EFK will eine Meldepflicht für Uber, Airbnb und Co., das Seco widerspricht

4. August 2022 um 13:13
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Foto: Joshua Lawrence / Unsplash

Die Finanzkontrolle moniert Wettbewerbsverzerrung und fehlende Steuereinnahmen in der Plattformökonomie. Kritisierte Behörden werfen der EFK eine ungenaue Definition der Gig Economy vor.

Uber-Fahrer, Ricardo-Händler und Batmaid-Putzkräfte sind offenbar selten über ihre Pflichten in Sachen Steuern und Sozialversicherungen im Bilde. Arbeitende in der Plattformökonomie würden die betreffenden Gesetze kaum kennen. Dies schreibt die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) in einem Prüfbericht. Demnach haben rund 80% der Betroffenen noch nicht mal Informationen zur Sozialversicherungspflicht eingeholt.
Ausserhalb der Schweiz laufen Bestrebungen für eine klarere Regulierung: Die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) hat Musterregeln verabschiedet. Die Europäische Union führt auf 2023 eine Meldepflicht und einen Datenaustausch ein. In der Schweiz fehle das, kritisiert die EFK. Sie fordert nun dringend Massnahmen in der Sharing- und Gig-Ökonomie wie eine Auskunfts- und Meldepflicht für die Plattformbetreiber. Zudem soll die Einführung der Musterregeln der OECD geprüft werden.

Politische Zahlenschlacht zwischen den Behörden

Der hochdynamische und stark wachsende Bereich ist aber schwer zu fassen. Weder ist die Anzahl der Plattformen bekannt, noch kennt man die dort Angemeldeten. Gesicherte Zahlen zu den Umsätzen, die über die Vermittlungsapps generiert werden, gibt es ebenfalls nicht. Schon bei der klaren Definition von "Plattformökonomie" zeigen sich Schwierigkeiten.
Die EFK fasst den Begriff breit. Er umfasst für die Prüfer ein Potpourri an Angeboten wie den Handelsplatz Ricardo, private Anbieter auf Booking.com, Crowdfunding-Dienste auf Wemakeit, aber auch Twitch-Streaming und Instagram-Profis. Entsprechend kommt die Finanzkontrolle zur Einschätzung, dass sich die steuerpflichtigen Dienste in der Schweiz auf einen einstelligen Milliardenbetrag summieren. Sie moniert, dass Anbieter ausserhalb der Plattformen benachteiligt seien.
In der Pflicht stünde unter anderem das Seco. Dieses wehrt sich aber. Die EFK fasse den Bereich zu breit und überzeichne damit dessen Bedeutung. Die geforderten Massnahmen seien nicht verhältnismässig, findet das Staatssekretariat für Wirtschaft. Man verfolge den Bereich seit Jahren und wolle Ende Jahr einen Monitoring-Bericht vorlegen, so das Seco. Auch das Eidgenössische Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) hält die EFK-Schätzung für übertrieben und die Einführung der OECD-Musterregeln für verfrüht.
Die beiden Ämter stützen sich auf eine Erhebung des Bundesamtes für Statistik (BFS) aus dem Jahr 2019. Laut diesem beläuft sich der Umsatz in der Plattformökonomie auf rund 580 Millionen Franken. Die EFK hält nach eigenen Recherchen fest, dass mehrere Erhebungen – unter anderem des BFS, der Gewerkschaft Syndicom und des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) – für seine Schätzung sprechen würden. Diese liegt mindestens doppelt so hoch wie jene des BFS von 2019. Die EFK verweist zudem auf die grosse Dynamik im Bereich. So hätten etwa die Essenslieferdienste in der Pandemie stark zugelegt.

Ist Uber ein Arbeitgeber?

Vom BSV klingt es anders als vom Seco: "Es ist wichtig, dass das schweizerische Sozialversicherungssystem mit den erforderlichen Mitteln und Instrumenten ausgestattet ist, um die Einhaltung der Melde- und Beitragspflichten der Arbeitgeber auch bei neu entstehenden digitalen Geschäftsmodellen kontrollieren und durchsetzen zu können." Man sehe sich von der Prüfung der EFK bestätigt, heisst es vom BSV weiter.
Eine grosse Herausforderung seien die oftmals langwierigen Verfahren, um Plattformen überhaupt zu klassifizieren, so die EFK. Ist nun Uber ein Arbeitgeber oder ein Vermittlungsdienst? Vom unklaren Status könnten die Plattformanbieter erheblich profitieren, das sei wettbewerbsverzerrend.
"Die Frage nach dem Status ist bei Plattformbeschäftigungen nicht schwieriger zu beantworten als bei anderen Erwerbstätigkeiten. Das Prozedere nimmt auch nicht mehr Zeit in Anspruch. Dass bisweilen in der Öffentlichkeit ein anderer Eindruck entstanden ist, hängt mit der Neuheit des Phänomens, dem grossen medialen Interesse im Zusammenhang mit dem Fall Uber und dem Umstand zusammen, dass es in der Schweiz bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Einstufung von Plattformmitarbeitenden gibt", so das BSV, das zugleich eine schweizweite Koordinierung der Einstufung befürwortet.
In Kombination dürften eine schweizweite Vereinheitlichung und ein Urteil des Bundesgerichts wegweisend sein. Dort ist derzeit eine Beschwerde von Uber hängig, nachdem ein Gericht in Zürich festgelegt hatte, dass das Unternehmen seine Fahrerinnen und Fahrer als Beschäftigte behandeln muss.
Die EFK-Prüfung wurde von September 2021 bis Januar 2022 durchgeführt. Nebst Recherche, Dokumentenstudium und Interviews mit den Aufsichts- und Vollzugsbehörden wurde auch eine Umfrage bei 851 Plattform-Arbeitenden durchgeführt. Die Querschnittprüfung umfasste das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV), das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).


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