Vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie sagte der Marktforscher Gartner den Versicherungsunternehmen leicht steigende IT-Ausgaben voraus. Die Covid-19-Pandemie hat 2020 aber so einiges auf den Kopf gestellt. Wir haben deshalb Schweizer Versicherungsunternehmen und ihre IT-Anbieter zur aktuellen Lage befragt.
Grundsätzlich zeigt sich, dass die angefragten Versicherungsunternehmen gut auf die Arbeit im Homeoffice vorbereitet gewesen sind. Remote Work war schon vor der Pandemie möglich, entsprechende Investitionen in mobile Arbeitsplätze wurden grösstenteils bereits vor der Pandemie getätigt.
Keine IT-Projekte verschoben, sagen Versicherer
Beim Schweizerischen Versicherungsverband SVV, einer Vereinigung mit 75 Erst- und Rückversicherern, geht man davon aus, dass die Gesellschaften eher in die IT investieren als sparen. "Die Digitalisierung wird sicher nicht gebremst", sagt Mediensprecherin Sabine Alder.
Dies bestätigen uns auch die angefragten Versicherungsunternehmen. Sie geben an, keine IT-Projekte verschoben zu haben und an ihren IT-Budget-Planungen festzuhalten. So etwa Swiss Life: Man habe 2020 trotz Pandemie alle Initiativen vorangetrieben und auch für 2021/2022 halte man am Fahrplan fest.
Es seien keine IT-Projekte verschoben worden, erklärt auch Mobiliar, auf die IT-Strategie habe die Pandemie keine Auswirkungen. Man habe aber gewisse Mittel reserviert, falls es Anpassungen an der Infrastruktur benötige.
Hans-Peter Keller, CIO von Helsana, erklärt, dass einige Investitionen, die ursprünglich für 2021 geplant waren, bereits 2020 getätigt worden seien. Themen wie ortsübergreifendes Arbeiten, Homeoffice oder neue Raumkonzepte seien bereits vor der Pandemie auf der Agenda gestanden. Hier habe man Investitionen vorgezogen, so der Helsana-CIO.
Fabian Ringwald, IT-Chef von Swica, fügt an, dass die Pandemie die Bedeutung der Digitalisierung verstärkt aufgezeigt habe. Digitale Mittel im Austausch mit den Kunden und in der Zusammenarbeit mit den Partnern hätten an Bedeutung gewonnen. Swica sehe für 2021 ein tendenziell eher höheres Budget vor, um die Digitalisierungsstrategie weiter voranzutreiben.
"Covid-19 hat die Digitalisierung bei Zurich Schweiz massgeblich beschleunigt", erklärt Mediensprecher David Schaffner.
Die IT-Dienstleister spüren generelle Vorsicht
"Wir haben zu Anfang der Corona-Pandemie eine kurze Schockstarre auf Kundenseite wahrgenommen", erklärt uns Oliver Hechler, BSI Community Manager für Versicherungen und Geschäftsführer von BSI Deutschland. Einzelne Projektstarts seien verschoben worden, doch hätten sich die Versicherer rasch wieder gefangen.
Es zeige sich, dass die Kunden ihre Digitalisierungsprojekte mit hohem Tempo vorantrieben. In den vergangenen Monaten seien viele IT-Projekte ausgeschrieben worden.
Bei Adcubum spürt man weder einen generellen Rückgang noch eine auffällige Zunahme bei den IT-Investitionen. Man registriere aber eine gewisse Vorsicht der Kunden, erklärt Markus Pfister, Head Marketing & Business Development. "Gepaart mit der Situation, dass aufgrund von Covid-19 Verkaufsgespräche aus dem Homeoffice heraus virtuell durchgeführt werden müssen, bemerken wir aktuell in der zweiten Hälfte dieses Jahres eine leichte Abflachung im Verkauf unserer Produkte", fügt er an. In Kundengesprächen zeige sich aber, dass diese Abflachung eher eine Verschiebung als ein Rückgang sei.
Laut BSI wenden Versicherer noch immer einen Grossteil ihrer IT-Budgets für die Kernsysteme auf, da sie Altsysteme ablösen. Adcubum bestätigt uns, dass die aktuell laufenden Kunden-Projekte für die Neueinführung der Kernlösung Adcubum Syrius planmässig weiterlaufen würden.
Dennoch würden die Kunden versuchen, Budgets für CRM und Automatisierungsprojekte freizuschaufeln, wie uns BSI-Manager Hechler sagt. Allerdings ist laut Adcubum die Automatisierung bereits vor der Covid-19-Krise ein Thema gewesen. Dies könne man möglicherweise damit begründen, dass die Kranken- und Unfallversicherer in den letzten Jahren durch den Einsatz von IT effiziente Kernprozesse etabliert hätten.
"Rund um die Digitalisierung werden die IT-Budgets steigen", glaubt BSI. Denn die Kundenerwartungen, die Wettbewerber und die Erfahrungen der letzten Monate würden die Automatisierung und Individualisierung der Versicherungsleistungen unabdingbar machen.
Kundenschnittstelle im Fokus
Bei BSI beobachtet man, dass Kunden häufiger nach fachspezifischen Use Cases fragen: Statt grosser, aufwendiger IT-Projekte würden häufiger Lösungen für konkrete fachliche Herausforderungen nachgefragt. Als Beispiele nennt Hechler das Customer-Journey-Management oder die Makler-Betreuung. Auch auf die Time-to-Market bei Softwarelösungen komme es immer mehr an.
Adcubum spüre eine steigende Relevanz was die Digitalisierung an der Kundenschnittstelle und die nahtlose Integration in das Back-End anbelange. Die Anforderungen an die Integrationsfähigkeit der Kernlösung würden steigen, sagt uns Pfister. Auch BSI spürt, dass die Versicherer die Schnittstelle zum Kunden viel besser als bisher bespielen wollen. "Mit den Kernsystemen lassen sich zwar Kunden verwalten, aber keine Kundenbeziehungen pflegen und Vertriebschancen aktiv nutzen", so Hechler.