Fredys Internet Protocol: Mittelalter

3. März 2014 um 11:25
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Warum "Steelie" Neelie zur Schutzheiligen der Schweizer WLAN-Nomaden werden sollte, erklärt Kolumnist Fredy Künzler.

Warum "Steelie" Neelie zur Schutzheiligen der Schweizer WLAN-Nomaden werden sollte, erklärt Kolumnist Fredy Künzler.
Wer öfters im Ausland unterwegs ist, kennt es: das Roaming-Problem. Bei der täglichen Nutzung des Smartphones muss man sich stark einschränken, wenn man nicht vom Lieblings-Mobilfunkprovider unangenehm überrascht werden möchte. Neelie "Steelie" Kroes, EU-Rächerin der überhöhten Roaming-Rechnungen, möchte zwar möglichst dieses Jahr noch Tarife gegen moderne Nomaden verbieten, doch für uns Schweizer ist Hoffnung auf günstiges ausländisches Surfen wohl am 9. Februar jäh zerstört worden.
Deshalb geht bei vielen.
Man irrt also wie ein Junkie von WLAN-Signal im Starbucks zum kostenlosen 30-Minuten-WiFi am Flughafen und zurück ins Hotel samt Gratis-Internet, das bestenfalls mit Modem-Tempo hötterlet, wenn sich nicht wieder mal der DHCP-Server verabschiedet hat und die "erhaltene" IP-Adresse mit 169.254 beginnt.
Die nächste Hürde nennt sich "Captive Portal". Das ist so etwas wie ein Vogelkäfig, man kann zwar rausgucken, sogar etwas Frischluft weht rein, aber das Türli öffnet nur dann, wenn man a) beim Hotel-Checkin nach dem Passwort fragt; b) ein langweiliges 45-sekündiges Werbevideo anguckt oder c) seine Email-Adresse anzugeben bereit ist. Für letzteres benutzte ich übrigens eine Zeitlang [email protected]
Kürzlich hatte ich das "Vergnügen", zwei Tage als "Gast" im Unispital in Zürich zu verbringen. Ich war beeindruckt, wie performant das dortige Public-WiFi ist, sogar HiQ-Zattoo ab Konserve funktionierte ruckelfrei und über Stunden. Aber das Captive Portal! Der Login in meinen Onlinebank-Account ist im Vergleich ein Kinderspiel.
Hockt man also endlich am Flughafen samt funktionierendem und halbwegs tifigem WiFi, kommt noch die Kür... weil nämlich ungefähr genau 327 andere Menschen mit ihren Smartphones, Tablets und Notebooks im selben WLAN eingeloggt sind, wie ein kurzer Scan mit der App namens Fing zeigt. Etwas Privatsphäre muss sein: der VPN-Client wird aktiviert. Doch schon kommt das nächste Hindernis: der übereifrige Firewall-Administrator der IT-Abteilung des Flughafens hat so ziemlich jede vernünftige Kommunikation unterbunden. Man hangelt sich durch die Konfigurationen nach dem Trial-and-Error Prinzip: UDP Port 53, TCP Port 443 oder doch lieber UDP 1194? Am Ende gar TCP Port 80?!
Endlich online! ... doch bereits nach exakt 33 Minuten und 27 Sekunden fällt der Vorhang. Weitermachen geht nur noch durch Eingabe einer 16-stelligen Nummer samt Verfalldatum und Prüfziffer und einem zweistelligen Betrag in der jeweiligen Landeswährung.
Man darf sich mit Fug und Recht fragen, warum wir uns das antun. Ein solches Theater für elektrisches Licht oder funktionierende Klospülung? Unvorstellbar! In Sachen Commodity-Internet verharrt die Menschheit noch im tiefen Mittelalter. Falls Sie wissen, wie man sich schmerzfrei in die Neuzeit beamen kann, dann lassen Sie es unsere Leserschaft wissen.
Fredy Künzler (46) ist Gründer, CEO und Network-Architect des Business- und Wholesale-Internet-Providers Init7, Parlamentarier im grossen Gemeinderat in Winterthur und Papi eines vierjährigen "Digital Native". Seine Kolumnen für inside-it.ch und inside-channels.ch erscheinen in loser Folge. Fredy Künzler äussert seine persönliche Meinung.
Zeichnung: Ramona Stüssi

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