

Turi Mast: Alles oder nichts (part II)
8. Mai 2014 um 08:00Folge 29 (von 52) des weltweit ersten Fortsetzungsromans aus der unterschätzten Welt des Schweizer E-Governments.
Was bisher geschah: Turi Mast ist externer Programmleiter von "welcome_Citizen". Das E-Gov-Projekt ist ausgeufert und das Departement will es los werden. Schmürzeler und Weininger bedrohen Turis Existenz. Der zweite Bericht aus der alles entscheidenden Sitzung.
Schmürzeler will nicht aufgeben, doch Turi kann eine weitere Wortmeldung knapp verhindern. Er versucht, den Ball dem Direktionsvorsteher weiter zu geben. Gut, dass dieser ihn annimmt.
Direktionsvorsteher: "Liebe Alle. Zunächst möchte ich Turi mein Vertrauen aussprechen. Es ist ihm zu verdanken, dass es mit welcome_Citizen überhaupt so weit gekommen ist und wir da stehen, wo wir heute sind. Auch Zbinden gebührt mein Dank für sein wohlüberlegtes Votum. Auch wenn das Programm heute auf der Kippe steht und wir noch nicht sehen, wie es weiter gehen soll, sind wir uns von der Direktionsseite her bewusst, dass wir dieses Projekt wollen und dass wir durch das Projekt auch eine erfreuliche Entwicklung als Verwaltungseinheit genommen haben. Nochmals Turi, herzlichen Dank, was du geleistet hast." Turi jubelt innerlich. Schmüri ist enthauptet. Turi bedankt sich beim Direktionsvorsteher und übergibt das Wort Sybille.
Sie übernimmt fliessend. Turi geht innerlich die Dramaturgie der Sitzung nochmals durch. Er will sicher sein, dass Sybille allen klar macht, dass das Projekt in seinen Händen ist, auch wenn es zunehmend über die Direktionsgrenze hinaus geht. Es gibt keinen in der ganzen Verwaltung, der unterdessen ein so profundes Know-how zur Materie hat, wie er. Turi ist quasi zum Zu-, Um- und Wegzugs-Experten geworden. Ein neuer Programmleiter hätte wohl mehr als ein halbes Jahr gebraucht, bis er so tief in der Materie drin gewesen wäre, denkt Turi und beruhigt sich so selbst.
Nach Sybilles Ausführungen zum Verlauf der Projekt- und Programmentwicklung übernimmt Turi wieder und stellt die Ergebnisse aus dem Audit der Firma Neid und Magenbitter vor: "Erstens: Die Projekte des Programms welcome_Citizen müssen auf ihre Abhängigkeiten hin überprüft werden. Zweitens: Ressourcen der Gesamtverwaltung sind zu allozieren, um den Zu-, Um- und Wegzugs-Service zu realisieren. Drittens: Die Priorisierung der Vorhaben muss neu vorgenommen werden und zwar so, dass eine Parallelisierung möglich wird. Beispielsweise muss ein landesweites, vertrauenswürdiges Identitätsmanagement aufgebaut werden, das überhaupt elektronische Transaktionen über mehrere Verwaltungseinheiten hinweg zulässt. Viertens: Stark zu fordern ist eine Bürgerinnen- und Bürger-zentrierte Implementierung des Services, welche die Transaktionsabwicklung faktisch idiotensicher macht. Sie verstehen, Usability ist das Stichwort …" Turi endet und fragt, ob es Fragen gibt.
Es meldet sich Weininger vom Steuerungsorgan. Turi gibt ihm das Wort.
Weininger: "Ja meine sehr geschätzten Damen und Herren. Ich war schon immer der Meinung, dass das Vorhaben nicht alleine von ihrer Direktion getragen werden kann. Ich denke, dass es auch gescheiter ist, wenn wir das Vorhaben zu uns transferieren und damit eine zentrale Steuerung über Kanton und Gemeinden sicherstellen. Ich gebe gerne zu, dass mir die aktuelle Positionierung und organisatorische Aufhängung des Programms nie ganz einleuchtete..."
Mast kehrt es fast den Magen. Er hat Weininger noch nie gemocht und hat trotz mehreren Versuchen, ein Projekt bei ihm zu erhalten, noch jedes Mal den Kürzeren gegen die Konkurrenz gezogen. "Das darf doch nicht wahr sein", seufzt er innerlich auf. Hilfesuchend blickt er in die Runde und bleibt mit seinem Blick am Direktionsvorsteher hängen. Dieser erwidert den Blick und Turi lanciert ihn erneut.
Direktionsvorsteher: "Geschätzter Herr Weininger. Natürlich kann ich ihrer Argumentation folgen und begreife auch, dass wir hier unterschiedliche Vorstellungen haben, wie ein Programm aufzusetzen ist und von wem es geführt wird. Ich meine indes, es gibt verschiedene Gründe, die letztlich für eine Beheimatung der Gesamtprogrammleitung in unserer Direktion sprechen: Erstens: Die betroffenen zentralen Register sind in unserer Direktion. Zweitens: Die Expertise ist auf unserer Seite. Wir geben die auch nicht aus den Händen. Drittens: Wir haben hier ein eingespieltes Team, das wir dem Steuerungsorgan des Kantons auch gerne ausleihen, um das Programm im erweiterten Umfang zu managen."
Turi hat so seine Bedenken. Er befürchtet, dass wieder einer dieser Diadochenkämpfe losgeht, in denen er in der Vergangenheit als Auftragnehmer gelegentlich auch den Kürzeren gezogen hat. Aber des Direktionsvorstehers Worte kommen an. Weininger will nochmals reden. Er gibt dem Direktionsvorsteher grundsätzlich Recht. Er könne damit leben. "Nur eins noch", sagte Weininger, "ich gebe meine Ressourcen nicht einfach zu Händen ihrer Direktion frei, habe aber realisiert, dass sie bereit sind, ihre Ressourcen einem grösseren Ganzen zur Verfügung zu stellen."
