Nexus One: Googles Nagel im PC-Sarg

6. Januar 2010 um 15:59
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Wenn Daten und Applikationen "im Internet" sitzen und der Zugang dazu über ein Smartphone erfolgt, braucht es keine PCs mehr.

Wenn Daten und Applikationen "im Internet" sitzen und der Zugang dazu über ein Smartphone erfolgt, braucht es keine PCs mehr.
Für viel mediale Aufregung sorgte der Launch eines Mobiltelefons durch Google gestern Abend. Selbst die NZZ, sonst eher auf Qualität denn Schnelligkeit erpicht, brachte bereits heute einen (lesenswerten) Blogbeitrag ihres Mitarbeiters Nico Luchsinger.
Um es kurz zu machen: Googles 'Nexus One' ist ein Smartphone mit dem Open-Source-Betriebssystem Android (Version 2.1). Es ist etwas flacher als Apples beliebtes iPhone und wird wie dieses über einen berührungsempfindlichen Bildschirm, der aber nicht "Multitouch-fähig" ist, gesteuert. Ebenfalls von Apple abgeschaut ist das Konzept des "App-Store", in dem Anwendungen für Android-Telefone zur Verfügung gestellt werden. Neben dem Touchscreen verfügt Nexus One über Spracherkennung als Interface.
Das Gerät kostet - ohne Subventionierung durch einen Mobilfunk-Anbieter - 529 Dollar und wird in der Schweiz aktuell nicht angeboten. In den USA, Grossbritannien, Hong Kong und Singapur wird es von T-Mobile für 179 Dollar angeboten, später wird es auch von Vodafone subventioniert und verkauft werden. Interessanterweise wird es in den USA nur mit der 3G-Technik von T-Mobile funktionieren, Kunden anderer Mobilfunkdienstleister wie AT&T werden mit EDGE-Technologie und entsprechend niedrigeren Bandbreiten vorlieb nehmen müssen.
Direktvertrieb: Ein Angriff auf Carrier?
Luchsinger interpretiert die Lancierung eines eigenen Smartphones durch Google im erwähnten Artikel als einen Angriff auf die Mobilfunkdienstleister, die zu "reinen Verbindungsdienstleistern degradiert" werden sollen. Diese Interpretation ist sicher nicht falsch, denn Google will später auch andere Android-Telefone direkt verkaufen und wird damit die Konsumenten potentiell aus der vertraglichen Bindung an Mobilfunkanbieter befreien. Zudem bietet Google mit Google Voice ein eigenes System für kostenlose Internet-Telefonie an und unterstützt den Bau von öffentlichen, drahtlosen Netzwerken.
Das sagt Swisscom
Mobilfunkanbieter werden also unter Druck geraten, denn Konsumenten, die Googles Nexus One (oder andere Geräte) ohne Vertrag gekauft haben, werden in Zukunft nach Belieben den jeweils günstigsten Anbieter auswählen können und zudem vermehrt vom Handy aus kostenlos übers Internet telefonieren.
Ähnlich sieht man dies übrigens bei Swisscom, wie aus einer Einschätzung, die Swisscom-Sprecher Sepp Huber gegenüber inside-it.ch machte, hervorgeht: "Durch die Internet-Technologie ist es ja schon seit einigen Jahren im Festnetz möglich, dass Unternehmen eigene Dienste wie zum Beispiel Sprachtelefonie anbieten, jedoch selber nicht über eine eigene Infrastruktur verfügen (z.B.Skype). Dieser Trend zeichnet sich auch im Mobilfunk ab (z.B. Skype über Handys, Mitteilungsdienste wie Ping): Der Treiber für tiefere Preise ist somit primär die Technologie. Vereinfacht gesagt: Kunden telefonieren heute nicht mehr mit einem Telefon mobil, sondern eigentlich mit einem kleinen Computer am Ohr. Immer mehr Internetbandbreite und immer mehr Anwendungen für diese Mini-PCs führen dazu, dass die Leute auch mobil übers Internet telefonieren und nicht mehr über den herkömmlichen Mobilfunk."
Say Goodbye to your PC
Doch mit dieser Aussage sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der gestrigen Ankündigung erst in den Ansätzen erfasst, denn man muss alle anderen Aktivitäten von Google mit betrachten. Der US-Suchmaschinenriese bietet ja nicht nur neu ein kleines Handy an, sondern er ist auch ein riesiger E-Mail-Dienstleister, bietet gratis Online-Speicher und in Ansätzen durchaus brauchbare, ebenfalls kostenlose Online-Software für Dokumentenverarbeitung, Tabellenkalkulation und vieles mehr.
Damit stellt sich die Frage, wofür in Zukunft überhaupt noch PCs (Notebooks und ihre Verwandten sind mitgemeint) nötig sein werden: Die Daten wird man (bei Google) im Internet speichern. Ebenfalls von dort werden die Programme für Büro und Kommunikation kommen. Das gleiche gilt heute schon für die zunehmend wichtigeren sozialen Netzwerke, für Online-Photo- und Filmalben und ähnliches.
Der Zugang zum Internet wird je nach dem Ort, an dem man sich befindet, über eine Leitung eines Mobilfunkanbieters, über ein öffentliches oder nicht-öffentliches, kostenpflichtiges oder -loses WLAN oder über eine Festnetzleitung (Glas oder Kupfer) hergestellt. Das Smartphone (samt Spracherkennung und Kamera) wird zum zentralen Interface, auf dem man Zugangsdaten und Links zu den benützten Programmen und Daten verwaltet. Was dann noch fehlt sind einzig ein grosser Bildschirm, eine gute Maus und eine ebensolche Tastatur. Dafür braucht es weder PC noch Notebook, ein Kabel oder allenfalls eine kleine "Docking Station" genügt vollauf. (Christoph Hugenschmidt)
(Foto: (c) by Google. Das Pressefoto zeigt die Funktion von Nexus One als Interface zu Google-Internet-Applikationen wie GMail oder Picasa).

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