Prantl ist überzeugt: Visionen führen zum Erfolg

26. Mai 2014 um 11:59
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"Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen", sagte einst Helmut Schmidt. inside-channels.ch-Kolumnist Urs Prantl ist vom Gegenteil überzeugt.

"Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen", sagte einst Helmut Schmidt. inside-channels.ch-Kolumnist Urs Prantl ist vom Gegenteil überzeugt.
Ich bin davon überzeugt, dass visionslose Unternehmen nie nachhaltigen Geschäftserfolg erreichen werden. Denn in Unternehmen ohne Ziel und Plan – und davon gibt es nach wie vor jede Menge – wird im schlechtesten Fall Dienst nach Vorschrift geleistet ohne Motivation und Freude an der Arbeit. Im besten Fall wird bis zur Erschöpfung geschuftet nach der besten Manier von Anita Weyermanns "Gring ache u seckle", oder noch schlimmer: bis ins kollektive Burnout, welches natürlich die Inhaber oder das Management als erstes trifft. Auch wenn beide Fälle unterschiedliche Hintergründe haben und der zweite für die davon betroffenen Kunden meist der bessere ist (weil sie dann oft als Könige behandelt werden), für die visionslosen Unternehmen kommt es im Ergebnis auf dasselbe heraus. Sie hangeln sich von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, von Monat zu Monat, von Quartal zu Quartal und von Geschäftsjahr zu Geschäftsjahr. Die Resultate der Unternehmen (in Form von finanziellem Gewinn und vorgelagerten immateriellen Fortschritten wie etwa Steigerung der Sichtbarkeit in der Presse oder der Zunahme von Blindbewerbungen von Fachkräften) sind dann aber rein zufällig und selten dort, wo sie sich das Management und in die Inhaberschaft insgeheim wünschen.
Eben erst stellte ein IT-Unternehmer mir gegenüber wieder einmal resigniert fest: "Meine Vertriebspartner haben keinen Plan für ihre Zukunft."Eine ehrliche wie auch ernüchternde Feststellung, wie ich meine. Er wünscht sich Partner, die für ihr eigenes Unternehmen eine klare Vorstellung ihrer Zukunft entwickeln, sich einen Plan (wohl besser als Strategie zu bezeichnen) für dessen Realisierung zu recht legen und dann halt auch entsprechend selbstbewusst ihm gegenüber auftreten können. Im Gegenzug kann er sich darauf verlassen, dass seine Partner deutlich weniger Gefahr laufen, im operativen Tagesgeschäft zu ersaufen oder in Lethargie zu erstarren. Das erwünschte Resultat, und darauf zielt natürlich auch er langfristig ab, werden Partner mit deutlich mehr Umsatz und zufriedeneren Kunden sein. Er muss es wissen, denn er kennt beide Typen von Partnern in seinen Reihen und der Unterschied bei den Ergebnissen ist wirklich frappant.
"Aber wir haben doch eine Vision, sie steht auf unserer Website und in allen unseren Firmenpräsentationen", werden Sie jetzt möglicherweise widersprechen. Solche Visionen lauten dann beispielsweise: "Wir erstellen und betreiben engagiert für unsere Kunden IT-Infrastrukturen mit dem Ziel, ihr Geschäft optimal zu unterstützen" oder "Wir realisieren Kundenwünsche effizient, in hoher Qualität und erfolgreich". Solche Visionen sind aber alles andere als visionär. Sie sind kraftlos und inspirieren weder Mitarbeitende noch Kunden. Im Gegenteil, sie versuchen erstens Selbstverständlichkeiten wie "erfolgreiche Realisierung von Kundenwünschen" oder "Geschäft optimal unterstützen" als etwas Besonderes darzustellen und sie beschreiben zweitens keinen künftig zu erreichenden (visionären) Zustand, sondern verharren in der Gegenwart. Visionen nach diesem Strickmuster entstehen regelmässig in der Marketingabteilung oder im jährlichen "Strategie-Workshop"mit dem Auftrag "formulieren wir uns einen schön klingenden Spruch mit unseren Kunden im Mittelpunkt (und damit im Weg!), den wir als Vision deklariert überall verwenden können".
So funktioniert es aber nicht. Ohne intensive Beschäftigung mit Fragen wie "was ist unser Geschäft und was ist daraus abgeleitet unsere Existenzberechtigung?", oder "wer sind die zu uns passenden Kunden?", oder "welchen konkreten Nutzen stiften wir für unsere Kunden (besser als andere)?" und vor allem "wie unterscheiden wir uns sichtbar von unseren Mitbewerbern?" entsteht in aller Regel keine identifizierende und der Orientierung dienende Vision sondern eben nur hohles Marketing-Blabla.
"Visionen – alles Quatsch! Das Ziel unseres Unternehmens ist doch völlig klar. Wir wollen und müssen Geld verdienen, Punkt." Auch das höre ich gelegentlich. Wer das von sich gibt, verwechselt aber Ursache und Wirkung. Geld verdienen beziehungsweise finanzieller Erfolg ist nicht die Ursache, sondern stets nur die Wirkung davon, einiges richtig gemacht zu haben. Als primäres Ziel – und damit vor allem auch als Vision – taugt es aber definitiv nicht.
Dabei sollten wir doch alle wissen, wie es funktioniert. Wieso verkaufen sich sonst Bücher wie die Biografie von Steve Jobs (ein herausragender Visionär) oder die Gründungsstory von Google (ein Unternehmen mit grossartiger Vision) und viele andere Geschichten grosser IT-Visionäre wie Bill Gates, Jack Tramiel und Konsorten so gut? Weil wir alle ganz wild auf diese Storys sind, weil sie uns ein gutes – inspirierendes – Gefühl geben und weil uns da regelmässig vor Augen geführt wird, wie dauerhafter unternehmerischer Erfolg aufgebaut werden kann. Und genau hier liegt nämlich der Hase im Pfeffer.
Auch wir IT’ler sind eben emotionale Wesen, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht. Auch wir suchen und wünschen uns Orientierung und ein emotional aufgeladenes Ziel für unsere berufliche und unternehmerische Zukunft (das nennt man dann eine Vision). Einfach Überleben oder bestenfalls plus 5 bis 10 Prozent Umsatzwachstum pro Jahr alleine genügen langfristig als Motivationsquelle für Höchstleistungen nicht. Das ist bestenfalls "Ländlermusik"von der Dorfkapelle aber kein "Walkürenritt"von Wagner. Kommt hinzu, wer künftig die besten und cleversten Angestellten aus der Generation Y auf seine Reise mitnehmen will, der wird sich zwangsläufig zum Visionär entwickeln müssen. Denn ohne diese Leute wird ein erfolgreiches IT-Geschäft hierzulande nicht mehr möglich sein.
Achtung: Die in diesem Beitrag angesprochenen Unternehmen und ihre Beispiele sind natürlich frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit noch existierenden oder bereits aus dem Markt ausgeschiedenen Unternehmen ist nicht beabsichtigt und wäre rein zufällig. (Urs Prantl)
Urs Prantl (51) arbeitete über 20 Jahre als Softwareunternehmer in der Branche. Seit Ende 2011 unterstützt er IT- und Softwarefirmen bei ihrer strategischen Ausrichtung mit Hilfe einer Alleinstellungspositionierung. Er äussert als Kolumnist für inside-channels.ch seine persönliche Meinung.
Zeichnung: Ramona Stüssi

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