Thierry Bretons radikaler Schritt: E-Mail soll für interne Kommunikation verboten werden.
Atos, der grösste europäische IT-Dienstleister mit rund 80'000 Angestellten in 42 Ländern, hat eine bereits im Februar noch etwas vage angekündigte Absicht bekräftigt, intern den Gebrauch von E-Mail abzuschaffen, und nun einen konkreten Zeitplan genannt. Schon in 18 Monaten sollen wenn möglich E-Mails bei der Kommunikation der Mitarbeiter untereinander der Vergangenheit angehören. Stattdessen sollen sie Instant-Messaging, interne soziale Netzwerke und das Telefon benützen oder den persönlichen Kontakt suchen.
"Wenn Leute mit mir reden wollen, können sie mich besuchen oder mir eine Textnachricht schicken", meinte dazu Atos-Chef Thierry Breton (Foto). "E-Mails können das gesprochene Wort nicht ersetzen." Der frühere französische Finanzminister begründete den Schritt vor allem mit der durch E-Mails verursachten Zeitverschwendung. Laut Breton erhalten Atos-Angestellte im Schnitt täglich 200 Mails, wovon nur etwa 10 Prozent auch nützlich seien. Die Bearbeitung der E-Mails beanspruche pro Angestelltem zwischen 5 und 20 Stunden pro Woche.
E-Mail war in den 90er-Jahren noch die "Killerapplikation", die nicht nur dem Internet zum Durchbruch verhalf, sondern auch die Schaffung von internen Unternehmensnetzwerken stark förderte. Klagen über die durch übermässigen internen Gebrauch verursachte Zeitverschwendung sind allerdings beinahe so alt wie E-Mail selbst. Neu ist aber wohl, dass eine neue Generation in die Unternehmen drängt, die bereits daran gewöhnt ist, statt E-Mail andere Systeme wie Instant Messaging oder soziale Netzwerke zu benützen. Naht also jetzt das Ende der E-Mail-Ära?
Die Ankündigung von Atos hat aber auch bereits Skeptiker auf den Plan gerufen. Für die externe Kommunikation könne auch Atos weiterhin nicht auf E-Mails verzichten, so dass der Zeitgewinn fraglich sei. Zudem sei es nicht erwiesen, dass Alternativen wie Chats effizienter seien, beziehungsweise effizienter genützt würden. Auch die Absicht, ältere Angestellte, die sich an E-Mails gewöhnt haben, zum Umstieg zu zwingen, sei möglicherweise eine alles andere als weise Entscheidung. (Hans Jörg Maron)