Basel Burning (Cash)

21. Januar 2005 um 20:23
  • kolumne
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Sind Basler wenigstens im Geldverbrennen Spitze?

Und hier noch unsere Freitagabend-Nachricht
Der Basler Software-Hersteller Team Brendel wird also verkauft. Team Brendel galt einst als Schweizer Software-Erfolgsgeschichte und als einer der wenigen Schweizer IT-Companies, die den Schritt ins Ausland nicht nur gewagt haben, sondern auch Erfolg damit hatten.
Doch für die Besitzer war Team Brendel gar keine Erfolgsstory. Die Risikokapitalisten, die seit dem Mai 2001 in mehreren Runden eine gut zweistellige Millionensumme investierten, bekommen nur noch einen Bruchteil zurück. Zu den Investoren gehörten Venture Partners, Aventic (UBS), später MiniCap (heute VinciCapital) und Renaissance PME. Renaissance PME ist das Risikokapitalvehikel von verschiedenen, vor allem welschen Pensionskassen.
Verbrannt: Mindestens 10 Millionen.
Liegt es am Risiko, das Investoren ins IT-Business halt auf sich nehmen müssen? Oder hat es doch etwas mit Basel zu tun? Schliesslich hat mit Gigi Oeri einige der risikofreudigsten Investorinnen der Schweiz (FC Basel) ihren Sitz am Rheinknie. Ein Blick auf einige Basler IT-Stories.
Day
Der Börsengang von Day spülte im Frühjahr 2000 149,6 Millionen Franken in die Kassen der Basler. Damals verdienten wenigstens die Altaktionäre und die Risikokapitalsten. Doch der Run auf die Day-Aktien zahlte sich nicht aus. Innert kurzer Zeit gelang es den Basler Software-Herstellern 135 Millionen Franken zu verbraten. Am 30. Juni 2004 hatte Day noch etwas mehr als 6 Millionen Franken in der Kasse.
Verbrannt: Gegen 150 Millionen Franken
Obtree
Obtree ist im gleichen Umfeld wie Day tätig, nämlich in der Herstellung von Software für die Verwaltung der Inhalte von komplexen Internet-Seiten. Auch Obtree wollte einmal an die Börse und wurde zu diesem Zweck in mehreren Runden durch Swisslife und die Privatbank Pictet mit Geld ausstaffiert (wir fanden nur die Zahl für die zweite Runde: 21 Millionen Franken). Der Börsengang wurde abgeblasen, doch Obtree wurde mit mehreren Kapitalisierungsrunden (Juli 2001: 30 Mio., März 02: 18 Mio., Oktober 2002: 5 Mio.) durchgepäppelt. Schliesslich wurde Obtree kurz vor Toreschluss von Ixos für 7,2 Millionen Franken gekauft.
Verbrannt: Ca. 80 Millionen Franken
Dettwiler Informatik
Die Basler Dettwiler Informatik ging im Juli 2002 für (fast) alle überraschend konkurs. Auch Dettwiler war durch Risikokapital finanziert und hegte Börsenpläne. Der Konkurs verbrannte nicht nur viel Risikokapital, sondern auch Lieferanten mussten sich Millionenbeträge ans Bein streichen. Als Risikokapitalist war 3i mit 80 Millionen Franken beteiligt. Eine geplante Sanierung scheiterte, weil der ehemalige Besitzer, Werner Dettwiler, nicht auf ein Darlehen, das er noch in der Firma stecken hatte, verzichten wollte.
Verbrannt: gegen 100 Millionen Franken
Asetra
Kurz vor Dettwiler "lupfte" es mit Asetra einen weiteren, durch Risikokapital finanziert Basler Hardware-Spezialisten. Der Risikokapitalist wollte damals ungenannt bleiben (es war Stratec-Gründer Ruedi Maag), ebenfalls ungenannt blieb dessen Investitionssumme. Wagen wir eine Schätzung:
Verbrannt: 20 Millionen Franken
Liebhart Systems
Liebhart Systems ist ein Ausnahmefall. Die Firma hegte weder Börsenpläne und war erst noch eigenfinanziert. Doch der Rechtsstreit mit einem Grosskunden brachte im September 2002 das plötzliche Aus. Ehemalige Angestellte warten unseres Wissens heute noch auf ihr Geld.
Verbrannt: unbekannt
Wie aus dieser hastig zusammengestellten Übersicht hervorgeht wurden also in Basel in den vier Jahren ab 2000 alleine von der IT-Industrie mindestens 360 Millionen Franken verfeuert (die Einsätze von Gigi Oeri beim FCB nicht mitgerechnet). Nicht schlecht, liebe Basler. Und sicher gar kein Grund für mangelndes Selbstbewusstsein. (Christoph Hugenschmidt)
Quellen für diese Story:
- Archiv Finanz & Wirtschaft
- Archiv 'IT Reseller'
Foto: (c) by FC Basel, Legende: Gigi Oeri mit Personal. Aus Platzgründen sieht man den Pokal nicht.
(Interessenbindung: Der Autor ist Basler Burger, im Oberbaselbiet aufgewachsen und lebt seit mehr als 20 Jahren zufrieden in Zürich.)

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