

transtec "definitiv kein Distributor mehr"
6. Oktober 2010 um 14:38Hat der deutsche High-End-Assemblierer transtec noch ein Zukunft? transtec-CEO Hans-Jürgen Bahde erklärt seine Strategie im Exklusiv-Gespräch mit inside-channels.ch.
Hat der deutsche High-End-Assemblierer transtec noch ein Zukunft? transtec-CEO Hans-Jürgen Bahde erklärt seine Strategie im Exklusiv-Gespräch mit inside-channels.ch.
Der deutsche Highend-Hersteller transtec blickt auf eine bewegte aber mitnichten immer erfolgreiche Vergangenheit zurück. Seit einem Jahr ist mit Hans-Jürgen Bahde ein neuer CEO am Ruder
Die Strategie des Anbieters blieb aber, zumindest in unseren Augen, unklar. transtec-Chef Hans-Jürgen Bahde (Foto), stellte sich zusammen mit dem Verantwortlichen für die Schweiz, Rainer Scherf, den Fragen von inside-channels.ch.
transtec verkündet seit Jahren immer wieder mal eine neue Strategie. Vor 2004 wollte man Distributor sein und betrieb eine Online-Beschaffungsplattform und 2006 kaufte transtec einen deutschen PC-Assemblierer. Was ist trantec heute? Ein HPC-Spezialist? Ein Serverhersteller? Ein PC-Hersteller? Verkaufen Sie direkt oder indirekt?
Hans-Jürgen Bahde: Ich bin zwar erst seit einem Jahr dabei aber transtec existiert schon seit 30 Jahren. Das ist an sich schon bemerkenswert, denn so viele Firmen gibt es in unserer Branche nicht, die 30 Jahre überlebt haben. transtec ist ein traditionsbewusstes Unternehmen, das meistens High-Performance-Systeme und IT-Komponenten über Kataloge verkaufte. Wir waren ein Unternehmen, das über einen Distributionsansatz branchenübergreifend Informationstechnologie verkauft hat, wobei unser Sortiment immer breiter geworden ist. Ein Marktschwerpunkt ist der Forschungs- und Entwicklungsbereich öffentlicher bzw. industrieller Unternehmen. So ist beispielsweise jede zweite Universität in Europa Kunde von uns.
So ist unser Unternehmen gewachsen. Von Zeit zu Zeit kamen neue Vorstände in unser Unternehmen, die sagten, es gäbe eine neue Strategie. Ich sage das nicht, sondern ich spreche von einer Repositionierung und Konzentration auf unsere Stärken.
Auf der einen Seite haben wir Stärken im Markt und wir haben Lösungen, die historisch immer mit High Performance zu tun haben. Dazu gab es einen grossen Bauchladen. Das alles wurde mit einem Multichannel-Ansatz vertrieben, da wir in Deutschland die Marke Lynx ja nur über Fachhandelspartner verkaufen. Das habe ich vorgefunden.
Und was sind nun die neuen Pläne?
Hans-Jürgen Bahde: Zuerst stellten wir uns die Frage, was uns mit dem Kunden verbindet. Also machten wir eine Kundenumfrage und fragten, wie uns die Kunden sehen. Als Dienstleister, Hersteller, Distributor oder Systemintegrator. Mit grossem Abstand sagten die Kunden, sie sähen uns als Hersteller und Lösungsanbieter - viel weniger als Distributor, Reseller oder Systemintegrator. Also wollen wir die Erwartungen der Kunden erfüllen und uns als Lösungsanbieter und Hersteller stärker positionieren.
Ein grosses Problem war immer, dass wir ein grosses Portfolio hatten. Und man versuchte immer wieder, mehr ins Dienstleistungsgeschäft hineinzugehen. Doch unser Dienstleistungsanteil hält sich sehr in Grenzen. Wenn man die Zahlen wohlwollend betrachtet, machen wir maximal 15 Prozent des Umsatzes mit Services. Wenn man es nüchtern anschaut, muss man zugeben, dass unsere Dienstleistungsstrategien in der Vergangenheit nicht wirklich umgesetzt werden konnte.
