Europa will unabhängiger von US-Tech-Konzernen werden

24. März 2025 um 13:30
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Foto: Karolina Grabowska / Unsplash+

Das niederländische Parlament hat mehreren Vorstössen zugestimmt, in denen weniger Abhängigkeit von US-Softwareunternehmen gefordert wird. Auch in der Schweiz und der EU regt sich Widerstand.

Das niederländische Parlament hat vergangene Woche eine Reihe von Anträgen angenommen, in denen die Regierung aufgefordert wird, die Abhängigkeit von amerikanischen Softwareunternehmen zu verringern, unter anderem durch die Schaffung einer eigenen Cloud-Service-Platt­form, die unter niederländischer Kontrolle steht.
Als treibende Kraft hinter der neuen Gesetzgebung sehen die Parlamen­tarier­innen und Parlamentarier vor allem die veränderten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten unter Präsident Donald Trump. "Die Frage, die wir uns als Europäer stellen müssen, lautet: Fühlen wir uns wohl, wenn Leute wie Trump, Zuckerberg und Musk über unsere Daten herrschen?", fragte etwa Marieke Koekkoek im Gespräch mit 'Reuters'.
Neben der eigenen souveränen Cloud-Service-Plattform wird die Regierung auch dazu aufgefordert, zu prüfen, ob die Webdienste von Amazon weiterhin für das Hosting der niederländischen Internet-Domains genutzt werden sollen. So stellen die Politikerinnen und Politiker etwa europäische Alternativen in den Vordergrund, die beispielsweise bei öffentlichen Ausschreibungen bevorzugt werden könnten.
Die Anträge im niederländischen Parlament kamen kurz nachdem dutzende europäische Technologieunternehmen die Europäische Kommission dazu aufgefordert hatten, einen Staatsfonds für europäische Technologie zu schaffen. Bert Hubert, ein niederländischer Tech-Experte, der sich dafür einsetzt, die Abhängigkeit von den USA zu verringern, sagte: "Dies ist nur der erste Schritt, um möglicherweise etwas zu tun".

Office-Software von Swisscom?

Auch in der Schweiz sorgt die geopolitische Lage für ähnliche Überlegungen. So fragt beispielsweise die Schaffhauser SP-Nationalrätin Linda De Ventura in einer Interpellation, ob sich aufgrund des Weltgeschehens nicht eine erneute Risikobeurteilung der Datenschutzfragen sowie eine erneute Risiko­be­ur­teilung einer plötzlichen Nicht-Verfügbarkeit von Microsoft-Produkten für den Bund aufdrängt.
Eine Studie zu Open-Source-Alternativen von Microsoft-Services und -Produkten habe die Machbarkeit einer souveränen IT-Infrastruktur inklusive Büroanwendungen aufgezeigt. Zudem kommunizierte Microsoft im September 2024, dass bald eine neue Office-Version für Behörden angeboten werden soll, die nicht in der Cloud betrieben wird.
De Ventura will vom Bundesrat deshalb wissen, ob seit Januar 2025 eine Neubeurteilung der Risiken des Projekts CEBA, mit dem M365 in der Bundesverwaltung eingeführt wird, vorgenommen wurde. Zudem möchte die Nationalrätin wissen, ob der Bund bei einer sofortigen Einstellung von Microsoft-Services nach wie vor handlungsfähig wäre.
Als Lösung schwebt De Ventura die Swiss Government Cloud vor. So will sie unter anderem wissen, ob über diese auch Open-Source-Büroanwendungen angeboten werden und was nötig wäre, um die Abhängigkeiten der grossen US-Anbieter so weit wie möglich zu reduzieren. Als potenzielle Schweizer Provider bringt die Nationalrätin Unternehmen im öffentlichen Mehrheitsbesitz wie die Swisscom oder die Post ins Spiel.

Kritische Debatte gefordert

Dass es zu M365 auch durchaus vernünftige Alternativen gibt, zeigt ein Schreiben von einem Mitarbeitenden aus einer kantonalen Verwaltung, das inside-it.ch erreicht hat. Darin beschwert sich der Angestellte, der gerne anonym bleiben möchte, dass die Einführung von Microsofts Software "zusätzliches Chaos" verursacht habe. Es sei beispielsweise unklar, welche Daten wo abgelegt werden. "Datenschutzthemen werden einfach an die einzelnen Mitarbeitenden delegiert", findet der Mitarbeitende.
Dabei kritisiert er insbesondere, dass nicht von Anfang an systematisch geklärt wurde, wie kollaboratives und modernes Arbeiten bestmöglich gefördert werden könnte. "Ich bin überzeugt davon, dass die Nutzerakzeptanz, hätte man eine datenschutzkonforme Lösung eingeführt, bedeutend höher gewesen wäre", so der Angestellte, der sich mehr digitale Souveränität für die Schweiz wünscht. Alternativen gäbe es genügend auf dem Markt.
"Sollte es in den kommenden Monaten keine kritischen Debatten zur Cloud-Infrastruktur geben, werden wir in ein bis zwei Jahren in Bezug auf digitale Abhängigkeit noch stärker das Argument hören, dass ein Ausstieg nicht möglich sei", warnte der Mitarbeitende in seinem Schreiben. Zudem werden die Ausstiegsszenarien mit der Zeit immer teurer.

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