Das Vergleichen mit der Konkurrenz und damit meist verbunden auch das versuchte Anpassen beziehungsweise Kopieren sind en vogue. Oft werde ich gefragt, "wie machen das andere Unternehmen?", "was ist in der Branche üblich?" oder "wie sieht denn Best Practice für dieses oder jenes aus?". Mal abgesehen davon, dass ich "Geschäftsgeheimnisse", die mir anvertraut wurden, nie ungestraft weitererzählen könnte, würden sie dem Fragenden auch nicht helfen.
Sowohl Benchmarking (das systematische Vergleichen) als auch Best Practice (die systematische Orientierung) verwenden als Referenz die Mitbewerber, häufig in der gleichen Branche. Bei Benchmarking geht es darum, die eigene Performance an den Leistungskriterien der Konkurrenten zu messen. Damit lassen sich die eigenen Unternehmensleistungen objektiv zu denen der Konkurrenz im Gesamten bewerten. Der Best-Practice-Ansatz hingegen ist umfassender. Hier werden die eigenen Leistungen wie Prozesse, Produkte und Dienstleistungen, Methoden usw. mit einer ausgewählten Gruppe von Spitzenunternehmen, oftmals den Besten der Branche, verglichen und transferiert.
Unternehmen suchen mit Best Practice und Benchmarking also für sich selbst wie auch für ihre Kunden nach Musterlösungen bei Dritten. Damit wird die Konkurrenz zur Richtschnur und zum Taktgeber für den eigenen Fortschritt.
Zwei wesentliche Hauptgefahren gehen mit dieser Praxis einher, die jede für sich alleine schon Grund genug wäre, von jeglicher "Vergleicherei" Abstand zu nehmen. In ihrer Kombination hingegen wirken sie geradezu toxisch.
Erstens orientieren sich beiden Verfahren an einem "historischen Status quo". Also am Ergebnis von Entwicklungen, die die Konkurrenz bereits in der Vergangenheit umgesetzt hat und deshalb heute da steht, wo sie steht. Als Orientierender rennt man damit der Entwicklung hinterher und wird mit noch so grossen Anstrengungen die Vorbilder nie erreichen. Denn diese entwickeln sich in der Zwischenzeit natürlich auch weiter. Man wird also zum reinen Follower.
Zweitens – und das wirkt noch viel einschneidender – verstärken Benchmarking und Best Practice die Tendenz zur Ähnlichkeit und die Entwicklung zum Mittelmass und damit zur Austauschbarkeit innerhalb einer Branche. Sie sind eine wesentliche Ursache für den sogenannten "Overkill des Normalen" wie sich der Strategieberater Ralph Scheuss treffend ausdrückt. Die Strategie für IT-Anbieter darf aber gerade nicht in einer Gleichmacherei bestehen, sondern immer in einer klaren Differenzierung und damit einer nachhaltigen und sichtbaren Unterscheidung von der Konkurrenz. Insofern helfen Benchmarking und Best Practice also nicht weiter.
Natürlich verstehe ich den Drang zum Kopieren. Es ist deutlich weniger anstrengend und verlangt keine eigene Kreativität. Es bringt allerdings auch wenig bis nichts. Insbesondere gibt es den Kunden keine klare Antwort auf die im immer härter werdenden Wettbewerb entscheidende Frage "wieso sollen wir bei Ihrem Unternehmen kaufen und nicht woanders?" Nicht verwunderlich, wenn die Antwort vieler Anbieter dann in der Form von Preissenkungen besteht.
Selbstverständlich gehört ein solides Wissen über die Konkurrenz, ihre Produkte, Stärken und Schwächen, ihr Marketing und ihre Strategie zum notwendigen Rüstzeug einer professionellen Unternehmensführung. Es steht auch ausser Frage, dass man von anderen Unternehmen viel Gutes lernen kann und auch soll. Gedankenloses Kopieren darf aber dazu nicht gehören. In diesem Sinne lautet die erfolgreiche Formel vielmehr: Laufend eigene Innovationen kreieren, eine klare Differenzierung erarbeiten (Stichwort "Alleinstellung") und erst dann sparsam und selektiv kopieren. Allerdings darf man das nie dort tun, wo man mit seinem Unternehmen Massstäbe setzen oder sich vom Rest der Welt sichtbar unterscheiden möchte.
Urs Prantl (51) arbeitete über 20 Jahre als Softwareunternehmer in der Branche. Seit 2011 unterstützt er IT- und Softwarefirmen bei ihrer strategischen Ausrichtung mit Hilfe einer Alleinstellungspositionierung. Er äussert als Kolumnist für inside-channels.ch seine persönliche Meinung.