Schweizer Vorzeige-Startup ist konkurs

28. Juni 2021 um 12:14
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Bestmile fokussierte auf das Management autonomer Fahrzeuge, aber fand in der Not keinen Käufer.

Bestmile, eines der vielversprechendsten Startups in der Romandie, ist laut einem Bericht in 'Le Temps' am Ende. Das auf autonome Fahrzeuge spezialisierte Unternehmen mit Sitz in Lausanne wird verschwinden. Vor zwei Wochen wurde die Bilanz deponiert und ein Sozialplan vorgelegt, so die Zeitung (Paywall).
Der EPFL-Spinoff war seit 2014 mit seiner Software an zahlreichen Projekten im In- und Ausland beteiligt, er hatte auch Preise und Investoren gewonnen. In Finanzierungsrunden wurden rund 30 Millionen Franken eingesammelt, darunter 2019 rund 16 Millionen Frischgeld.
Damit expandierte Bestmile nach San Francisco, London und Dubai und beschäftigte bis zu 60 Mitarbeitende. 28 Millionen Franken sind weg, die verbleibenden 2 Millionen US-Dollar sollen insbesondere für Löhne eingesetzt werden.
Strategische Fehler habe man keine gemacht, sagen die Gründer zu 'Le Temps'. Sie verweisen auf Corona als Ursache des Konkurses. "Die Pandemie hat alles auf brutalste Weise gestoppt", manche Kunden seien gar Konkurs gegangen, so ein Mitgründer. Keines der für das Jahr geplanten Grossprojekte sei realisiert worden. Im Vergleich zu den Einnahmen habe Bestmile in der Folge die notwendige Liquidität gefehlt, um bis zur Erholung der Märkte durchzuhalten.
Ein Stellenabbau von 15 Mitarbeitenden und Kurzarbeit hätten 2020 nicht genügt; zudem zogen sich Verhandlungen für eine Übernahme hin, weil mögliche Investoren sich für einen Entscheid laut einem Gründer 18 bis 24 Monate Zeit lassen wollten. 100 potenziell Interessierte hatte Bestmile laut Eigenangaben kontaktiert.
Währenddessen hatten die Digitalwirtschaftsexperten von 'Bilanz' mit 'Handelszeitung', 'Le Temps' und Digitalswitzerland das taumelnde Startup als Hoffnungsträger und einen Gründer als "Digital Shaper" gelobt.
Während Raphaël Gindrat auf ein Angebot in letzter Minute und Liquidität hoffte, listete die 'Bilanz' den CEO und Mitgründer gleichzeitig mit 10 bis 20 Millionen Franken Vermögen unter den 100 reichsten Schweizern und Schweizerinnen auf, die unter 40 Jahre alt sind.
Bestmile hat eine Software-Suite entwickelt, die es ermöglicht, um selbstfahrende Fahrzeuge zu managen. Sie ermöglichte Betreibern von autonomen Shuttles wie in Genf, Fribourg, Sion oder in Florida, aber auch Taxiflotten oder Autos mit Fahrer wie in Dallas oder Prag zu überwachen und zu verwalten.
Nun könnte die Software-Plattform des Startups, das hierzulande als Schweizer Flaggschiff der autonomen Fahrzeugindustrie wahrgenommen wurde, als Teil der Vermögenswerte von Bestmile verkauft werden.
Der Konkurs fällt zeitgleich zusammen mit der Meldung, dass Waymo frische 2,5 Milliarden Dollar einsammeln konnte, um das Geschäft mit selbstfahrenden Fahrzeugen und deren Management voranzutreiben.

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