Unsere Repositionierung muss mit unserem Portfolio zu tun haben und dem Margenzerfall entgegentreten. Wir sind also definitiv kein Distributor mehr. Wir wollen nicht mehr vom Lager aus an Kunden und Reseller verkaufen. Allerdings machen wir das Geschäft dort, wo es existiert, weiter, denn wir können uns nicht leisten, einfach 40 Prozent unserer Kunden über Bord zu kippen. Auch das PC-Geschäft wird behalten, denn 26 Prozent der Roherträge kommen vom PC-Geschäft.
Nun gehen wir eine Wette ein: Wir glauben, dass Performance und Effizienz auch für mittelständische Unternehmen noch wichtiger werden. Wenn ich von Effizienz bei Hardware spreche, spreche ich nicht nur von Energieaufnahme, sondern auch von Grösse, Wärmeentwicklung und ähnlichem. Wenn ein Kunde von uns Lösungen kauft, werden diese in Zukunft immer mit Performance, Effizienz und Zuverlässigkeit zu tun haben.
"Mit Commodity verdient man kein Geld mehr"
Mit Commodity und Lagerabverkäufen verdient man kein Geld mehr. Deshalb wollen wir weg von Standardprodukten. Wenn es eine Strategieänderung bei transtec gibt, dann die Differenzierung durch Individualisierung. Wir verkaufen keine Massenware, sondern Produkte mit minimal vorgedachter Konfiguration. Dasselbe macht auch Lynx. Wir bauen Systeme ausschliesslich auftragsbezogen im "to-order"-Prinzip. Also configured-to-order, built-to-order oder sogar engineered-to-order. Am liebsten entwickeln wir individuelle Systeme nach Kundenanforderungen.
transtec wird im Direktvertriebsansatz das Portfolio selbst vermarkten, insbesondere im Bereich Forschung aber auch in der Privatwirtschaft, wo es sehr hohe Anforderungen gibt. Wir wollen insbesondere Mitarbeiter in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen produktiver machen.
High-Performance für alle
Wir gehen davon aus, dass High-Performance immer mehr auch im Mittelstand gefragt sein wird. Es wird eine Industrialisierung des High-Performance-Computing gehen. Versicherer brauchen beispielsweise HPC-Systeme oder Mittelständler, die eine zerstörungsfreie Simulation eines Produktes machen wollen. Man kann sich vorstellen, dass bei Versicherungen kleine, leise und hochperformante Cluster unter dem Tisch stehen werden. Deshalb sind wir auch eine Partnerschaft mit Cray eingegangen.
Wir wollen mit einem Engineering-Ansatz arbeiten, wo wir für den Kunden genau auf seine Ansprüche passende Systeme bauen, beispielsweise für die Medizintechnik oder Rechner für Abgasmessysteme von Bosch. Aber auch ein mittelständischer Kunde, der sehr rasch 30 virtualisierte PCs für einen Standort benötigt, findet bei uns das passende Know-how.
Lynx wird in Zukunft das Produkthaus sein. Dort werden Einkauf, Produktion und Logistik gebündelt. Es werden also viele Mitarbeiter von transtec zu Lynx gehen. Lynx hat eine indirekten Vertriebs-Ansatz. Bisher gab es das nur in Deutschland, zukünftig aber in ganz Europa, auch in der Schweiz. Wenn es nur um das Konfigurationsgeschäft geht, werden wir Partnerlandschaften aufbauen. Lynx wird rechtlich von transtec getrennt sein, ist aber eine 100%-Tochter der transtec.
In Deutschland treten wir im indirekten Markt als Lynx auf, in der Schweiz wird das Multichannel-Modell aber unter dem Namen transtec umgesetzt. Wir wollen hier 20 bis 30 Partner finden, die unsere Produkte im Bereich High-Performance und Virtualisierung vermarkten. Wir wissen, dass wir uns in einer Nische bewegen - aber in einer wachsenden. Microsoft und Intel tun alles, um High-Performance-Computing auch in den Mittelstand zu bringen.
