Fujitsu: "Unsere Konkurrenz heisst nicht Lenovo, Dell oder HP"

3. Juni 2022 um 14:20
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Vivek Mahajan ist seit einem knappen Jahr globaler CTO bei Fujitsu. Im Interview spricht er über die Chipknappheit, den Zwist zwischen den USA und China und er sagt, warum er Lenovo, Dell oder HP nicht als Konkurrenz sieht.

Nach fast 10 Jahren bei IBM und Kyndryl wechselte Vivek Mahajan auf Anfang Juli 2021 als Senior Executive Vice President und Global CTO zu Fujitsu mit Dienstsitz in Tokio. Inside-it.ch konnte mit dem studierten Ingenieur im Rahmen eines halbstündigen Videointerviews über seine Ziele mit Fujitsu und den Wandel seines Unternehmens zum Serviceprovider sprechen.
Sie sind seit fast einem Jahr der oberste Technikchef bei Fujitsu, wie blicken Sie auf die Zeit zurück? Es fühlt sich an, als wäre ich schon viel länger dabei. Ich hätte mir vor Fujitsu nie vorstellen können, für eine japanische Firma zu arbeiten, doch nun bin ich positiv überrascht. Wir sind eine globale Firma mit Hauptsitz in Japan, nicht eine japanische Firma, die global agiert. Das gefällt mir, es war eine gute Zeit bis jetzt.
Sie waren zuvor während 10 Jahren für IBM und Kyndryl tätig, amerikanische Firmen. Was sind die Hauptunterschiede zu Fujitsu? Beides sind grosse und wichtige Technologiekonzerne. Was mich positiv überrascht, ist, dass Fujitsu strategischer und auch viel schneller unterwegs ist als ich erwartet hatte. Bei IBM wurde hingegen mehr Fokus auf die Quartalsergebnisse gelegt. Der Grund hierfür ist vermutlich ein wichtiger kultureller Unterschied.
Welche Ziele haben Sie sich und Fujitsu auferlegt? Da uns nicht ein Budgetumfang wie den Hyperscalern zur Verfügung steht, müssen wir smarter sein. In den Bereichen, in denen wir agieren, wollen wir weltweit die Nummer 1 oder 2 sein. Deshalb haben wir uns im Bereich Research and Development (R&D) neu aufgestellt und neue Technologie- und Entwicklungscenter in Israel und Indien eröffnet. Die Basis ist nun gelegt, aber es gibt auch noch viel zu tun.
Wo müssen Sie zulegen? Die Nähe zu unseren Kunden kann noch stärker ausgebaut werden. Der Weg dahin führt uns über die Beratung und unser Serviceportfolio. Aus unserer Vergangenheit werden wir oft noch als Hardware-Anbieter wahrgenommen. Zwischenzeitlich haben wir grosse Fortschritte gemacht und uns zu einem Serviceanbieter weiterentwickelt. Und hier wollen wir unseren Fokus noch verstärken und natürlich auch bei unseren Kunden entsprechend präsent sein.
Sie haben es gesagt, das Service-Geschäft wird immer wichtiger. Wie hoch sind die Umsätze des Computing-as-a-Service-Bereichs bei Fujitsu bereits? Unsere Vision von Computing-as-Service ist es, Applikationen, Plattformen, Middleware und Hardware als Service anzubieten. Die Umsätze sind schon signifikant, aber konkrete Zahlen darf ich nicht nennen.
Everything-as-a-Service bietet auch Ihre Konkurrenz. Wie sehen Sie sich gegenüber HP, Dell oder Lenovo positioniert? Wir sehen diese drei Firmen nicht als unsere Konkurrenz. Sie fokussieren primär auf das klassische Hardware-Geschäft, wir hingegen positionieren uns im Servicebereich.
Wer sind denn Ihre wichtigsten Mitbewerber? Das kommt auf den jeweiligen Bereich an. Systemintegratoren sind genauso unsere Mitbewerber wie auch Accenture, Infosys oder IBM Global Services beispielsweise. Von den grossen Solution Providern unterscheidet uns, dass wir die Lösungen mit unserer eigenen Hardware anbieten können.
Was Sie jedoch mit den genannten Firmen eint, ist, dass auch Sie von der Chipknappheit und den Lieferkettenproblemen betroffen waren. Wie schlimm war es bei Fujitsu? Im Hardware-Bereich waren wir genauso betroffen wie die anderen auch. Aber wir haben trotzdem einen guten Job gemacht und nach Möglichkeit unsere Lieferversprechen gegenüber der Kunden gehalten. Dies ist natürlich auch von Region zu Region verschieden. Details dazu kann ich als CTO für Ihre Region leider nicht nennen.
Zur Chipknappheit kommen geopolitische Veränderungen. Die USA und China stellen sich immer mehr Hindernisse in den Weg, was die Produktion von Hardware im jeweiligen Land angeht. Ist Fujitsu als japanische Firma der lachende Dritte? Dieser Konflikt betrifft uns nicht wirklich, auch weil unsere Kernmärkte Japan, Europa und Australien sind. Aber im 5G-Bereich konnten wir durchaus etwas zulegen, da hat uns die geopolitische Situation vielleicht sogar etwas in die Karten gespielt.
Und nicht zuletzt ist da der Krieg Russlands in der Ukraine. Inwiefern ist davon Fujitsu betroffen? Wie bereits im März von uns angekündigt, haben wir alle neuen Aufträge und Lieferungen von Produkten und produktbezogenen Dienstleistungen in Russland eingestellt. Darüber hinaus haben wir die Dienstleistungen, die aus dem Global Delivery Center in Russland angeboten wurden, auf andere Standorte übertragen – hauptsächlich nach Indien und Portugal, um die Kontinuität der Dienstleistungen unseren Kunden gegenüber weiterhin stabil und möglichst verzögerungsfrei sicherzustellen.

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