Also gut, ich habs verstanden, ist ja ok. Dass man aber gleich weltweit (gefühlt) - zumindest zwischen Tsüri4 und Maurisee - die Sonne ausschaltet, uns mit kaltem Wasser bewirft und mit Weltuntergang droht, nur um uns mitzuteilen, dass der Sommer jetz dänn im Fall vorbei sei, finden wir doch etwas übertrieben.
Wobei: Übertreiben, drohen, schwarze Wolken an den Himmel malen, mit dem Drohfinger wackeln und den Weltuntergang prophezeien ist ja auch Kerngeschäft und -kompetenz der schreibenden Zunft, insbesondere der PR-Branche. "Ab September drohen bei Datenvergehen hohe Strafen" betitelte unlängst die Firma Epsilon eine Medienmitteilung. Ein paar Zeilen weiter unten heisst es dann zwar "Im Grunde wird sich nicht viel ändern", doch würde man ja nichts von der Firma Epsilon kaufen, wenn es so wäre, weshalb dann eben doch "harte Strafen drohen" und überhaupt: "Geringe Verwarngelder gehören der Vergangenheit an."
"Verwarngelder" sind zweifellos eine böse Sache, vor allem, wenn sie nicht gering sind, doch wer den Schreibenden kennt, weiss, dass ihm eine "Audio-Pistole", die ein "in Kanonenform verpacktes Aufnahme- und Abspielgerät" ist, das optisch auch noch einer "Radarpistole gleicht" (warum nicht auch noch der iranischen Bombe?) fast noch mehr Angst macht. Es war dann aber nicht die "Verstummungskanone" des National Advanced Industrial Science and Technology Institute in Tskuba, sondern die gute alte Sabotage-Software Stuxnet, die dank "Wurm-Aspekt" angeblich oder tatsächlich "in den Systemen tausender Firmen, auch in Österreich" aufgetaucht ist, was die Presseagentur pte zum schönen Titel "Digitaler Schuss ins eigene Knie" inspiriert hat. So ein digital zerschossenes Knie ist unschön, doch pte kanns noch übler: "England: 10'000 Abtreibungen gehackt" titelte die Agentur, die uns immer wieder mal Angst macht: "Marihuana bekehrt singende Nazis". Nicht dass wir etwas gegen die Bekehrung von Nazis hätten, doch was ist, wenn die dann doch lieber wieder Bier haben? Und überhaupt: "Es gibt auch Rechtsextreme, die Marihuana konsumieren", sagt Franjo Grotenhermen" wie pte weiss.
Wo paffende Nazis drohen, können auch tötende Smartphones nicht weit sein: "Mobiltelefone: Potenzielle Fussgänger-Killer" warnt pte (wer sonst?). Die Agentur kann noch mehr Tode. Die Story "Röhrenbildschirm-Tod reisst Spielautomaten mit" rührte uns zu Tränen, denn unsere Vorstellungskraft (Röhrenbildschirmtod steigt keuchend auf dem steilen Firn am Finsteraarhorn auf, den Spielautomaten am kurzen Seil, rutscht aus und Aaaaaaaaaaahhhhhh) ist manchmal fast stärker als uns lieb ist. Aber nicht nur Röhrenbildschirmtode sind gefährlich, sondern auch Geld ("Mehr Geld stürzt Neurotiker ins Unglück"), das Internet ("Sinnloses Surfen im Internet zerstört Umwelt"), nochmal das Internet ("Religion im Internet gefährlicher als Pornografie"), Social Media ("Social Media während Scheidungsverfahren riskant") und Tablet-PCs ("Tablet-Nutzung erschwert das Einschlafen").
Also gut. Der Herbst kann kommen. So ein paar Wolken samt Dunkelheit am hellen Nachmittag können uns nicht mehr einschüchtern. (Christoph Hugenschmidt)