Ab wann werden Sie in der Schweiz mit Lynx auf Partnersuche gehen?
Hans-Jürgen Bahde: Wir beginnen in Österreich und Belgien und haben dort schon Partner identifiziert. Bis Ende nächstes Jahr wollen wir in allen Ländern gestartet haben. Dabei wollen wir sehr umsichtig und transparent vorgehen, um Channelkonflikte weitestgehend zu vermeiden.
transtec ist im Grunde genommen aber doch ein Assemblierer und diesen geht es gar nicht gut. Gerade letzte Woche wurde die ehemalige Nr. 1 im Schweizer Assemblierer Markt, Rotronic Micro, verkauft. Ihr Geschäft wird damit immer härter und sie müssen in der Wertschöpfungskette nach oben klettern. Wie?
Hans-Jürgen Bahde: Auch Lynx wird vermehrt konfigurierbare Lösungen ausliefern. Dabei werden wir erstmals auch branchenspezifische Systeme für den Healthcare-Markt anbieten. Neu zum Beispiel emissionsfreie, virtualisierte Clients für Operationssäle, die wir für einen Partner bauen. Das ist ein vertikaler Markt, in den wir gehen. Auch transtec arbeitet für Siemens Medical. Das ist ein Markt, auf den wir uns in Zukunft verstärkt fokussieren werden.
Wie weit sind sind sie mit der Umsetzung der neuen Strategie. Das erste Halbjahr von transtec war ja trotz guter Konjunktur nicht umwerfend.
Hans-Jürgen Bahde: Ich freue mich auf die Veröffentlichung der Q3-Zahlen. Wir sind in allen wesentlichen Kennzahlen bedeutend stärker als der Branchendurchschnitt gewachsen.. Einer der Haupttreiber dafür ist die Schweiz. Die Schweizer Niederlassung brummt und wir stellen ein. Ich bin sehr zufrieden. Letztes Jahr waren die Ergebnisse hier sehr enttäuschend, aber jetzt führt transtec Schweiz die Gruppe an.
transtec baut seit 2007 jedes Jahr Stellen ab. Auch im laufenden und nächsten Jahr?
Hans-Jürgen Bahde: Nein. Wir wachsen wieder - auch im Headcount. In der Schweiz wachsen wir am schnellsten.
Wird es für den indirekten Vertrieb ein Partnerprogramm gehen, in dem klare Regeln definiert sein werden? Wird es beispielsweise Dinge wie Deal-Registrierung geben?
Reiner Scherf: Wir sind eben daran, das Partnerprogramm auszuarbeiten und es dann an die einzelnen Ländern anpassen. Sicher werden wir auch Möglichkeiten wie Coop-Marketing-Gelder und ähnliches anbieten. Zuerst werden wir es in Österreich und Belgien lancieren und dann aber rasch auch in der Schweiz. Ich denke im 1. Quartal 2011 werden wir soweit sein.
Cloud Services für Cluster
Dazu kommen neuartige Dienstleistungen. Wir werden in Zukunft "Cloud Services" für HPC-Lösungen anbieten. Ein Beispiel: Ich war jüngst in einer Universität, die ein Cluster bestellen und den im Dachboden mitten unter Wasserrohren und anderem aufstellen will. In der einfachsten Form werden wir zuerst Facility-Services anbieten, später werden wir - wenn wir sehen, dass der Markt funktioniert - Cluster, respektive Teile von Clustern auch vermieten. Ausserdem könnten wir ungenützte Teile von Clustern, also zum Beispiel 2000 von 10'000 Knoten von Universitäten an andere Nachfrager vermieten. In diesen Markt wollen wir als einer der ersten Anbieter reingehen.
Es gibt eine Reihe von Universitäten, die immer wieder neue Cluster anschaffen. Denen wollen wir Lösungen nach dem Muster "nutzen statt besitzen" beziehungsweise "mieten statt kaufen" anbieten. (Interview: Christoph Hugenschmidt)
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