Die Digital Night 2024 stand ganz im Zeichen von Künstlicher Intelligenz. Zahlreiche Experten haben über die Entwicklungen in der Schweiz diskutiert.
An der diesjährigen Digital Night des Vereins Digital Winterthur stand das Thema Künstliche Intelligenz im Mittelpunkt. Am Event in der Aula der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur wurden verschiedene KI-Lösungen aus der Schweiz vorgestellt. Im Fokus stand zudem die Frage, welche Rolle die Schweiz bei der Entwicklung spielt und welche Vor- oder Nachteile diese im globalen Entwicklungsrennen mit sich bringt.
Eröffnet wurde die Veranstaltung von Vereinspräsident Andri Fabig. Er stellte einige Projekte seiner Organisation vor, darunter auch eine digitale Währung für die Stadt Winterthur, die momentan allerdings auf Eis liegt. Das Ziel des Vereins ist die Förderung der Interaktion zwischen der Gesellschaft, der Forschung und der Politik in Sachen Digitalisierung.
KI im Ohr
Die erste Keynote des Abends hielt AlpineAI-Gründer und -CEO Pascal Kaufmann. Der Chef des KI-Startups erzählte den Anwesenden von seinem Hörgerät, das mit SwissGPT verbunden ist, und so verschiedene Aufgaben für ihn übernehmen kann. So soll das Hörgerät, das in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Hersteller Sonova entwickelt wurde, etwa Fragen beantworten, Meetings zusammenfassen oder Vorschläge für E-Mails verfassen können.
Gleichzeitig sagte Kaufmann auch, dass die Schweiz im Wettrüsten der KI-Technologie gegenüber den grossen Playern wie China oder den USA chancenlos sei. Bei der Forschung und der Entwicklung von neuen Technologien sei man zwar sehr gut aufgestellt, aber die "grossen Gewinne greifen schlussendlich die amerikanischen Tech-Konzerne ab, die die in der Schweiz entwickelten Lösungen skalieren und zu Geld machen".
Pascal Kaufmann. Foto: Digital Winterthur
Weil er dieser Entwicklung entgegenwirken wollte, hat Kaufmann Ende Juli 2023 das KI-Startup AlpineAI gegründet. Mit SwissGPT bewirbt er eine vertrauenswürdige KI-Lösung aus der Schweiz. Beim Einsatz in Unternehmen kämen bei den grossen amerikanischen oder chinesischen Anbietern schnell rechtliche Fragen auf. Zudem sei man auch nie davor gefeit, dass sich die Nutzungsbedingungen plötzlich ändern. So gescheheneben erst bei Meta.
Mit seinem Startup setzt Kaufmann vor allem auf das Argument der Schweizer Vertrauenswürdigkeit. Zudem möchte er seiner Kundschaft Zugang zu den wichtigsten KI-Institutionen der Schweiz verschaffen. So haben sich bereits rund 500 Behörden und über 800 private Unternehmen beim KI-Startup gemeldet, weil sie an deren Technologie für die Zusammenfassung von E-Mails interessiert sind.
Kundenservice vom Chatbot
Eine weitere KI-Lösung, die an der Digital Night vorgestellt wurde, war der Chatbot des Unternehmens Enterprise Bot. Die Software ermöglicht die automatisierte Interaktion zwischen Kunden und Unternehmen. Als Beispiel für einen möglichen Use-Case zeigte der Anbieter ein Kündigungsgespräch beim Internetprovider Sunrise.
Dabei konnte der Computer dem Anrufenden, der Schweizerdeutsch sprach, zahlreiche Auskünfte erteilen, solange bis die Interaktion mit einem Menschen erforderlich wurde. Mit dem Chatbot sollen aber nicht nur Interaktion automatisiert, sondern auch die Verfügbarkeit der Kanäle und die Optimierung der vorhandenen Ressourcen verbessert werden.
Dabei sei es allerdings besonders wichtig, dass die Daten für das Training des Chatbots stets in der Obhut der Kundschaft bleiben, betonte der Anbieter. So sei die Software mit einer offenen Schnittstelle ausgestattet, die eine einfache Auswechslung der KI-Technologie ermöglichen soll. So arbeitet das Unternehmen aktuell mit ChatGPT, wäre aber auch darauf vorbereitet, den Anbieter künftig zu wechseln.
Schnelllebigkeit als Herausforderung
Nach dem Abendessen und einer Präsentation zur Digitalstrategie von Winterthurs CIO Christoph Manserfolgte eine offene Podiumsdiskussion, bei der Pascal Kaufmann, Pascal Borner von Beebase, Christian Fehrlin von Deep Impact und Business Angel Manfred Köhl über die Entwicklung von KI in der Schweiz sprachen.
Moderator Andri Fabig mit Pascal Kaufmann, Pascal Borner, Christian Fehrlin und Manfred Köhl. Foto: Digital Winterthur
Auch hier kam wieder das Argument auf, dass man hierzulande zwar in der Forschung und Entwicklung vorne mit dabei sei, sich aber bei der weiteren Entwicklung stets unter Wert verkauft. "Wir sind keine Weltmeister im Skalieren, bei der Vermarktung oder dem Go-to-market", sagte Manfred Köhl sinnbildlich.
Pascal Kaufmann entgegnete darauf, dass auch die Schweizer Kultur schwierig sei. "Wer hier einmal scheitert, muss fast das Land verlassen", erklärte er. "Wir leben in der Schweiz in paradiesischen Verhältnissen, Mut und die Inkaufnahme von Risiko sind nicht Teil unserer Kultur."
Ähnlich sah es auch Christian Fehrlin. "Die internationalen Unternehmen sind hungriger", sagte er. Zudem störte er sich an den Regulierungsbemühungen aus der Europäischen Union. Diese seien einzig ein Versuch, die Entwicklungen der Technologie zu bremsen, weil man dabei selbst ins Hintertreffen gelangt sei.
Pascal Borner sieht auch die Schnelllebigkeit als eine Herausforderung. "Kaum ist eine Technologie voll ausgereift, folgt bereits die Nächste", sagte er. Die Position der Schweiz sieht er im Bereich der Nischenlösungen. "Dafür müssen sich Unternehmen aber stets weiterentwickeln und neue Methoden zur Anpassung finden."
Interessenbindung: Inside IT ist Medienpartner von Digital Winterthur. Deep Impact ist die Muttergesellschaft von Winsider, Herausgeber von Inside IT.