Crypto AG: Bundesrat lässt Bundesanwaltschaft ermitteln

24. Juni 2020 um 10:08
image

Der Export von Verschlüsslern soll strafrechtlich untersucht werden. Und es werden Namen von neun Schweizern bekannt, die alles gewusst haben sollen.

Der Bundesrat hat die Bundesanwaltschaft ermächtigt, in der Affäre rund um die manipulierten Verschlüssler der Schweizer Firma Crypto AG eine Utersuchung zu starten. Das bestätigt das Eidgenössische Justiz- und Polizei-Departement EJPD laut 'SRF'.
Untersucht würden allerdings nicht Spionage-Tätigkeiten der Crypto-AG-Kunden oder die Manipulation der Produkte, sondern der Verdacht, dass die Firma bei Export-Gesuchen falsche oder unvollständige Angaben machte.
Laut 'SRF' stehen sowohl die frühere Crypto AG als auch "deren Nachfolgegesellschaften" im Zentrum der Untersuchungen. Das wäre Crypto International, welche 2018 das internationale Geschäft der Crypto AG mutmasslich der CIA abgekauft hatte. Die einstige Crypto AG heisst heute TCG Legacy AG und ist in Liquidation.
Werden auch die einstigen Crypto-AG-Besitzer, The Crypto Group AG beziehungsweise die Handelsgesellschaft AEH mit Sitz in Liechtenstein untersucht oder die laut Eigenangaben unabhängig agierende Schwesterfirma Infoguard? Auf Anfrage antwortet die Bundesanwaltschaft (BA): "Die BA hält fest, dass sich die Strafanzeige gegen Unbekannt und nicht gegen eine spezifische natürliche oder juristische Person richtet".
Die BA bestätigt, dass sich die Untersuchung auf mögliche Widerhandlungen gegen das Exportkontrollrecht beziehe. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hatte im "Crypto-AG"-Fall wegen dieses Verdachts Ende Februar 2020 bei der Bundesanwaltschaft Anzeige gegen Unbekannt eingereicht. Dies war Auslöser des Ersuchens gewesen.

Die wahren Besitzer der Firma

Die in Deutschland "Rubikon" und in den USA "Minerva" genannte, jahrzehntelange Ausspionierung von Crypto-AG-Kunden in über 100 Ländern gilt laut Geheimdienstexperten und Medien als grösste Spionageaktion in der Geschichte der Geheimdienste.
Die Operation hatte durch neue Geheimdienst-Dokumente und Recherchen des 'ZDF', der 'Washington Post' und der "Rundschau" von 'SRF' neue Aktualität und Brisanz erhalten. Die Journalisten deckten auf, dass Crypto AG beziehungsweise The Crypto Group jahrzehntelang im Besitz von CIA und BND gewesen war.
Nun ist unter anderem eine Untersuchung im Gange, welche die Geschäftsprüfungs-Delegation des Parlaments GPDel im Februar eingeleitet hatte. Unterstützt wird sie von alt Bundesrichter Niklaus Oberholzer. Sie soll nach den Sommerferien abgeschlossen sein, schreibt 'SRF'.

Zwei Bundesräte und ein Nationalrat haben alles gewusst

Zu klärende Fragen sind, wer wusste, dass Crypto-AG manipulierte Verschlüssler verkaufte und wer wusste über die wahren Besitzer Bescheid. Der Autor Res Strehle publiziert im Vorfeld der Publikation eines neuen Buches über Crypto AG neun Namen von Schweizern, welche die eigentlichen Besitzer gekannt haben. Laut den Medien der TX Group (früher Tamedia, Paywall) waren dies unter anderem frühere Entwicklungs- und Verkaufschefs von Crypto AG, zudem die einstigen Bundesräte Arnold Koller und Kaspar Villiger sowie der Zuger Alt-Nationalrat und ehemalige Crypto-VR Georg Stucky sowie Walther A. Hegglin, ein langjähriger Zuger Stadtpräsident und VRP der Firma. Man muss annehmen, dass es zumindest weitere Firmenvertreter gab, die wussten, dass Crypto AG beziehungsweise The Crypto Group bis 2018 von der CIA kontrolliert wurde.
Update 25.6.2020: Infoguard hält auf Anfrage fest, dass das Unternehmen bislang betreffend Strafuntersuchung nicht kontaktiert wurde.

Loading

Mehr zum Thema

image

Eraneos übernimmt schwedischen Berater

Das Schwedische Unternehmen Lynxeye wird Teil des Zürcher IT-Dienstleisters. Mit dem Zukauf baut Eraneos seine Präsenz im hohen Norden und sein Portfolio weiter aus.

publiziert am 28.4.2025
image

Kritische Lücke von SAP wird angegriffen

Die Schwachstelle betrifft SAP Netweaver und hat den höchsten CVSS-Wert 10. Ein Patch steht zur Verfügung.

publiziert am 28.4.2025
image

Südkoreanischer Telco ersetzt nach Cyberangriff alle SIM-Karten

Der Mobilfunkanbieter SK Telecom muss bis zu 23 Millionen SIM-Karten austauschen, weil Kundendaten von Hackern gestohlen wurden.

publiziert am 28.4.2025
image

Nach den Entlassungen fällt die Intel-Prognose

CEO Lip-Bu Tan kündigt "schmerzhafte Entscheidungen" an. Die Börse ist enttäuscht.

publiziert am 25.4.2025