"I don't need a salesman, I just need the information",
zitiert zu den kaufentscheidenden Kriterien bei der Auswahl von Business-Software brachte es diesbezüglich auf den Punkt. Die überwiegende Zahl der Software-Anwender will während des Auswahlverfahrens lieber von einem Projektleiter beraten als von einem Verkäufer beschwatzt werden. Dass sie als Kunden dafür nichts bezahlen wollen, hat unsere Studie allerdings auch gezeigt und damit sind wir schon voll im Dilemma drin.
Die Strategie vieler IT-Anbieter ist nämlich diesbezüglich simpel. Es geht darum, den Kunden so rasch als möglich zum Abschluss zu bringen, damit die dringend notwendige Beratung anschliessend auf die Rechnung gesetzt werden kann. Und dazu wird der Verkauf eingesetzt, dessen einzige Aufgabe es ist, den Deal unter Dach und Fach zu bringen. In der Folge verhält sich der Verkauf auch genauso, wie es von ihm erwartet wird. Er drückt mit seinen Produkten in den Markt, verkauft jedem alles und kümmert sich in der Regel wenig um die spezifisch beim Kunden zu lösenden Probleme und Herausforderungen. Auch wenn ständig behauptet wird, man sei im Lösungsgeschäft, so zeigt die Praxis ein völlig anderes Bild. Nach wie vor steht der Verkauf von Produkten - und damit von Lösungen, die sich jemand anderer als der Kunde selbst ausgedacht hat - klar im Vordergrund und im Grunde schert sich niemand um die individuelle Konstellation, die im Kundenunternehmen herrscht. Gerade kürzlich meinte ein IT-Dienstleister aus meiner Kundschaft leicht resigniert aber auch ernüchternd: "Wir haben über Jahre hinweg mit hohem Aufwand eine Drückerkolonne aufgebaut und jetzt müssen wir wohl oder übel wieder davon Abschied nehmen und entweder aus unseren Verkäufern echte Berater machen oder, wenn das nicht geht, uns neue suchen." Die deutlich abnehmenden Verkaufsergebnisse und die abhanden gekommene Motivation in seiner Verkaufsmannschaft haben ihn zu dieser Erkenntnis geführt.
Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, den Thomas Mauch in seinem oben erwähnten Referat ebenfalls aufzeigt. Gerade im B2B-Geschäft bleiben viele Kunden während über der Hälfte ihres Entscheidungsprozesses (eine neuere britische Studie sagt
während 57 Prozent) unerkannt. Erst im fortgeschrittenen Stadium wollen und suchen sie den Kontakt mit einem Verkäufer. Bis zu diesem Zeitpunkt haben sie sich bereits ausführlich über die Angebote möglicher Anbieter informiert, haben sich davon ein Bild gemacht und versucht, ihre Bedürfnisse damit zur Deckung zu bringen. Ziel eines jeden Unternehmens müsse es daher sein, in das sogenannte "Consideration Set" des Kunden zu gelangen, um nach 57 Prozent des Entscheidungsweges angesprochen zu werden. Stellen wir uns nun vor, dass ein solchermassen gut informierter Kunde bei 58 Prozent seines Auswahlprozesses mit unserem Verkauf Kontakt aufnimmt. Das letzte was er jetzt hören will, sind allgemeines Verkaufs-Blabla, ermüdende Firmenpräsentationen oder exzessive Produktdarstellungen. Er weiss ja zu diesem Zeitpunkt ganz genau (beziehungsweise er glaubt es zu wissen), was er braucht und will und sucht daher einen Ansprechpartner, der ihn beratend auf den letzten 43 Prozent seines Weges begleitet.
Was es stattdessen braucht
Nun, wenn es in der IT keine klassischen Verkäufer mehr braucht, was braucht es stattdessen? Wer im Unternehmen kümmert sich darum, dass die Tinte unter den Vertrag kommt? Wer sorgt dafür, dass die notwendige Zahl an Neukunden regelmässig und kontinuierlich den Weg in unsere Unternehmen findet? Ich meine, es sind drei Faktoren, die top down erfüllt werden müssen.
Die Marktstrategie und eine klare Positionierung sollten von Beginn an das Ziel haben, unser Unternehmen in das wie es Mauch ausdrückt "Consideration Set" unserer Wunschkunden zu bringen. Idealerweise sind wir dort sogar alleine. Dies sicherzustellen ist übrigens Aufgabe des Managements, im KMU der Inhaber. Damit sage ich auch ganz klar, dass modernes Verkaufsmanagement (man spricht heute häufig auch von Verkauf 2.0) nicht im Verkauf beginnt, sondern bei der grundlegenden strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Dem Verkauf daher die Schuld für ungenügende Umsätze zu geben, wie es nach wir vor regelmässig geschieht, ist in den meisten Fällen völlig verfehlt.
Aufbauend auf der klaren Positionierung braucht es anschliessend eine langfristig und nachhaltig ausgerichtete Marketingkommunikation. Keine Schnellschüsse mehr, kein Druck am falschen Ort und vor allem Schluss mit den nach wie vor sehr verbreiteten Selbstbeweihräucherungen. Die Marketingkommunikation muss sich vielmehr darauf konzentrieren, den potenziellen Kunden - der sich, wie wir gelernt haben, noch in der Anonymität befindet - nutzenbringende und für seine Entscheidung hilfreiche Informationen zu vermitteln, Stichwort "Mehrwert".
Und - last but not least - brauchen wir in unseren Unternehmen natürlich Leute, die die suchenden Kunden bei 58 Prozent ihres Entscheidungsweges abholen und kompetent zum Abschluss bringen. Die würde ich jetzt allerdings nicht mehr "Sales", "Presales" oder "Verkäufer" nennen wollen, sondern "Verkaufsberater" oder noch besser "Einkaufshelfer", denn das ist eigentlich die einzige Aufgabe, die sie jetzt (noch) haben. Dass die neuen Verkaufsberater mit der oben erwähnten Drückerkolonne nichts mehr zu tun haben, versteht sich natürlich von selbst. Das heisst, wir müssen ein völlig anderes Verständnis von Verkauf entwickeln und lernen, die Probleme und Herausforderungen unserer Kunden zu suchen und zu verstehen und dafür - aufbauend auf unsere Kernkompetenzen und natürlich unseren Produkten und Dienstleistungen - Lösungen mit maximalem Kundennutzen zu entwickeln.
Übrigens: Als Anbieter muss man sich nicht wundern, wenn ein Kunde für die Beratung eines Mitarbeiters mit dem Begriff "Verkauf" oder "Sales" auf seiner Businesscard nichts bezahlen will. Das wollte ich nämlich auch nicht. Wieso also den Titel nicht einfach ändern und damit klar signalisieren, dass nicht verkauft, sondern "geholfen", beziehungsweise "beraten" wird. Und das hat dann natürlich auch seinen Preis. (Urs Prantl)
Urs Prantl (51) arbeitete über 20 Jahre als Softwareunternehmer in der Branche. Seit Ende 2011 unterstützt er IT- und Softwarefirmen bei ihrer strategischen Ausrichtung mit Hilfe einer Alleinstellungspositionierung. Er äussert als Kolumnist für inside-channels.ch seine persönliche Meinung.