Die Wolke von Glattbrugg

5. März 2010 um 13:39
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Ein Schweizer Startup will in Glattbrugg eine Computer-"Cloud" bauen. Noch diesen Monat sollen potentielle Kunden gratis testen können.

Ein Schweizer Startup will in Glattbrugg eine Computer-"Cloud" bauen. Noch diesen Monat sollen potentielle Kunden gratis testen können.
Die Branche hat wieder einmal einen Hype kreiert: Cloud Computing. Wie immer bei IT-Hypes wird übertrieben, dass sich die Balken biegen. Und ebenfalls wie immer steckt hinter der Übertreibung ein realer Trend: Immer mehr Anwender werden Rechenleistung, Speicherkapazität und Bandbreite aus "Computerwolken" beziehen und nach Verbrauch bezahlen.
Bisher waren als Anbieter von Cloud-Computing-Dienstleistungen vor allem US-Firmen bekannt: So etwa Amazon, der grosse Hoster Rackspace oder Salesforce. Nun tritt mit der im November gegründeten Firma Cloudsigma AG auch ein Schweizer Player auf den Plan. Inside-it.ch hat sich mit Mitgründer Robert Jenkins unterhalten.
Interessante Preismodelle
Cloudsigma wird "nackte" Infrastruktur, also CPUs, Hauptspeicher, Speicherplatz und Bandbreite anbieten. Der Kunde installiert das gewünschte Betriebssystem selbst - die einzige Bedingung ist, dass es auf der x86-Intel-Architektur läuft.
Interessant dünken uns die Preismodelle, die uns Jenkins vorstellte. Zum einen kann man ein "Cloud-Abo" haben. Bei diesem Modell bezahlt man eine bestimmte Kapazität im Voraus. Zum anderen gibt es eine dynamische Preisgestaltung, bei der man den laufenden Konsum von Kapazität bezahlt. Interessant dabei ist, dass die Preise je nach Auslastung schwanken und diese Preise sogar als RSS-Feed gemeldet werden. So kann zum Beispiel ein Ingenieurbüro, das extrem aufwändiges Rendering rechnen lassen will, die "Cloud" anweisen, die Berechnungen dann zu starten, wenn der Preis unter eine gewisse Grenze gesunken ist.
Die Berechnung der benützten Rechenkapazität erfolgt im 5-Minuten-Takt. Jenkins verspricht ein ausgesprochen klares Preismodell. So werden CPUs mit GHz/Stunde und RAM mit GB/Stunde verrechnet.
Potentielle Kunden will Jenkins in ganz Europa suchen. Der Fokus liegt auf Firmen und Organisationen mit hohem Rechenbedarf, so etwa Biotech- und Engineering-Firmen, Hochschulen und Forschungsinstituten oder Video-Bearbeitern.
Erste Tests noch im März
Noch ist Cloudsigma sehr virtuell. Die Infrastrukturen im Glattbrugger Rechenzentrum von Interxion werden erst gebaut und Angestellte hat die Firma ausser den Gründern, Robert Jenkins und Patrick Baillie auch noch keine. Doch in wenigen Wochen soll Cloudsigma Büros und einige wenige Angestellte in Glattbrugg und eben eine erste kleine Cloud-Infrastruktur haben.
Cloudsigma lässt die Server für die Cloud-Infrastruktur bei einem britischen Assemblierer bauen. Die Virtualisierung basiert auf einer Weiterentwicklung der "Kernel-based Virtual Machine" von Linux, die die Virtualisierungstechnologien von Intel und AMD nützt. Kundendaten werden nur verschlüsselt auf den Harddisks abgelegt und auch nur verschlüsselt zwischen verschiedenen Rechnerknoten transportiert. Dies bringe etwa einen Performanceverlust von 15 Prozent, sagt Jenkins, hat aber einen entscheidenden Vorteil. Denn normalerweise löscht man die Inhalte einer Harddisk in einer Cloud nicht komplett, wenn ein Kunde sie gerade nicht mehr braucht. Dies führt aber dazu, dass ein technisch bewanderter Kunde versuchen könnte, die Inhalte auszulesen.
Die - soweit wir es beurteilen können - raffinierten Benützeroberflächen für Kunden wurden und werden von einer Partnerfirma in Sofia entwickelt.
Nach dem Start, ein genauer Launchtermin steht noch nicht fest, gegen Ende März wird es eine Testphase geben. Kunden können ab dann für 15 Tage ein kostenloses Testkonto errichten, das relativ geringe Bandbreiten haben wird. Ab Mai soll Cloudsigma dann in den Produktivbetrieb gehen.
"Wir könnten 2010 auch ohne einen einzigen Kunden überleben"
Für den Erfolg von Cloudsigma wird neben der Qualität und Stabilität der Dienstleistung und konkurrenzfähigen Preisen ein anderer Faktor entscheidend sein: Die finanzielle Kraft der Firma. Denn ein Cloud-Computing-Anbieter ist nichts anderes als ein Outsourcer, von dem die potentiellen Kunden wissen wollen, ob es ihn auch morgen noch gibt.
Jenkins gibt sich trotz hartnäckigen Nachfragens ziemlich bedeckt. Seine Firma werde durch unabhängiges, privates Risikokapital gestützt, so der gebürtige Brite. Tatsächlich findet sich im Verwaltungsrat von Cloudsigma ein Vertreter verschiedener Vermögensverwaltungsfirmen. "Wir könnten 2010 auch ohne einen einzigen Kunden überleben," so Jenkins kecke Aussage.
Reseller willkommen
Die Dienstleistungen von Cloudsigma werden später übrigens auch wiederverkauft werden können, so Jenkins. So kann er sich vorstellen, dass klassische Hoster ihren Kunden auch Rechenkapazität bei Cloudsigma unter eigenem Namen anbieten können. Ein Programm für Reseller besteht allerdings noch nicht. (Christoph Hugenschmidt)

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