Die jüngste Statistik vom Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) belegt, wie oft 2019 Staatstrojaner zum Einsatz kamen. Das Bundesamt für Polizei hat sie 12 Mal zur Online-Überwachung verwendet. Neben dieser Premiere auf der gesetzlichen Basis von BÜPF und ÜPF haben die Strafverfolgungsbehörden und der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) beim Dienst ÜPF insgesamt mehr Überwachungsmassnahmen angeordnet als im Vorjahr.
Die Anzahl der durchgeführten Echtzeitüberwachungs-Massnahmen wie das Mithören von Telefonaten oder Mitlesen von E-Mails ist von 1676 im Vorjahr auf 1429 im Jahr 2019 um 15% gesunken. Allerdings haben die "rückwirkenden Überwachungsmassnahmen", das Klären wer wann mit wem wo wie lange telefoniert hat inklusive der Verbindungsnachweise auf bestimmten Mobilfunkzelle zugenommen. Die Zahl von angeordneten Untersuchungen stiegt um 25% von 5225 im Jahr 2018 auf 6550 im letzten Jahr, so die
statistische Auswertung.
Zurückzuführen ist der Anstieg gemäss dem Dienst auf mehr Antennensuchläufe und eine neue Systemkomponente, welche diese Suchläufe statistisch feiner erfasst. Die Antennensuchläufe verdoppelten sich damit fast. Sie wurden in 27 Fällen angeordnet. Dabei wurden 1726 Mobilfunkzellen je zwei Stunden untersucht.
Insgesamt haben Strafjustiz oder Nachrichtendienst 8'666 gegenüber 7'558 Überwachungsmassnahmen im Vorjahr angeordnet.
"Govware" und IMSI-Catcher etablieren sich
Erstmals führte das Bundesamt für Polizei (Fedpol) 2019 Überwachungen mittels besonderer Informatikprogramme ("Govware") durch. Zwölf Einsätze gab es mit diesem Ermittlungsinstrument. Die Programme nehmen Online-Durchsuchungen vor. Bei diesen Staatstrojanern handelt es sich um Malware, die in ein System eindringt.
Die Trojanereinsätze des Fedpol entfielen meist auf schwere Delikte gegen Leib und Leben sowie auf schwere Betäubungsmitteldelikte. Der Dienst ÜPF setzt "Govware" nicht selbst ein, listet die Einsätze aber in seiner Statistik auf.
IMSI-Catcher brachte der Dienst in 103 Fällen zum Einsatz. Im Vorjahr waren es noch 84 gewesen. IMSI-Catcher können Handys suchen, lokalisieren und abhören. Im Vorjahr hatte es noch 84 Fälle gegeben. Die Catcher wurden vorab bei schweren Betäubungsmitteldelikten und Notsuchen nach vermissten Personen eingesetzt.
Rund 40% aller Überwachungen ordneten die Strafbehörden aufgrund schwerer Vermögensdelikte an. 26% betrafen schwere Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und rund 10% strafbare Handlungen gegen Leib und Leben. Der Rest teilt sich auf diverse Delikte auf, darunter Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit und den öffentlichen Frieden.
Bezogen auf die über 500'000 Delikte in der Kriminalstatistik 2019 forderten die Strafverfolgungsbehörden in etwa 1,5% aller Fälle eine Fernmeldeüberwachung an.
6 Millionen für die Telcos
Der NDB liess im vergangenen Jahr 49 Überwachungen durchführen. Im Vergleich mit dem Vorjahr ist das ein Einbruch um 88%. Zudem stellte der Geheimdienst 6422 Auskunftsgesuche.
Die Strafverfolgungsbehörden und der NDB entrichteten 2019 für die Überwachungen 12,6 Millionen Franken Gebühren. Den mitwirkungspflichtigen Telekomunternehmen und der Post überwies der Dienst 6 Millionen Franken. Der Aufwand belief sich auf 31,5 Millionen Franken, der Kostendeckungsgrad sank innert Jahresfrist von 49 auf 40 %.
Überwachungsgesuche der Strafverfolgungsbehörden müssen von einem Zwangsmassnahmengericht bewilligt werden. Der Nachrichtendienst braucht eine Genehmigung durch das Bundesverwaltungsgericht. Anschliessend muss eine Freigabe durch den Vorsteher oder die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung,
Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) erfolgen. Das VBS konsultiert vorher das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD).