Leider Nein (heute mit Elevator Girl)

10. April 2015 um 15:59
  • kolumne
  • leider nein
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Und hier noch unsere Freitagabend-Nachricht.

Wann haben Sie zuletzt einen Liftboy gesehen? Sie wissen gar nicht, was ein Liftboy ist? Macht nichts, denn Liftboys braucht es seit Jahrzehnten nicht mehr, da man heutzutage von Liftpassagieren erwarten kann, selbst das Knöpfli mit dem Ziel-Stockwerk zu finden. Ausser in Japan, da gibt es angeblich Elevator Girls, die aber, so wie die Boys gar keine Boys waren, sondern ältere, schlecht bezahlte Männer, auch keine Girls sind, sondern Frauen.
In der Schweiz hat es Liftboys übrigens gar nie gegeben, denn als es den Beruf noch gab, gab es noch keine hohen Häuser. Aber Journalisten hat es gegeben, doch die gibt es nicht mehr lange, denn sie sind so überflüssig wie Liftboys. Gesagt hat dies ein gewisser Michael Rosenblum an einer "Fachtagung zum mobilen Journalismus in Dublin", von der ein Journalist (!) unserer Lieblingspresseagentur pte berichtete.
Michael Rosenblum muss es wissen, denn bei seiner Firma kann jedermann Journalismus in einem Tag lernen, und zwar nicht irgendeinen Journalismus, sondern gleich die Königsdisziplin Videojournalismus. Der nächste Kurs läuft am 7. Juli und kostet für early birds lausige 279 Pfund. "Smartphones sind mächtige Instrumente für Journalisten. Es gibt keine Barrieren mehr dafür, Journalist zu sein. Jeder kann es tun", analysiert Rosenblum scharfsinnig. Und weil es jeder tun kann, werden die "weltgrößten Medienunternehmen auch keinen einzigen Journalisten mehr angestellt haben", denn "jeder" wird mit seinem Smartphone enthüllende Dok-Filme drehen, die Resultate jahrelanger Recherchen in Form packender Berichte und scharfsinninge Analysen ins Smartphone diktieren und den "weltgrößten" Medien, zum Beispiel uns, zusenden.
Rosenblum hat recht, genauso wie schon Sumer-König Amar-Sin recht hatte, als er 2040 vor Christus in seiner bahnbrechenden Rede zum Thema Geschichtenerzähler und Keilschrift auf Säulen sagte: "Mit unserer bahnbrechenden Keilschrift wird leider auch der geschätzte Beruf des Geschichtenerzählers verschwinden, denn künftig wird jedes Kind fähig sein, Geschichten in Säulen zu hauen, so dass man sie nicht mehr zu erzählen braucht." (1) Erinnern wir uns auch an Königin Ni-maat-Hapi, die an jenem wunderschönen Frühlingsmorgen des 10. April 2740 vor Christus bei der Eröffnungsfeier zur ersten Papyrus-Fabrik in Sakkara den denkwürdigen Satz "Der Beruf des Chronisten ist tot, denn jeder kann jetzt Hieroglyphen auf unsere Papyri malen" (2) prägte. Ja, Prophet Rosenblum muss in einer Reihe mit Grössen wie Johannes Gensfleisch gestellt werden, der nach dem Druck des bahnbrechenden Flugblattes "Eyn manung der cristenheit widder die durken" seinen Gehülfen Petrus Schoiffer an der noch heute gültigen Erkenntnis "Es würd fürwar nimmer Skribenten und Korrespondenten betürfen, ten allenthalben würd das gemein Folk Flugplätter trucken," teilhaben liess.
Lassen Sie es mich wissen, falls Sie per Zufall Kontakt zur HR-Abteilung eines japanischen Warenhauses haben. Ich bewerbe mich als Elevator Girl. (Christoph Hugenschmidt)
(1) Übersetzung aus dem Sumerischen: Christoph Hugenschmidt
(2) Übersetzung aus dem Altägyptischen: Christoph Hugenschmidt

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