Business Sunrise: "Wir sind der Angreifer"

23. Januar 2012 um 12:39
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Ist der erneute Anlauf von Sunrise im Geschäftskundenmarkt nun ernsthaft? Business Sunrise Chef Jon Erni und Netzwerkveteran Walter Zemp stellten sich den Fragen von inside-channels.ch

Ist der erneute Anlauf von Sunrise im Geschäftskundenmarkt nun ernsthaft? Sunrise-Business-Chef Jon Erni und Netzwerkveteran Walter Zemp stellten sich den Fragen von inside-channels.ch
Die Übernahme von NextiraOne Der Versuch zwischen 2005 und 2008 ist also gescheitert. Warum sollte es dieses Mal besser klappen, fragten wir Jon Erni (Foto rechts) und Walter Zemp (Foto links).
Als Sunrise den Kauf von NextiraOne publik gemacht hat, konnten wir den schönen Ausdruck "Hüst und Hott" im Untertitel verwenden. Erklären Sie uns doch, warum der Versuch, sich im Business-Bereich zu etablieren, dieses Mal funktionieren soll.
Jon Erni: Entscheidend anders ist, dass unser neuer Shareholder CVC sehr klar auf den Geschäftskundenbereich setzt und auch bereit ist, zu investieren. Man ist überzeugt, dass das Potential im Geschäftskundenumfeld deutlich grösser ist als im Residential-Umfeld. Business Sunrise ist ein klarer Wachstumsbereich für Sunrise. Als einziger Full Service Provider neben dem Marktführer haben wir den Anspruch, mehr Marktanteile im Geschäftskundenbereich zu holen, als das bis jetzt noch der Fall ist.
Manche im Markt glauben, der erneute Versuch von Sunrise im Geschäftskundenbereich Fuss zu fassen, sei chancenlos. Sunrise komme zu spät und mit den falschen Leuten, sagen sie...
Jon Erni: Ich kann zwar nicht in die Zukunft schauen, aber ich kann Ihnen sagen, dass wir bei Business Sunrise letztes Jahr die Kundenbasis um 22 Prozent erweitern, die Anzahl Mobile-Abos um 29 Prozent steigern und gleichzeitig Bruttogewinn und EBITDA verbessern konnten. Wir zeigen ein nachhaltiges Wachstum. Ich sehe keinen Grund, warum das Wachstum einbrechen sollte, schon gar nicht jetzt nach der Übernahme von NextiraOne Schweiz.
Was sind Ihre Pläne? Wie soll sich Business Sunrise im laufenden Jahr entwickeln?
Jon Erni: Die Portfolios von NextiraOne und Sunrise bleiben bestehen, wir können nun aber die Lücke dazwischen füllen, Cloud Services anbieten und dafür auch investieren. Sowohl Sunrise wie auch NextiraOne konnten das bisher nicht. Wir konnten Systemintegration nur zusammen mit Partnern anbieten, NextiraOne fehlte der Carrierteil.
Ich habe den Business-Bereich von Sunrise vor zwei Jahren übernommen. Seitdem stelle ich eine positive Entwicklung fest. Das Geschäftskundensegment lebt von Langfristigkeit. Und sowohl Walter Zemp wie ich sind Garanten für Langfristigkeit. Walter Zemp war 40 Jahre bei NextiraOne, ich war 14 Jahre bei Alcatel-Lucent.
Was sagten Ihre Kunden, Herr Zemp, als sie hörten, dass NextiraOne verkauft worden ist? Die haben ja wohl nicht gejubelt?
Walter Zemp: Sicher gibt es Kunden, die Fragezeichen haben. Das ist in solch einer Situation völlig normal. Man fragt uns, ob Sunrise die hohe Qualität der Dienstleistungen, die NextiraOne hat, aufrechterhalten kann.
Generell kommt die Übernahme sehr gut an. So sagen uns Grosskunden, dass Sunrise nun als Lieferant spannend werde und man nun endlich eine Alternative zu Swisscom habe. Der Zusammenschluss tut dem Schweizer Markt gut, denn die Kombination von Sunrise mit NextiraOne fordert Swisscom heraus.
Welche Cloud Services will Business Sunrise anbieten? Microsoft Office, hosted PBX oder wie Swisscom auch Business-Lösungen wie Abacus?
Jon Erni: Wir wollen primär den Bereich Private Cloud anbieten. Zurzeit evaluieren wir, mit welchen Partnern wir die Cloud Services entwickeln wollen. NextiraOne arbeitet mit drei grossen Partnern zusammen, an denen wir festhalten werden: Alcatel-Lucent, Cisco und Microsoft. 2012 werden wir die ersten Angebote auf den Markt bringen.
Walter Zemp: Als Systemintegrator sind wir Cloud Builder. Wir bauen für unsere Kunden Private Clouds, die Sunrise als Operator betreiben kann.
Jon Erni: Themen wie Webconferencing, Video und Voice sind bei uns auf dem Radar, wenn es um künftige Cloud Services geht.
Heute haben Kunden aber noch andere Bedürfnisse. Es ist für sie sehr schwierig, Netzwerk-Experten nicht nur zu finden, sondern auch zu halten. Wir können Spezialisten ein Umfeld anbieten, in dem sie jeden Tag eine neue, spannende Herausforderung finden.
