Jetzt braucht der Bund doch kein übergreifendes Suchsystem

16. November 2015 um 14:41
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Die öffentliche Ausschreibung des Bundes für einen Grossauftrag zur Programmierung eines neuen Suchsystems für die öffentlichen Internet- und die internen Intranet-Seiten wird abgebrochen.

Die öffentliche Ausschreibung des Bundes für einen Grossauftrag zur Programmierung eines neuen Suchsystems für die öffentlichen Internet- und die internen Intranet-Seiten wird abgebrochen. Darüber hat das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) im Schreiben vom 18. September 2015 die anbietenden Unternehmen informiert. In dem vierseitigen Schreiben, das inside-it.ch vorliegt, wird noch einmal die Geschichte des Ende 2013 von diversen Ausschreibungsfehlern geprägten Prozesses in Erinnerung gerufen. Konkret war die in Wil ansässige DTI mit "Sharepoint 2013 Search" von Microsoft dem mit Googles Search Appliance (GSA) angetretenen deutschen Systemintegrator Wabion unterlegen. DTI hatte sich dann gerichtlich gegen die Vergabepraxis gewehrt. Die Folge war, dass Anfang 2015 das Bundesverwaltungsgericht die DTI-Beschwerde billigte und nach 10 Monaten das BBL nun den kompletten Abbruch des Projektes erklärt.
Damit das Projekt nach mehr als dreijährige Leerlauf abgebrochen werden konnte sind laut René Lenzin von der Bundeskanzlei interne Kosten von 545'000 Franken angefallen und 250'000 Franken für externe Beratungen ausgegeben worden.
Wie das BBL in ihrem Brief an die Anbieter schreibt, müsse, um den Anforderungen des Gerichts zu entsprechen, das Projekt abgebrochen werden und eine Neuausschreibung erfolgen. Denn die Anordnungen des Gerichts liessen "sich im Rahmen der Angebotsevaluation im laufenden Vergabeverfahren und unter Wahrung der vergaberechtlichen Grundsätze (Wirtschaftlichkeit, Transparenz und Gleichbehandlung der Anbieter) nicht umsetzen". Zudem hätten sich seit dem Projektstart "die finanziellen und technischen Rahmenbedingungen wesentlich verändert". Um die vom Bundesrat im Februar 2014 beschlossen "erhebliche Sparmassnahmen" umzusetzen "muss folglich bereits aus finanziellen Gründen auf die Ausführung des Projektes Suchmaschine Bund verzichtet" werden. Ausserdem seien "in der Zwischenzeit verschiedene Projekte im Zusammenhang mit einem neuen Content Management System (CMS) sowie im Bereich Intranet, Collaboration und Shares in Angriff genommen" worden, nach deren Abschluss "kein Bedarf mehr nach einem Suchsystem" bestehe, wie es vor mehr als zwei Jahren konzipiert worden sei.
Künftig werden laut BBL das neue CMS mit seinen Suchfunktionen, die Standardisierung von Sharepoint sowie die Einführung des neuen Geschäftsverwaltungssystems (GEVER) als Alternative zur Verfügung stehen. Über sie könne dann das einst geforderten Intra- und Internet-übergreifende System für die Unternehmenssuche ersetzt werden. Konkret heisst das, dass die seit 2008 bestehende Suchmaschine nicht mehr weiter betrieben werde und die Generalsekretärenkonferenz des Bundes (GSK) beschlossen hat, auf die Beschaffung eines eigenen Suchsystems ganz zu verzichten.
Nachdem es fast ein halbes Jahr gedauert hat, das Projekt abzubrechen, die GSK hat am 26. Juni ihren Entscheid gefällt, hat es noch einmal fast fünf Monate gebraucht, bis die involvierten Anbieter informiert wurden. Diese Trägheit spiegelt sich in dem Projekt überhaupt. So brauchte der Bund mehr als drei Jahre, um festzustellen, dass ein ursprünglich geplantes millionenteures Suchsystem für die Bundesverwaltung eigentlich gar nicht benötigt wird. Aber neben dem langwierigen Verfahren, bei dem sicher auch teure Anwälte die Chancen des Projektes erwogen haben, verweist mit DTI-Verkaufsleiter Bert Frei einer der an dem Projekt Beteiligten auf ungelöste technische Probleme.
Dass mit dem CMS und DMS (Daten Management System) eine übergreifende Suchmaschine abgelöst werden kann, sei zumindest zweifelhaft, führt er aus. Denn das ursprüngliche Problem der grenzüberschreitenden Suche bleibe bestehen, oder die unterschiedlichen Systeme müssten integriert werden, gibt er zu bedenken. Aber selbst dann sei es keineswegs sicher, dass die Suche dann die Qualität eines übergreifenden Systems erreichen könne. Bei der Bundeskanzlei ist das Problem durchaus bekannt. Man sei sich bewusst, dass mit dem Projektabbruch die Möglichkeiten eines umfassenden Suchsystems künftig nur teilweise mit den alternativen Systemen erreicht werden können. Allerdings, so Lenzin, hätten letztlich die Finanzen den Ausschlag für die Beendigung gegeben. Und es dürfte nicht übersehen werden, dass sich mit einer Neuausschreibung das Projekt noch einmal um rund vier Jahre verzögert hätte und frühestens 2018 in Betrieb gegangen wäre. (vri)

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