In der Praxis sehen wir Anwälte zwei Extreme beim Umgang mit Haftungsbestimmungen in IT-Verträgen. Entweder sie fehlen komplett oder sie sind sehr einschränkend formuliert. Für Leistungserbringer kann es ungemütlich werden, wenn sie sich mit dem eigenen Haftungsrisiko nicht auseinandersetzen.
Folgende zwei Praxistipps können Abhilfe schaffen:
1. Was gilt, wenn eine Haftungsbestimmung fehlt?
Es gilt das OR. Dieses hält fest: Wenn eine Partei eine vertragliche Pflicht nicht oder nicht richtig erfüllt, ist der daraus entstandene Schaden zu ersetzen, sofern der Verpflichtete nicht beweist, dass ihn kein Verschulden trifft. Wenn die vertragliche Leistung darin besteht, eine Tätigkeit sorgfältig auszuführen, können Sie davon ausgehen, dass die Verletzung der vertraglichen Pflicht schuldhaft erfolgte und somit der entstandene Schaden zu ersetzen ist.
Als relevanter Schaden gilt (nach OR) jede unfreiwillige Vermögensverminderung, die nach gesundem Menschenverstand (für Juristen: "nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung") durch die Pflichtverletzung verursacht wurde.
Praxistipp 1: Die Regelung im OR ist zugunsten des Leistungsbezügers formuliert. Der Leistungserbringer haftet für jede Pflichtverletzung und für jeden Schaden, soweit ein angemessener Konnex zwischen Pflichtverletzung und Schaden besteht und er nicht beweisen kann, dass ihn kein Verschulden trifft. Als Leistungserbringer sollten Sie die Haftung also vertraglich regeln und sinnvoll eingrenzen.
2. Wie kann das Haftungsrisiko sinnvoll eingegrenzt werden?
Um das Haftungsrisiko als Leistungserbringer sinnvoll einzugrenzen, ist auf verschiedenen Ebenen anzusetzen:
- Keine übermässigen Pflichten eingehen: Ein vertragliches Haftungsrisiko besteht meist erst dann, wenn gegen eine Leistungspflicht verstossen wird. Gehen Sie also nur Verpflichtungen ein, die Sie einschätzen und einhalten können.
- Folgen der Pflichtverletzung definieren: Definieren Sie, welche Ansprüche ein Kunde geltend machen kann und innert welcher Frist und Form er dies tun darf. Idealerweise beschränken Sie die Mängelrechte auf die Nachbesserung und die Gewährung eines Rabatts (Minderung) ein. Da die Nachbesserung mit erheblichem Aufwand verbunden sein kann, empfehle ich jeweils Leistungserbringern folgendes: Entweder sich das Recht ausbedingen, selber zu bestimmen, ob nun eine Nachbesserung erfolgt oder ob ein Preisabschlag gewährt wird.
- Haftung inhaltlich beschränken: Mit Ausnahme der Haftung für absichtlich oder grobfahrlässig zugeführte Schäden kann die Haftung ausgeschlossen werden. Die inhaltliche Beschränkung kann zum Beispiel erfolgen, indem die Haftung für Hilfspersonen ausgeschlossen wird oder indem bestimmte Schadenskategorien (z.B. mittelbare Schäden, insbesondere der entgangene Gewinn) ausgeschlossen werden. Zur Vermeidung von Missverständnissen sollten spezifische Schadenspositionen, die bei der Nutzung eines IT-Services auftreten können, explizit ausgeschlossen werden, zum Beispiel die Haftung für den Verlust oder die Beschädigung von Daten oder die Haftung im Zusammenhang mit der Nichtverfügbarkeit des Services. Letztere kann beispielsweise durch die pauschale Gewährung von Service Credits abgegolten werden.
- Haftung betragsmässig beschränken: Idealerweise schliesst ein Leistungserbringer die Haftung – soweit gesetzlich zulässig – vollständig aus. Das werden viele Kunden aber nicht akzeptieren. Vielfach wird die Haftung deshalb auf einen dem Vertragsvolumen angemessenen Betrag beschränkt, zum Beispiel die in einem Jahr effektiv bezahlte Vergütung des Kunden. Diese betragsmässige Haftungsbegrenzung kann sich auf eine bestimmte Zeitspanne (etwa ein Kalenderjahr oder die ganze Vertragsdauer) oder auf einen Schadenfall beziehen.
Praxistipp 2: Vielfach verhandeln die Parteien nur über eine betragsmässige Haftungsbeschränkung. Es gibt aber weit mehr "Hebel", mit welchen das Haftungsrisiko für Leistungserbringer reduziert werden kann. Wichtig ist, erstens keine Pflichten einzugehen, die nicht erfüllt werden können, zweitens die Folgen eines Vertragsbruchs vertraglich zu regeln und drittens die Haftung sowohl inhaltlich wie betragsmässig einzuschränken.
Zur Person
Elias Mühlemann ist Rechtsanwalt bei Vischer. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Technologie-, Medien- und Innovationsrecht.