Naujoks: Konsumerisierung setzt IT-Abteilungen unter Druck

1. Oktober 2012 um 14:01
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Anwender bringen private IT-Erfahrungen ins Unternehmen und sorgen für einen Kulturwandel, schreibt Kolumnist Frank Naujoks.

Anwender bringen private IT-Erfahrungen ins Unternehmen und sorgen für einen Kulturwandel, schreibt Kolumnist Frank Naujoks.
Die Unternehmens-IT wandelt sich - und steht seit einigen Jahren unter dem Druck der Anwender. Konnten Firmen Phänomene wie Facebook oder Bedienkonzepte wie jene von Apple vor Jahren mit dem Hinweis ignorieren, dass Unternehmens-IT anders ist, findet jetzt ein Paradigmenwechsel statt. Die private IT-Ausstattung der Anwender ist moderner als die unternehmensseitig zur Verfügung gestellten Werkzeuge. Bring your own Device (BYOD) - also die dienstliche Nutzung privater IT - ist ein Ausdruck dieses Wandels. Doch zukünftig müssen Unternehmen darauf achten, dass ihre Angebote SMAC erfüllen. Also "sozial", mobil, analytisch und cloudfähig sind.
Der ideale Anwendungsfall - und da wird der Nutzen auch am schnellsten sichtbar - ist sicherlich der Vertrieb. Bei grösseren und komplexeren Vertriebsprozessen ist auf beiden Seiten eine Vielzahl von Personen involviert, die sich untereinander absprechen müssen, Angebotsteile zuliefern, Termine wahrnehmen, untereinander kommunizieren. Diese Dynamik abzubilden, ist rein durch E-Mails, Kontakthistorie und zentrale Dokumentenablage mindestens mühsam, eher lästig bis unmöglich. Während beispielsweise der klassische ERP-Anwender in der "alten Zeit" ein klar umrissenes Aufgabenfeld hatte und die IT an der Unternehmensgrenze endete, ist das Aufgabenfeld heute dynamisch und ständig Änderungen unterworfen. Der direkte Vorgesetzte und das Unternehmen verlieren zunehmend an Bedeutung für die Organisation und Erledigung der täglichen Arbeit.
Die Individualitätsdenke der Anwender steht im Gegensatz zu langjährigen Grundlagen von ERP-Systemen, wie etwa Standardisierung und Prozessorientierung im Sinne von "eingeschränkter Prozessführung". Das heutige User-Verhalten entspricht immer weniger dem Anwendermuster aus den "Gründerjahren" der ERP-Systeme. Dem klar umrissenen Aufgabenfeld steht zunehmend ein dynamisches, sich beispielsweise durch Wachstum verändertes Aufgabengebiet mit anderen Rollen gegenüber. Neue Rollen müssen in der Arbeitswelt definiert werden und entsprechend im System abgebildet werden.
Die IT-Kulturen und die IT-Governance in den Unternehmen sind nicht auf die "neuen User-Kulturen" abgestimmt. Hier sind neue Ansätze notwendig, die sich von einer reinen "Technik-Denke" verabschieden. Entsprechend der in Teilen praktizierten Offenheit werden IT-Anwendungs-Landschaften im Unternehmen immer mehr zu basisdemokratischen Systemen. Das Wissensmonopol der IT-Abteilungen wird damit gebrochen. Um diese komplexen Systeme zu führen und zu gestalten, muss man sie verstehen und verinnerlichen. Und eine Abwägung vornehmen zwischen immer mehr zu unterstützenden und einzubindenden Systemen und den Kosten, die aus dem Technologiezoo entstehen. Eine attraktive Auswahl an Standard-IT kann hier der beste Kompromiss sein aus Kosten und Mitarbeiterwünschen nach dem neusten Gadget und Mobilität.
Den Wandel aufhalten werden weder IT-Anbieter noch IT-Abteilungen in den Unternehmen. Zwar kann man den Status quo versuchen, möglichst lange aufzuhalten. Doch der Preis ist hoch: Talentierte Mitarbeitende wenden sich ab oder kommen erst gar nicht. Die schnellen, agilen Unternehmen werden die langsamen, behäbigen Firmen überholen. Sexy IT dank SMAC?! (Frank Naujoks)
Frank Naujoks (38) ist Director Research und Market Intelligence beim Zürcher Beratungshaus i2s. Der ehemalige Journalist schreibt als Kolumnist für inside-it.ch

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