KMU: Dumm wie GNU

29. April 2005 um 16:58
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Und hier noch unsere Freitagabend-Nachricht

Und hier noch unsere Freitagabend-Nachricht
Die Einführung des neuen, schweizweit einheitlichen Lohnausweises wird auf 2007 verschoben. Dies hat der Vorstand der Schweizerischen Steuerkonferenz am Donnerstag beschlossen, wie die sda gestern meldete. Die Opposition gegen den neuen Lohnausweis hat sich in den letzten Monaten kontinuierlich verstärkt. So hatten 84 Nationalräte in einer Motion die Verschiebung der Einführung des Formulars verlangt, wie es jetzt beschlossen worden ist.
Gegen den neuen Lohnausweis machen vor allem gewerbliche Kreise seit Monaten mobil. Sie beklagen sich, das schweizweit einheitliche Formular verursache gerade für kleine und mittlere Unternehmen mehr Bürokratie, verlange die Investition in neue Software und sei eine versteckte Steuererhöhung.
Als Mitinhaber einer Kleinfirma, sollte also auch der Schreibende in das Jammerchörli der helvetischen KMU einstimmen. Tut er aber nicht. Gemäss unserer Buchhalterin verursacht das neue Formular im ersten Jahr etwa einen Mehraufwand von 10 Minuten pro Angestellten. Und alle uns bekannten Buchhaltungs-Programme haben den neuen Lohnausweis bereits in die Software integriert. Wer einen Software-Wartungsvertrag hat (gescheite KMU haben das), bezahlt nichts.
Bleibt also noch das Argument mit der versteckten Steuererhöhung. Tatsächlich zwingt das neue Formular, versteckte Spesenentschädigungen, zum Beispiel die private Benützung eines Firmenautos, genau auszuweisen. All jene KMU-Besitzer, die sich gewohnt sind, ihre privaten Rechnungen, ihr Benzin, ihr Nachtessen im Freundeskreis und weiss-der-Hergott noch was alles, von der Firma bezahlen zu lassen, werden mit dem neuen Formular also erstmals auch Steuern bezahlen müssen. Man kann der Herstellung von Steuergerechtigkeit auch Steuererhöhung sagen...
Zürcher Gewerbeverband für mehr Bürokratie
Den Vogel abgeschossen hat aber der Zürcher Gewerbeverband. Er wird eine Initiative im Kanton Zürich lancieren. Mit der Initiative verlangen die Gewerbler, dass der Kanton Zürich mit einer Standesinitiative in Bern vorstellig werde. Den Arbeitgebern solle durch Bescheinigungspflichten kein erheblicher Aufwand entstehen und "geringfügige Gehaltsnebenleistungen" sollen von der Deklarationspflicht ausgenommen werden, wird die Initiative verlangen.
Gleichzeitig soll in verschiedenen Kantonen eine Petition lanciert werden, die einen Aufschub verlangt, bis die Initiative behandelt worden ist. Das wäre dann etwa 2020 oder so.
Der neue Lohnausweis ist ein bescheidener Versuch, ein schweizweit einheitliches, digital verarbeitbares Formular durchzusetzen. Weniger Bürokratie, weniger Amtsschimmel also. Das Rationalisierungspotential ist - auch für KMU - bei geschicktem Einsatz von IT beträchtlich. Den Gewerblern und Wirtschaftsvertretern, die den Lohnausweis mit viel Geschrei und KMU-Gejammer bekämpfen, geht es um alles andere als um die Bekämpfung von Bürokratie. Nämlich um die Verteidigung ihrer Privilegien gegenüber der Restbevölkerung. Ob man so eine fortschrittliche Industriepolitik macht? (Christoph Hugenschmidt)
(Wir freuen uns auf Ihren Kommentar. Virtuelle Tomatenwürfe nehmen wir gerne entgegen.)

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