"Wie soll etwas umgesetzt werden, was zum Beispiel vor 3 Jahren in einer Ausschreibung definiert worden ist? Es ist faktisch unmöglich, bei einer Ausschreibung alle künftigen Fakten schon zu kennen", sagt Stefan Lobmeyer, der Verwaltungen bei IT-Projekten hilft. Im Interview erklärt der Change Manager aber auch, welche vermeidbaren Fehler bei vielen IT-Projekten im Behördenumfeld oft gemacht werden.
Sie sind Change Manager für IT-Projekte bei Behörden und staatsnahen Betrieben. Sie werden oft gerufen, wenn ein Projekt mal wieder aus dem Ruder gelaufen ist…
Krisenmanagement und Troubleshooting versuche ich eigentlich zu vermeiden. Ich arbeite lieber präventiv – sodass keine Feuerwehr mehr nötig ist.
Aber ein Change wird oft nur dann nötig, wenn ein Projekt zuvor nicht ganz so gelaufen ist, wie man sich das vorgestellt hat.
Tatsächlich ist das eine Möglichkeit, wie ein Change ausgelöst werden kann. Es gibt aber auch Projekte, in denen meist starre Organisationen dazu gezwungen werden, sich zu verändern. Und dort gehts darum, diesen Change organisiert und strukturiert durchzuführen.
Von wem werden diese Veränderungen in öffentlichen Verwaltungen meistens angestossen?
Von den IT-Abteilungen. Leider wird oft erst im Nachhinein festgestellt, dass ein bestimmtes "IT-Projekt" auch ein Transformationsprojekt gewesen wäre.
Wie kann das passieren?
Es reicht nicht, wenn die IT-Abteilungen ein Projekt korrekt aufgleisen. Oft geht vergessen, das Business miteinzubeziehen oder die notwendige Transformation ins Budget einzurechnen. Vor allem, weil es Vergleich zu Marktorganisationen keine innere Notwendigkeit zur Veränderung besteht.
Sind IT-Abteilungen in öffentlichen Verwaltungen gar nicht darauf trainiert, mit dem Business zusammenzuarbeiten?
Ja. Es ist eher ungewöhnlich, vorher Prozesse anzuschauen und Bedürfnisse der einzelnen Stakeholder abzuholen. Aber es wäre der richtige Weg.
Ist nicht oft auch das "Business", wie Sie es nennen, mitschuldig? Wenn jemand von der IT antanzt und eine Veränderung anstossen will, kommt da nicht die Reaktion: "Warum ist das nötig? Das haben wir so noch nie gemacht!"
Doch, auch das kommt vor. Viele Organisationen haben ihre eigenen Arbeitsweisen und vor allem Ziele und wollen sich gar nicht verändern.
Sie haben viele Projekte in Kantonsverwaltungen, beim Bund und auch auf Gemeindeebene von innen gesehen. Wenn Sie diese Projekte miteinander vergleichen – passieren immer wieder dieselben Fehler?
Ein Projekt hat 3 Erfolgsfaktoren: Termineinhaltung, Budget und Qualität. Viele Fehler gehen auf die Ausschreibung zurück. Vor allem Budgetüberschreitungen haben oft damit zu tun. Es geht um die Definition vom Scope und ob sich zwischen dem Zeitpunkt der Ausschreibung und der Umsetzung entscheidende Punkte verändert haben. Zum Beispiel, wenn sich im Zuge der Umsetzung neue Erkenntnisse ergeben.
Gibts weitere Punkte?
Hinzu kommt, dass oft die politischen Entscheidungsträger und die politischen Prozesse nicht genug im Auge behalten werden. Auch der Druck von Aussen kann zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung eines systemrelevanten Projektes führen.
Ausschreibungen sind komplex, aber gesetzlich vorgeschrieben.
Wie soll etwas umgesetzt werden, was zum Beispiel vor 3 Jahren in einer Ausschreibung definiert worden ist? Es ist faktisch unmöglich, bei einer Ausschreibung alle künftigen Fakten schon zu kennen.
Wie lässt sich diese Herausforderung bewältigen? Es braucht bei öffentlichen Auftragsvergaben ja diese Transparenz.
Man sollte bei den 3 Eckpfeilern – Budget, Zeit und Qualität – genügend Spielraum lassen. Eben, weil man vornherein nicht alles wissen kann. Ausserdem wäre es schlau, den agilen Ansatz in Ausschreibungen unterzubringen.
Das wäre eine bedeutende Änderung. Was sind Fehler, die sich einfacher vermeiden lassen?
Ich stelle oft fest, dass sich Projektorganisationen zu wenig Gedanken über die sogenannten weichen Faktoren machen und den Mensch nicht genügend in den Mittelpunkt stellen, bevor sie ein Projekt launchen. Fragestellungen sollten sein: Wie wird sich die Organisation durch das Projekt verändern? Welche Prozesse packen wir an und welche Stakeholder sind involviert? Gibt es Widerstände und welche Risiken können sich ergeben?
Das heisst, dass solche Vorüberlegungen oft nicht gemacht werden?
Ich würde nicht sagen gar nicht, aber sicher nicht mit der richtigen Priorität.
Wessen Rolle ist es, diese Fehler zu vermeiden?
Das muss von externen, neutralen Change-Management-Experten gemacht werden.
Das müssen Sie sagen, weil das Ihr Job ist.
Aber es ist so. In Organisationen gibts langjährige Beziehungen und Seilschaften, positive wie negative. Das ist hinderlich für den Erfolg eines Projekts und für das Verändern von bestehenden Prozessen. Transformation ist nur durch Transparenz möglich – und für Transparenz müssen Silos und hierarchisches Denken aufgebrochen werden. Deshalb muss das eine neutrale Person machen.
Wenn die Projektleitung von jemandem aus der Organisation übernommen wird, scheitert das Projekt?
Vielleicht scheitert es nicht. Aber es dauert mit Sicherheit länger und die Betriebsblindheit könnte zum Verhängnis werden.
Was ist, wenn Sie als Feuerwehrmann ein zerfahrenes Projekt retten müssen? Welche Situationen treffen Sie an?
Unzufriedenheit, nicht funktionierende Prozesse, Zielkonflikte, ein negativer Umgang miteinander – es ist wie ein vergifteter Acker, auf dem nichts mehr wächst.
Wie lässt sich die Atmosphäre entgiften? Geht man zusammen in eine Bar?
Nein. Man muss dafür sorgen, dass die Menschen wieder dran glauben, dass das Projekt gerettet werden kann. Schwierig ist, dass viele bereits eine Lösung parat haben, aber das Problem nicht verstanden haben. Es geht deshalb in einem ersten Schritt darum, alle an einen Tisch zu bringen, und sich darauf zu einigen, was das Hauptproblem ist.
Was passiert im zweiten Schritt?
Sobald Konsens beim Problem besteht, kann die Lösung angegangen werden. Es wird definiert, wie gemeinsam vorgegangen wird. Im dritten Schritt werden Massnahmen mit Namen und Datum festgelegt. Wichtig ist dabei, dass die Beteiligten das Problem selbst lösen und nicht ich ihnen die Lösung hinlege – so würde sie nicht akzeptiert.
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