten werden am Edge erzeugt. Das heisst aber nicht, dass all diese Daten behalten werden müssen: Sie können genutzt werden, um Modelle zu verbessern, und dann gelöscht werden. Es geht nicht darum, alles an einem zentralen Ort zu speichern.
Das Prinzip "Cloud First" gilt also nicht mehr zwingend?
Lieb: Meiner Meinung nach nicht mehr. Unsere Kunden sprechen heute eher von "Cloud Smart". Früher bedeutete Cloud First automatisch Public Cloud First. Diese Zeiten sind vorbei. Die Kunden verstehen, dass es nicht ein Entweder-oder ist, sondern dass es beides sein muss. Man schaut sich an, was man erreichen möchte und findet dann den besten Ort dafür. Übrigens befinden sich heute über 80% der Daten, die für KI benötigt werden, unter der Kontrolle der Kunden und nicht in der Public Cloud.
Frank Thonüs: Die Kunden in der Schweiz starten meist klein und nutzen Cloud-native Tools. Wenn ein Case dann grösser und Business-kritisch wird, muss das Setup manchmal überarbeitet werden. Wo sollen Daten gespeichert und analysiert werden, wie entwickeln sich die Kosten? Bedenken gibt es auch bei der Nutzung von öffentlich verfügbaren Large Language Models: Wenn alle auf die gleichen Modelle respektive Daten zugreifen können, wo bleibt der Wettbewerbsvorteil für meine Firma? Eine weitere Sorge ist, dass Unternehmens-eigene Daten für das Training der öffentlichen KIs verwendet werden.
Wenn man in der Schweiz über Daten und Cloud spricht, bleiben Fragen rund um Regulierung und Datenschutz nicht lange fern. Wie gehen Ihre Kunden damit im Kontext von KI um?
Lieb: Global gesehen ist das definitiv ein wichtiges Thema. Nicht nur wegen der staatlichen Regulierungen, sondern auch wegen dem, was Frank Thonüs angesprochen hat. Wenn ich meine Daten zum Training eines öffentlichen Modells nutze, hat plötzlich jeder Zugriff darauf. Wenn man also ein LLM mit seinen Daten erweitern möchte, um es auf bestimmte Cases abzustimmen, muss das in einer kontrollierten Umgebung geschehen. Diese Umgebung muss auch den Anforderungen an Datenschutz und Datenstandort gerecht werden.
Thonüs: Das heisst nicht zwingend, dass die Daten auf den eigenen Servern liegen müssen. Wir haben einige Partner, die Sovereign-Cloud-Lösungen anbieten, so dass die Daten von ausserhalb der Schweiz nicht angetastet werden können. Das sind Lösungen, nach denen Kunden häufig suchen.
Über welche Risiken, die mit dem Einsatz von KI einhergehen, wird zu wenig diskutiert?
Thonüs: Ein wichtiger Punkt sind Cyberangriffe und Ransomware. Die Schweiz ist zwar insgesamt gut aufgestellt. Klar ist aber auch, wie Studien zeigen, dass nicht alle ausreichend gegen Cyberattacken gewappnet sind. Daneben dürfen wir nicht vergessen, gegenüber KI-generierten Inhalten kritisch zu bleiben.
Lieb: Richtig, Halluzinationen und falsche Empfehlungen, die als Fakten präsentiert werden, müssen uns bewusst sein. Wenn zum Beispiel unser digitaler Kundenservice falsche Antworten gibt, ist das ein Problem. Diese Risiken hat noch niemand vollständig gelöst. Ausserdem wird der Energieverbrauch und die Wärmeentwicklung in Rechenzentren ein immer wichtigeres Thema. Wie können wir die nötige Infrastruktur nachhaltig aufbauen?
Die Schweiz gilt als eher konservativ bei der Einführung neuer Technologien. Warum ist das so?
Lieb: Die Schweizer sind vielleicht schnelle und intelligente Follower, was nicht unbedingt schlecht ist. Auch wenn die USA, sagen wir, einen Vorsprung von einem Jahr haben, ist die Schweiz nach drei Jahren wieder gleichauf. Die Unternehmen hier profitieren von den Erfahrungen. Niemand würde bestreiten, dass KI eine Business-Chance ist, aber es geht auch darum, wie wohl man sich mit den Veränderungen fühlt.
Thonüs: Die Schweiz war schon immer ein Land, das neue Technologien schnell adaptiert hat, aber sehr gezielt und ohne das Bestehende komplett hinter sich zu lassen. Bei der Cloud-Adoption liegt die Schweiz hinter anderen Ländern zurück. Das mag regulatorische Gründe haben, liegt aber auch an der Mentalität. Man beobachtet zuerst, es ist manchmal eine "Wait and see"-Haltung. Diese kann gut oder schlecht sein. Mein Tipp an die Kunden ist immer, mit einem klaren Use Case klein anzufangen. Wählen Sie ein Produkt oder einen Service, der durch KI verbessert werden könnte.
Verfügen Schweizer Unternehmen über genügend Fachkräfte für ihre KI-Transformation?
Thonüs: Wir haben bei Dell ein eigenes Schweizer "AI Pursuit Team" mit langjährigen Mitarbeitenden, die entsprechend geschult wurden. Die haben definitiv genug zu tun. Wichtig ist aber auch das Ökosystem. Wir haben in den letzten Monaten ein grosses Partnernetzwerk aufgebaut. Dabei ist es wichtig, lokale Experten zu haben, die die Schweizer Gesetzgebung und Regularien kennen.
Lieb: Es gibt immer noch einen Mangel an KI-Fachkräften. Wer diese Skills hat, wird sofort von grossen Beratungsunternehmen oder Tech-Konzernen abgeworben.
Interessenbindung: Dieses Interview wurde im Rahmen einer Medienpartnerschaft zwischen Dell Technologies und inside-it.ch geführt.

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