"Wir wurden mitten in der Konsolidierung von Corona überrascht", sagt Marco Marchesi, Gründer des Schweizer Security-Spezialisten Ispin. Der Unternehmer machte sich 2018 zusammen mit der deutschen Investmentgesellschaft Capiton auf, den Security-Markt Europas zu erobern. Die Partner kauften bis 2020 fleissig Unternehmen: Die Kernfirma Ispin wurde um die Wiener Firma Anovis IT-Services und Trading und Koch IT aus Winterthur ergänzt. Als Dachgesellschaft war dafür die Holding Cymbiq Group gegründet worden.
"Über Teams kann man sich nicht kennenlernen"
Die Holding verleibte sich zuletzt im Juli 2020 Aspectra ein, rund 5 Monate nachdem die World Health Organisation (WHO) die Corona-Pandemie ausgerufen hatte. Man habe sich darum vorderhand auf die Schweiz konzentriert und die Geschwindigkeit der Expansion anpassen müssen, sagt Marchesi im Gespräch: "Wir konnten uns schlicht nicht mehr regelmässig physisch sehen. Firmen vereinen, heisst auch Menschen zusammenführen".
Marchesi hat Inside IT gemeinsam mit dem neuen Ispin-CEO Samuel Bärfuss zum Gespräch getroffen. "Wir haben vieles virtuell gemacht: Projektvorstellungen, Kaffeepausen, Evening Shops, aber Meetings in Microsoft Teams taugen einfach nicht dazu, sich kennenzulernen", sagt dieser. Es sei ein Glück gewesen, dass man schon zusammengearbeitet habe. Bärfuss kommt von der Winterthurer Koch IT, die seit 10 Jahren gemeinsam Projekte mit Ispin durchführt und seit 2019 Teil von Cymbiq ist.
"Wir werden bald wieder zukaufen"
Seit Anfang März ist Bärfuss nicht nur CEO von Ispin, sondern leitet auch die Muttergesellschaft Cymbiq.
Diese wurde radikal verschlankt. Leistungen im Bereich Human Ressources, Business Development oder Finanzen werden mittlerweile vom jeweils kompetentesten Cymbiq-Unternehmen erbracht. Die anderen Gruppenfirmen können diese dann beziehen. Das schaffe ganz neue Synergien, sagt Bärfuss. "Es war wichtig, dass wir zu Beginn Impulse aus der Gruppe geben konnten", ergänzt Marchesi.
"Nach den Übernahmen beschäftigen wir uns nun intensiv mit Integration und Verschlankung", erklärt er weiter. Derzeit werde die Diskussion geführt, wie das Firmengefüge langfristig aufgestellt werden soll. "Wir bleiben unserer Strategie treu und werden uns sowohl geographisch als auch vom Portfolio her wieder breiter aufstellen", betont Marchesi und fügt an: "Wir werden bald wieder eine Firma kaufen".
Engineering hat in der Schweiz hohen Stellenwert
Die Expansion nach Deutschland hat sich als langer Hürdenlauf entpuppt. "Wir sehen deutliche kulturelle Unterschiede", sagt Bärfuss. Beim grossen Nachbarn würden Firmen häufig Standardprodukte kaufen und dann Services dazu beziehen. "In der Schweiz hat das Engineering einen ganz anderen Stellenwert", so der Ispin-CEO. Man gehe hierzulande viel stärker von den konkreten Bedürfnissen der Kunden mit ihrem oft ausgeprägteren Sicherheitsbedürfnis aus. Das biete viele Vorteile, könne aber auch zur Verzettelung führen.
Die Herausforderung Service-Geschäft
Nicht nur die Gruppenstruktur und die Expansion, sondern auch veränderte Kundenbedürfnisse haben Ispin und die Muttergesellschaft vor Herausforderungen gestellt. Neben Unsicherheit hat die Pandemie auch einige Gewissheiten gebracht: Das Cloud- und Service-Geschäft, von Marktforschern seit Jahren gepriesen, etabliert sich seither noch schneller – auch im Security-Bereich. Ispin war mit seinem Security Operation Center (SOC) in Bassersdorf, das 2017 eröffnet worden war, früh dran, sehr früh. Für die Managed Security Services beobachte man erst seit etwas mehr als einem Jahr einen regelrechten Nachfrageboom, sagt Marchesi.
"Früher haben sich viele ein paar Virtualisierungshosts in den Keller gestellt und dann von Cloud gesprochen", sagt CEO Bärfuss. Das habe sich ebenfalls definitiv geändert und werfe dringliche Fragen für Datenschutz und Security auf, während Kunden Security-Dienste gerne so einfach beziehen würden, wie ein Handyabo. Seit er Anfang März seinen Posten als CEO angetreten hat, besucht er Kundinnen und Kunden und fragt ihre Bedürfnisse ab.
Auf die Entwicklungen musste auch das mittelständische Security-Unternehmen selbst reagieren: Während Koch IT nach wie vor auf das Projektgeschäft fokussiert ist, wurde Ispin stark umgebaut und auf das Service-Geschäft ausgerichtet. Die Umstellung auf wiederkehrende Einnahmen, die auch ein neues Mindset benötigen, haben Spuren hinterlassen: Der Personalbestand bei Ispin reduzierte sich von 90 auf 60 Personen. Die Firma wächst laut Marchesi im Service-Geschäft nun im zweistelligen Prozentbereich. Bärfuss betont: "Der grosse Hosenlupf ist jetzt abgeschlossen, auch wenn wir uns weiter dem Markt anpassen müssen."