Sunrise und die vielen Abgänge
Bei Sunrise ist es im letzten Jahr zu einigen Abgängen gekommen und auch NextiraOne soll wichtige Leute verloren haben. Haben sie die richtigen Leute, um in den Business-Markt einzusteigen?
Jon Erni: Bei Sunrise hat 2010 ein Wechsel des Eigentümers und eine Neuausrichtung stattgefunden. Da schaut man halt, wer vom neuen Weg überzeugt ist und wer nicht, woraus sich automatisch die Zusammensetzung des neuen Managements ergibt.
Man hat davon gesprochen, dass Manager ultimativ aufgefordert wurden, sich an Sunrise zu beteiligen.
Jon Erni: Es gab keinen "Beteilungszwang". Leute, die nicht investieren konnten, konnten durchaus bleiben, wenn sie vom Weg überzeugt waren. Nun haben wir die Leute, die wir brauchen und das Management-Board ist stabil unterwegs. Ausserdem habe ich den Business-Kunden-Bereich schon früher umgebaut, weshalb unser Bereich nicht betroffen war.
Bei NextiraOne gab es einige Abgänge, aber grundsätzlich ist die Firma seit Jahren von Stabilität geprägt. Für Verkaufsleiter Stefan Müggler kam Roland Stettler - für mich ein Glücksfall.
Was passiert mit Partnern?
Was passiert mit Ihren bisherigen Partnern wie Connectis?
Jon Erni: Ich habe viel Zeit damit verbracht, mit den bestehenden Partnern zu kommunizieren, um zu zeigen, dass wir weiterhin an ihnen festhalten. Gerade haben wir mit Connectis einen grossen Abschluss in der Westschweiz gemacht. Ich glaube, dass unsere Partner sogar gestärkt werden, denn es wird Konstellationen geben, in denen die Zusammenarbeit mit den Partnern wie Connectis oder Netcloud aus Kundensicht am meisten Sinn machen wird.
Auch auf der Carrierseite sieht man, dass die kleineren Player zusammenarbeiten. Wir haben Projekte zusammen mit Orange, T-Systems oder Telefonica gemacht. Im Geschäftskundenumfeld gehört Coopetition zum täglichen Leben.
"Wir sind der Angreifer"
Braucht es überhaupt einen weiteren Player im Netzwerk-Markt? An Anbietern fehlt es ja nicht?
Jon Erni: Dort wo Carrierleistungen und Integrationsdienstleistungen gebündelt werden, gibt es heute keinen Wettbewerb. So konnte NextiraOne zwar Integrationsdienstleistungen anbieten, sobald der Kunde aber Kommunikation als Managed Service wollte, konnte NextiraOne nicht mehr alleine anbieten. Weil ein Integrator und ein Carrier ein anderes Geschäftsmodell haben, sind kombinierte Anbieter, gerade wenn es um Cloud Services geht, bevorzugt.
Welche Kunden wollen sie angehen?
Jon Erni: Das Kundenportfolio von NextiraOne und Sunrise ist komplementär. Das heisst, dass das Potential für Cross-Selling sehr gross ist. Zusammen haben wir eine massive Ausweitung des Kundenportfolios im Grosskundensegment mit sehr wenigen Überlappungen.
Werden Sie Swisscom nun auch preislich unter Druck setzen? Geraten nun die Preise im Carrier- und Netzwerk-Business unter Druck?
Walter Zemp: NextiraOne hat nie einen Deal über den Preis gegen Swisscom gewonnen. Swisscom hatte immer die grössere Kriegskasse als wir.
Jon Erni: Wenn wir bisher ein Angebot machen konnten, haben wir bessere Preise angeboten als die Konkurrenz. Das ist ganz natürlich, denn wir sind der Angreifer im Markt.
Wir haben drei Botschaften: Wir haben eine hohe Service-Qualität, mit der wir gegenüber Swisscom auf Augenhöhe sind. Dazu haben wir zwei USPs. Wir sind näher am Kunden und betreuen sie persönlich. Und wir sind flexibel und nutzen den Vorteil, eine relativ kleine Firma zu sein. Wir können sehr rasch entscheiden, und wenn der Kunde es wünscht, stehen auch unser CEO Oliver Steil oder ein Vertreter von CVC auf der Matte.
Meine Zukunft ist der Schweizer Markt. CVC hat die Perspektive, Sunrise an die Schweizer Börse zu bringen, was ich sehr spannend finde, denn Sunrise ist eine Urschweizer Firma.
Und wie lange bleiben Sie noch, Herr Zemp?
Walter Zemp: NextiraOne ist irgendwie auch mein Baby und ich habe Spass daran zu beobachten, wie es wächst. Irgendwann wird mir Jon aber sagen, ich solle den Ruhestand geniessen. Zurzeit gibt es aber keine solchen Pläne. (Das Gespräch führte Christoph Hugenschmidt)
(Foto: Das Foto wurde uns von Sunrise zur Verfügung gestellt.)

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