Krankenkassen-Software: CSC gegen Swisscom

2. Juni 2006 um 12:52
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Über 23 Millionen Franken für neue Krankenkassenlösung investiert. Partnerschaft von CSC, Centris und Cube.

Über 23 Millionen Franken für neue Krankenkassenlösung investiert. Partnerschaft von CSC, Centris und Cube.
Der St. Galler Software-Entwickler Cube, das Krankenkassen-RZ Centris und der US Outsourcing-Riese CSC entwickeln gemeinsam eine moderne Software-Lösung für Kranken- und Unfallversicherer. "Zwischen 23 und 26 Millionen Franken", sagt Swica IT-Chef Béla Matyas, investieren die 18 Krankenkassen, die heute die Dienstleistungen von Centris nützen, in die "Swiss Health Platform" (SHP). Die moderne Software baut in den Funktionalitäten auf der Software "Syrius SE" von Cube auf und ist auf eine Lebensdauer von mindestens 10 Jahren ausgerichtet.
"Bereits heute sind wir Marktführer", sagte der um markige Worte selten verlegene CSC-Chef Markus Gröninger an einer Medienveranstaltung diese Woche in Zürich. Nach seinen Berechnungen wird die "Swiss Health Platform" mit 1,7 Millionen Versicherten der beteiligten Kassen einen Marktanteil von 30 Prozent in der Schweiz halten.
Was ist ein Marktanteil?
Doch Gröningers Rechnung wird von anderen Playern im Markt in Frage gestellt. Tatsächlich: Rechnet man mit etwa 7,2 Millionen Grundversicherten in der Schweiz, so wären 30 Prozent 2,16 Millionen. Und nicht alle der 1,7 Millionen Versicherten der Centris-Kassen haben dort auch die Grundversicherungen.
"Der Markt ist ziemlich verteilt", sagt Christoph Ammann von BBT Software. Auch BBT stellt eine Krankenkassenlösung her - anders als das SHP-Konsortium entwickelt man zur Zeit aber eine neue Generation der Software ("Valsana #"), die nächstes Jahr zusammen mit Swisscom IT Services (SCIS) bei KPT und 2008 bei der ÖKK eingeführt werden soll. Gemäss Ammann haben sich nur wenige Kassen noch nicht für eine der drei Alternativen (Eigenbau, Syrius oder Valsana) entschieden.
Einmal mehr: "SOA" über alles
Technisch setzt die "Swiss Health Platform" auf einer Service-orientierten Architektur auf. Die einzelnen Komponenten der Software werden miteinander und nach aussen nicht über einzeln programmierte Schnittstellen kommunizieren, sondern Daten als "Services" in XML-Formaten liefern.
Damit lassen sich Prozesse optimieren und automatisieren, weil man Medienbrüche vermeiden und Schwachstellen in Arbeitsabläufen leicht erkennen kann, erklärte CSC-Mann Willi Petersmann.
Bis Ende Juni soll der erste Release der "Swiss Health Platform" ausgeliefert und mit einem "virtuellen Versicherer" getestet werden. Ab Januar 2007 wird der erste Pilotkunde, die Luzerner Xundheit (ehemals ÖKK LU) die Lösung einführen. Im Juli 2007 will Xundheit dann auf der neuen Software-Plattform in einem "Big Bang"-Approach (sofortige Migration aller Daten auf alle Komponenten) live gehen. Man werde die moderne Lösung auf jeden Fall "in time" und "in budget" abliefern, verspricht Gröninger.
Gewaltige Kosten, noch gewaltigere Einsparungen
Swica-Logistik- und IT-Chef Béla Matyas erklärte recht offenherzig, was die bei Centris zusammen geschlossenen Kassen, von der neuen Software erwarten. Man werde etwa zwei Prozent an "Flexibilität" bei den Verwaltungskosten gewinnen, so Matyas. Viel wichtiger sei aber, dass die Swica die eingehenden Rechnungen wesentlich schneller und besser überprüfen könne. Die Swica bezahlt heute jährlich Leistungen von etwa 2,2 Milliarden Franken - auch eine Einsparung von nur einem Prozent würde die Entwicklungskosten der Software ("zwischen 23 und 26 Millionen Franken gemäss Matyas) bereits in einem Jahr amortisieren.
Tatsächlich rechnen die Centris-Versicherungen damit, die neue Plattform innert drei Jahren zu amortisieren. Da sie aufgrund der modernen Architektur relativ leicht ausgebaut und an Umsysteme angeflantscht werden kann, soll sie eine Lebensdauer von mindestens 10 Jahren haben.
Wieder CSC gegen SCIS
Wie schon im Markt für Bankenlösungen, stehen sich nun im Markt für Krankenversicherungen SCIS (mit der Lösung von BBT) und CSC gegenüber. Bei letzterem gibt man sich überzeugt, dass mit der "Swiss Health Platform" der grossen Wurf im lukrativen Markt der Versicherer und Krankenkassen gelungen ist.
Weitere Kassen, wie etwa Visana und Sanitas setzen das Vorgängersystem der SHP, Syrius SE von Cube, ein. Gelingt es, diese Kassen zu gewinnen, so steht in den Augen des Konsortiums der Gewinner im Markt für Krankenkassen-Software schon fest. "Wir hätten dann einen Marktanteil von über 50 Prozent", so Gröninger.
Doch so einfach ist die Rechnung nicht. 35 Kassen der etwa 80 Kassen in der Schweiz fahren auf Valsana und die beiden grossen Kassen Helsana und CSS mit je über einer Million Versicherten benützen eigene Lösungen. Das öffentlich verkündete Ziel des CSC-Konsortiums, glatt die Hälfte des Schweizer Marktes für Krankenkassenlösungen zu besetzen, ist damit sehr hoch angesiedelt. Oder einfach Propaganda. (Christoph Hugenschmidt)

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