Die schiere Zahl von neuen Technologien, ist überwältigend. Wobei handelt es sich um Entwicklungen, die sich nachhaltig in Unternehmen verbreiten werden, und wobei nur um Hypes, die wieder verschwinden? Wie verändern neue Technologien das Nutzerverhalten und welche Trends dürfen IT-Verantwortliche nicht verpassen? Diesen und weiteren Fragen ist Gartner nachgegangen.
Künstliche Intelligenz werde auch 2020 noch "Alchemie sein, die von Hexern" ausgeführt wird, so eine Aussage von Erik van Ommeren, Director Analyst bei Gartner, an einer Veranstaltung gestern in Zürich. In Unternehmen werde sich AI bis 2020 noch kaum verbreiten und nur wenig skalieren, sagte er. Dennoch müssten IT-Entscheider damit beginnen, die nötigen Skills aufzubauen. Auch sollten sie langsam über eine Road Map in Sachen AI nachdenken. Dinge, wie Machine Learning oder Language Processing – Technologien, die im weiteren Sinne als AI verstanden werden können – gibt es und sind testbar, mahnt der Gartner-Analyst das Publikum.
Im Gesundheitsbereich beispielsweise werde AI eine grosse Rolle spielen. Bis 2023 würden Diagnose-Verfahren basierend auf AI-Technologien "predictive" werden. Gerade bei chronischen Krankheiten, könne der Verlauf einer Krankheit besser vorausgesagt werden und etwa Komplikationen verhindert werden. Aus diesem Grund glaubt Gartner auch, dass es Übernahmen gebe werde, bei denen Gesundheitsunternehmen AI-Spezialisten zukaufen.
"Ein Data Breach ist nicht das Ende der Welt"
Im Zusammenhang mit Privatsphäre spricht der Gartner-Analyst das Thema Blockchain an. Im Rahmen von Datenschutzregulierungen könne das Konzept der Blockchain (alle Informationen bleiben gespeichert) problematisch werden. Schon in wenigen Jahren werde die Mehrheit aller public Blockchains unter einer "Datenschutzvergiftung" leiden, glaubt Gartner. Denn auf ihnen würden persönliche Daten gespeichert sein, was dazu führe, dass sie gegen die Datenschutzgesetze verstossen.
IT-Verantwortliche und Unternehmen, die am Thema Blockchain arbeiten, sollten sich deshalb gut überlegen, was für Daten in die Blockchain kommen. Kundendaten oder andere personenbezogene Daten gehörten nicht dazu, mahnt er.
Insgesamt werden sich Regulierungen um den Datenschutz und die Privatsphäre von Nutzern stark auf das Business auswirken, glaubt Gartner. Werbeeinnahmen beispielsweise werden rückläufig sein, da es immer schwieriger werde, gezielt zu werben. User werden ihre persönlichen Daten nicht mehr gratis hergeben, ist er überzeugt.
Gleichzeitig aber – und hier vielleicht eine gute Nachricht für Firmen – scheint sich die Mehrheit der Kunden nicht längerfristig an einem Data-Breach zu stören. Ja, es gebe zunächst grosse Aufregung unter den Anwendern, wenn Daten verloren gehen oder gestohlen werden. Aber längerfristig werde die Mehrheit der User die Services dennoch weiter nutzen. "Es scheint sie schlichtweg nicht zu kümmern", sagte Ommeren. Dem Gesetzgeber wie auch den Unternehmen komme deshalb eine Babysitter-Rolle zu. Unternehmen sind für die Kundendaten verantwortlich und deshalb in der Pflicht, diese auch entsprechend zu schützen. "Aber ein Leak ist nicht das Ende der Welt. Verheimlichen Sie ihn nicht, melden Sie ihn und machen Sie ihre Sache künftig besser", so der Analyst. "Aber reagieren sie nicht über und machen Sie weiter mit Ihrem Business."
Was Unternehmen künftig ebenfalls beschäftigen werde, ist das Thema Cyberbullying. Wie soll mit Gerüchten, Beschwerden oder Anschuldigungen umgegangen werden, die von ehemaligen Mitarbeitenden, Angestellten oder Kunden im Netz publiziert werden? Cyberbullying werde zügelloser und epidemisch womit auch Klagen wegen Belästigungen zunehmen werden, sagte Ommeren. Für Unternehmen werde es eine grosse Herausforderung werden, damit umzugehen. Mitarbeitende müssen sensibilisiert werden und es brauche Methoden, Cyberbullying zu erkennen.
"Zu gut, um nur in der eigenen Firma angewendet zu werden"
Einen weiteren Teil seines Vortrags widmete Ommeren dem Thema Ökosysteme. Unternehmen müssten sich darauf einstellen, "in den Hintergrund zu rücken". Als Beispiele seien Booking oder der Amazon Marketplace genannt. Kann ein Hotel es sich leisten, keine Angebote über Booking zu verkaufen? Für Unternehmen werde es immer wichtiger, Teil eines Ökosystems zu werden. Die Denkweise "dies ist ein Konkurrent und kein Partner", müsse in gewissen Bereichen abgelegt werden.
Gleichzeitig weist Ommeren auf neue Einnahmequellen hin. Unternehmen verfügten einerseits über eine Vielzahl von Daten, die das Potenzial hätten, Umsatz zu generieren. Auch hier sei es unter Umständen nötig, neue Partnerschaften einzugehen. Es sei wahrscheinlich, dass Unternehmen schon bald mit einer Vielzahl von Microservices kurzfristige Umsätze aus neuen Quellen erzielen werden.
Anderseits sieht der Gartner-Analyst Potenzial in Technologien, Produkten oder Anwendungen, die ein Unternehmen für den internen Gebrauch entwickelt hat. Es handle sich hierbei häufig um einmalige Fähigkeiten, die beinahe zu gut seien, um nur im eigenen Unternehmen Anwendung zu finden, wie Ommeren sagte. In diesem Zusammenhang seien auch Übernahmen nicht auszuschliessen. Wer das Know-how nicht habe, könne über einen Zukauf im Analytics-Bereich nachdenken. (kjo)