St.Galler Gemeinden halten an VRSG-Finanzsoftware fest

21. September 2015 um 15:52
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Trotz Kritik an Beschaffung: 28 Gemeinden haben sich entschieden. Abacus ist "not amused" und will eine Beschwerde einreichen.

Trotz Kritik an Beschaffung: 28 Gemeinden haben sich entschieden. Abacus ist "not amused" und will eine Beschwerde einreichen.
Die meisten St.Galler Gemeinden wollen, trotz Kritik am Beschaffungsvorgang, eine an das neue Rechnungslegungsmodell RMSG angepasste Finanzsoftware von ihrem bisherigen Lieferanten, der Verwaltungsrechenzentrum AG St. Gallen (VRSG), beziehen. 28 dieser Gemeinden, darunter auch die Stadt St.Gallen, haben heute auf simap.ch entsprechende Zuschläge für ein Update ihrer Finanzsuite publiziert. Die Zuschläge erfolgten in einem freihändigen Verfahren und gingen alle an die VRSG. Eine öffentliche Ausschreibung für das Projekt gab es nicht.
Aus den Zuschlägen ist ersichtlich, was diese Gemeinden für die Software bezahlen. Bei den kleineren geht es um Beträge zwischen rund 40'000 und 60'000 Franken pro Gemeinde und Jahr. Bei grösseren sind es rund 80'000 bis 120'000 Franken. Insgesamt kommt ein Auftragswert von knapp 1,9 Millionen Franken pro Jahr zusammen.
Dies dürfte aber nicht alles sein: 74 Gemeinden im Kanton St.Gallen sind Kunden der VRSG und gehören auch zu den Aktionären des IT-Dienstleisters. Zumindest die meisten von ihnen dürften ebenfalls die Finanzsoftware des VRSG beziehen. Wie viele es genau sind, konnten wir heute aber nicht eruieren.
Die St.Galler Gemeinden müssen im Jahr 2018 ein neues Rechnungslegungsmodell einführen. Die vorhandene Lösung 'FI' der VRSG muss daher durch eine angepasste Software abgelöst werden. "Aufgrund der zahlreichen Schnittstellen zu den weiteren Applikationen im bereits vorhandenen IT-System", heisst es in der Begründung des Zuschlagsentscheids, komme "aus technischen Gründen nur das Finanzlösungssystem 'Finanzsuite (FIS)' der VRSG in Frage." Deshalb hätten sich die Gemeinden dazu entschlossen, die Beschaffung freihändig durchzuführen.
Abacus will sich weiter wehren
Es gibt aber einen Gegenspieler, der diese Beschaffung mit aller Macht verhindern möchte: Den St.Galler ERP-Softwarehersteller Abacus Research. "Abacus wird sich im Interesse aller IT-Dienstleister für einen fairen Wettbewerb einsetzen. Im Fall der aktuellen Vergaben der Gemeinden im Kanton St. Gallen wollen wir diese mit allen Mitteln unterbinden. Es ist wahrscheinlich, dass wir deshalb beim Verwaltungsgericht eine Beschwerde einreichen", erklärte der Abacus-Chef Claudio Hintermann gegenüber inside-channels.ch.
Die Begründung für die freihändige Vergabe ist der Meinung von Abacus nach "haltlos." Schnittstellen seien "keine relevante Hürde" für eine Software, schreibt das Unternehmen in einer Pressemitteilung. Genau dies habe man aber nicht zeigen können, weil es kein Vergabeverfahren gab und andere Anbieter keine Offerte einreichen konnten. In einem solchen Verfahren hätte man auch zeigen können, dass die heutigen Preise der VRSG überhöht seien, so Abacus. Ein Vergleich zeige, dass die St.Galler Gemeinden Produkte kaufen würden, die zwei- bis dreimal teurer seien als "bewährte Produkte auf dem Markt".
Als Schweizer Softwareproduzent sei man "nicht mehr gewillt, hinzunehmen, dass die öffentliche Hand erfolgreiche Schweizer Unternehmen systematisch vom Wettbewerb ausschliesst" und ohne Ausschreibung Software beschaffe, welche "nota bene von ausländischen Firmen stammt". Mit der letzten Bemerkung bezieht sich Abacus darauf, dass die VRSG-Lösung auf Microsofts ERP-Software Dynamics NAV basiert.
Dies ist die gleiche Beschaffung, um die es auch im bereits laufenden Gerichtsstreit zwischen dem Abacus und vier St. Galler Gemeinden geht. (Hans Jörg Maron)
(Interessenbindung: Abacus ist ein wichtiger Werbekunde unseres Verlags.)

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