Der Kauf des BI-Spezialisten Business Objects für fast fünf Milliarden Euro bedeutet eine Kehrtwende in der Strategie von SAP. Die Börse ist verunsichert.
Noch am 19. September sagte SAP-Boss Henning Kagermann in einem Interview mit der deutschen 'WirtschaftsWoche', SAP brauche keine "Grossakquisitionen". ~~"Die Frage ist doch, warum wir eine Großakquisition brauchen sollten. Wir gewinnen weiter Marktanteile – und das, ohne 25 Milliarden Dollar für Zukäufe auszugeben. Wir verspüren keinen Zwang," sagte Kagermann Mitte September. Nun ist alles anders, denn der Kauf des Leaders im interessanten, weil wachsenden Markt für Analyse-Software für etwa 4,8 Milliarden Euro ist nichts anderes als eine "Grossakquisition".
Die Börse reagierte auf den Kurswechsel gestern ziemlich ungnädig. Der Kurs der SAP-Aktie stürzte zwar nicht gerade ab, sank aber doch um vier Prozent, was etwa zwei Milliarden Euro an theoretischem Wert von zwei Milliarden Euro "vernichtete". Heute erholte sich der Kurs wieder etwas.
Kommentatoren und die unvermeidlichen Analysten kritisieren, dass SAP Business Objects überzahle, da der BI-Spezialist eben erst die Erwartungen der Börse enttäuscht hat, dass SAPs Kehrtwende der Strategie eben zeige, dass der bisherige Verzicht auf grosse Übernahmen falsch gewesen sei. Und sie prophezeien dem deutschen ERP-Riesen Integrationsprobleme.
Andere halten dem entgegen, dass SAP anders als Erz-Konkurrenz Oracle die bisherige Führung von Business Objects an Bord halten und die übernommene Firma eine unabhängige Abteilung innerhalb SAP bilden werde, und es damit leichter fallen werde, bisherige Business-Objects-Kunden bei der Stange zu halten. Die Tatsache, dass BO viele Kunden betreut, die bisher keine Software von SAP einsetzten, wird vom deutschen ERP-Riesen übrigens ausdrücklich als einer der Gründe für die Übernahme aufgeführt.
Kagermann: "Wir mussten akzeptieren, dass wir beim 'Business User' nicht Markführer sind."
Kagermann gab an der gestrigen Pressekonferenz eine einigermassen überzeugende Antwort, warum SAP nun die bisherige Strategie, fast ausschliesslich "organisches" Wachstum aus eigener Kraft anzustreben, fallen gelassen habe. SAP habe als starker Marktführer im ERP-Umfeld gar keine innovativen Firmen übernehmen können. Das gleiche sei im Midmarket der Fall gewesen, wo kein potentielles Übernahmeziel die gleichen tiefen Branchenkenntnisse wie SAP gehabt hätten.
Beim "Business User", dem Manager also, der Analyse- und Prognose-Werkzeuge benützt, habe SAP akzeptieren müssen, dass andere die Marktführerschaft für sich beanspruchen konnten.
Es gibt gemäss Kagermann durchaus auch andere Geschäftsfelder, in denen die gleiche Konstellation zutreffe. Doch der Markt für BI-Werkzeuge sei weitaus der wichtigste gewesen, sagte Kagermann.
Überlappungen wegen Übernahmen
Andere Beobachter kritisieren an dem Deal, dass es nicht so wenig Überlappungen zwischen den Softwareportfolios von SAP und BO gibt, wie SAP glauben machen will. So übernahm SAP im Mai OutlookSoft, die auf Analysewerkzeuge für Finanzchefs spezialisiert ist. BO seinerseits kaufte nur einen Monat zuvor für 225 Millionen Euro Cartesis, die ebenfalls auf die Konsolidierung und Auswertung von Finanzdaten spezialisiert ist.
Ein Schlag gegen Oracle?
Kagermann wollte an der gestrigen Pressekonferenz keinen Zusammenhang zwischen der BO-Übernahme und der von Oracle inszenierten Aufkaufwelle zulassen. Trotzdem gibt es einen: Oracle hat nämlich beim Kauf
des BO-Konkurrenten Hyperion in diesem März ausdrücklich darauf hingewiesen, dass viele Hyperion-Kunden SAP einsetzten und man damit näher an diese rücke.
Umgekehrt stimmt dies aber auch: Viele Business-Objects-Kunden setzen nicht SAP sondern ein anderes ERP-System, beispielsweise eines aus dem Oracle-Stall ein. Bei diesen setzt SAP nun einen Fuss in die Türe. Und zwar in die des Finanzchefs und nicht des IT-Leiters. (Christoph Hugenschmidt)