Orwells Visionen waren harmlos

4. Januar 2008 um 17:43
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Und hier noch unsere Freitagabend-Nachricht.

Und hier noch unsere Freitagabend-Nachricht.
Manchmal witzeln wir in der Redaktion über unsere schöne Zukunft. Irgendeinmal wird unsere Firma so erfolgreich sein, dass wir heute noch hart arbeitenden "Journis" nur noch als Bosse über ein Heer von Recherchier- und Schreibsklaven wachen müssen. Wir hatten auch schon bösartige Visionen von an den Arbeitsplatz geketteten KollegInnen (wir hocken erhöht in Glaskästen), deren Proteinzufuhr direkt über ihre Produktivität am PC gesteuert wird. Wer gut und viel schreibt (wir messen ja auch, welche Artikel gerne gelesen werden und welche nicht), erhält mehr, wer nur wenige und schlechte Artikel macht, bleibt hungrig. Pro Primeur gibts ein Praliné.
Unsere schwarzen Visionen sind offenbar immer noch nicht schwarz genug - zumindest wenn es nach Microsoft geht. Denn am 27. Dezember reichte ein Anwaltsbüro im Namen von Microsoft ein Patentgesuch für eine Software ein, deren Funktionalität direkt aus den Alpträumen von BüroarbeiterInnen weltweit stammen könnte. Oder wie sollen wir das da interpretieren?
"An activity monitoring system that facilitates managing and optimizing user activity automatically to improve overall user productivity and efficiency comprising:a monitoring component that can monitor user activity conducted on one or more computing devices; andan activity management component which can process and evaluate user activity data to assess user performance on their respective activities and the current allocation of system and human resources."
Die Software von Microsoft wird noch mehr können: Sie wird auch herausfinden, wenn jemand "Hilfe" braucht und diese automatisch anbieten. Schreibstau, Excel-Formel nicht im Griff, gar auf nicht business-liken Webseiten gesurft? Schon kommt der Assistent und schlägt ein paar gescheite Sätze vor, hilft mir, Excel zu bezwingen und haut mir eins, wenn ich unbotmässige Seiten anschaue. Ausserdem kann das System auch Alarm schlagen, wenn ein Mitarbeitender bestimmte Dokumente öffnet - praktisch für die Zusammenarbeit, noch praktischer für lückenlose Überwachung.
Das System (einen Namen hätten wir schon: "Microsoft Windows Big Brother Server 1984" - MSWBBS) wird die Daten der Aktivitäten der "Knowledge Worker", wie Büroangestellte bei MS so schön heissen, natürlich speichern und vergleichen. "Frau Meier, Sie haben zwischen 19. und dem 21. Dezember nur 6'799 Anfragen für Warenrückgaben bearbeitet, Herr Rüdisühli hat aber über 9000 geschafft. Brauchen Sie Hilfe?" wird es dann bei der wöchentlichen "Produktivitätsbesprechung" mit der Chefin heissen.
Aber eigentlich will Microsoft nur unser Bestes. "Das System kann automatisch Frustration oder Stress aufspüren," heisst unter Punkt 11 der Beschreibung im Patentantrag. Wie lieb. (Christoph Hugenschmidt)
(Ehre, wem Ehre gebührt: Wir fanden den Hinweis für den Patentantrag auf der Online-Newsseite von 'Information Week', USA. Den Patentantrag gelesen und etwas dazu gedacht haben wir aber selber.)

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