Über 8000 gefälschte Impfzertifikate sind allein im Kanton St. Gallen Ende letzten Jahres entdeckt worden. "Die Personen, welche die Zertifikate ausstellten, arbeiteten in privaten Testzentren und hatten dadurch Zugang zum nationalen Ausstellsystem für Zertifikate", schrieb der Kanton St. Gallen damals in einer Mitteilung.
"Zertifikatsberechtigung fördert den Missbrauch"
Die Kantone beginnen sich nun zu wehren und wenden sich an den Bund. "Die momentane Handhabung der Zertifikatsberechtigung fördert den Missbrauch", zitiert '
SRF' aus einem Brief der Abteilung Gesundheit des Kantons Aargau an die Adresse des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Um die Glaubwürdigkeit der Covid-Zertifikate sicherzustellen, sei sofortiges Handeln unerlässlich, so der Brief weiter. Laut dem Bericht unterstützt der Grossteil der anderen Kantone das Anliegen der Aargauer Behörde.
"Eine Nachforschung, ob hinter Einzelfällen womöglich ein systematisches betrügerisches Vorgehen liegt, ist den Kantonen mit den aktuellen IT-Strukturen nicht möglich", formuliert es der Kanton Aargau.
Erkennung missbräuchlich ausgestellter Zertifikate bleibt komplex
Das BAG wehrt sich auf Anfrage von inside-it.ch: "Das ist so nicht richtig", sagt Sprecherin Nani Moras. Mit dem bestehenden System könnten beliebige Reports erstellt werden. So seien bereits heute verschiedene Prüfregeln in den IT-Systemen hinterlegt. "Richtig ist aber, dass diese Reportings erst jetzt automatisiert werden und das Rollen- und Berechtigungskonzept aktualisiert wird." Dies sei in Zusammenarbeit mit den Kantonen bereits in Bearbeitung. Allerdings werde die Frage, ob ein Zertifikat missbräuchlich ausgestellt worden ist oder nicht, durch die Einführung eines Rollen- und Berechtigungskonzepts nicht einfacher zu beantworten sein, schiebt Moras nach.
Auf die Frage, weshalb dies nicht von Anfang an gebaut worden sei, sagt Moras: "Zu Beginn ging es beim Zertifikatssystem lediglich um den Nachweis der Impfung, der Genesung und des negativen Testergebnisses und die Erleichterung bei Auslandsreisen." Die Anforderungen an das System hätten sich seit den Zugangsbeschränkungen mit 3G, 2G und 2G+ jedoch vervielfacht, so Moras.
Hohes Missbrauchspotenzial aufgrund fehlender Kontrollmechanismen
Aktuell könnten Testzentren Zertifikate ausstellen, ohne Impfungen anzubieten. Es benötige deshalb Einschränkungen bei den Berechtigungen, um das Missbrauchspotenzial zu senken, so die Forderung der Kantone. "Wir möchten nicht, dass alle Aussteller alle Typen von Zertifikaten erstellen können", sagte die Bündner Kantonsärztin Marina Jamnicki zum Schweizer Fernsehen. Darüber hinaus hätten die Kantone kaum Auswertungsmöglichkeiten. "Wir möchten wissen, wer, wann wie viele Zertifikate erstellt", sagt Jamnicki. Den Kantonen fehle dieser Überblick komplett.
BAG will beim System nachbessern
Für die Kantone sei es anspruchsvoll, die berechtigten Ausstellerinnen und Aussteller zu überprüfen, gibt das BAG gegenüber 'SRF' zu. Das Zertifikatssystem sei so gebaut, dass eine grosse Anzahl von Personen Zertifikate ausstellen kann.
Das soll sich jetzt ändern: Das Zertifikatssystem soll angepasst werden, insbesondere punkto Monitoring. "Dieses wird verfeinert, sodass zeitnah die entsprechenden Stellen über einen möglichen Verdacht eines Missbrauchs informiert werden", so Nani Moras auf unsere Anfrage.
Bis wann allerdings die Änderungen in Kraft treten, und ob diese dann wirkungsvoll sind, ist noch nicht bekannt.