Nun ist der Zeitpunkt zu Versöhnung gekommen. Mast, salbungsvoll: "Ja, Herr Weininger. Ich denke, meine Maximen aus früheren E-Government-Projekten haben auch hier Gültigkeit: Miteinander – E-Government bedeutet Vernetzung, die an den Grenzen der Verwaltungseinheiten nicht Halt macht. Füreinander – Vielleicht muss man zu Beginn auch (Ressourcen-)Opfer für andere bringen – dies müssen wir fördern. Durcheinander – Wir helfen uns gegenseitig auf dem Weg zum E-Government. E-Government ist ein Vernetzungs- und Veränderungsprozess und bestehende Grenzen der Verwaltung werden aufgebrochen."
Dagegen kann Weininger beim besten Willen nicht mehr anstinken. Turi seufzt innerlich auf und klopft sich geistig auf die Schulter. Die Gefahr ist gebannt. Nur vorläufig?
(Der Autor Franz Ochsenbein ist ehemaliger IT-Leiter eines Strassenverkehrsamts und späterer Vice President Buiness Development Public Affairs in der Berner Filiale eines internationalen IT-Dienstleisters. Heute betreibt er den Pedalo-Verleih in Usserprägel am Wohlensee und schreibt nebenbei Kioskromane.)
Für alle, die nachträglich in die Lektüre einsteigen wollen, führen wir hier die Links zu den bisher publizierten Folgen auf:
Folge 1: WorkshopitisIn einem Workshop zum Projekt welcome_Citizen wird rasch klar, dass es schief läuft. Kann Projektleiter Turi Mast das Sozialleben der Projekt-Mitarbeiter retten?
Folge 2: Der Bericht zum Abschluss (des Vorprojekts)Während Mast noch am Abschlussbericht des Vorprojekts arbeitet, lässt Projektassistentin Sybille die Bombe platzen. Ein Controller hat massive Kostenüberschreitungen entdeckt. Betrug?
Folge 3: Belege, Belege, BelegeGeneralsekretär Matter macht Druck auf Mast. Dieser entdeckt tatsächlich Unregelmässigkeiten und braucht nun mehr Zeit für den Projektabschlussbericht.
Turi Mast muss Generalsekräter Matter von den Unregelmässigkeiten berichten - aber so, dass es nicht allzu schlimm klingt. Eine Gratwanderung.
Turi ist ausgebrannt, da kommt ein Wochenende ohne Frau und Kind gerade recht. Was bahnt sich da mit Projektassistentin Sybille an?
Folge 6: Sitzen, sitzen, sitzen.Turis Schifflein welcome_Citizen droht an der Klippe Spirig zu zerschellen. Berger geht in die Knie, Turi muss eingreifen.
Folge 7: Idioten und BefehlsverweigererDie Krise im Projekt welcome_Citizen spitzt sich zu. Kritiker Spirig und Konsorten treiben nun auch Turi in die Enge.
Folge 8: Liebes-Ritt auf dem NervalAuch das noch! Mitten in der bisher schwierigsten Phase des Projekts welcome_Citizen geht Turi mit Projektassistentin Sybille wandern. Wenn's nur das wäre...
Folge 9: Make it or break itWelcome_citizen droht endgültig zu scheitern. An endlosen Sitzungen tauchen immer mehr Probleme auf und der Widerstand wird stark und stärker. Da hat Mast eine geniale Idee. Und kommt damit durch.
Folge 10: Troubles, mehr TroublesWelcome_citizen wird in viele Teilprojekte aufgespalten, Turis Bonus ist gerettet. Doch nun droht Ungemach von einer anderen Seite. Die Sache mit den falschen Abrechnungen im Vorprojekt holt Turi wieder ein.
Folge 11: AusmistenTuri, der Controller und Sybille müssen bei Generalsekretär Matter antanzen. Nun zeigt sich, warum aus Matter ein Top-Beamter geworden ist.
Folge 12: Krieg an allen FrontenTuris Frau Christine hat Lunte gerochen und stellt ihren untreuen Ehemann zur Rede. Das kann nicht gut gehen.
Folge 13: Die Falle schnappt zuTuri und die hohen Tiere des Departements knöpfen sich die Übeltäter vor, die im Vorprojekt mit falschen Abrechnungen agiert haben.
Folge 14: Pitstop im FrohsinnNach der harten Sitzung mit den Übeltätern aus dem Vorprojekt erholen sich Sybille und Turi im Frohsinn. Wird ihre Beziehung weitergehen?
Folge 15: Das AuditDas Projekt welcome_Citizen wird einem erbarmungslosen Audit unterzogen. Turi (und die Leser) lernen viel.
Folge 16: Liebesleben und IT-Governance: Mit dem Schwung der Verliebtheit in Sybille gelingt es Mast, "welcome_Citizen" neu zu stukturieren und die Verantwortungen neu zu verteilen. Aber die Ehe mit Christine ist definitiv Vergangenheit.
Folge 17: Sand im Getriebe: Es will nicht so recht vorwärts gehen mit den Teilprojekten bei "welcome_Citizine". Turi macht Dampf.
Folge 18: Ärger, noch mehr Ärger. Turi schäumt. Obwohl er ein vernünftiges Projektcontrolling aufgesetzt hat, hetzt ihm der Departementsvorsteher die Finanzkontrolle auf den Hals.
Folge 19: Ein Tag wie jeder andere. Endlich kommt ein bisschen Licht in die Sache. Turi ist nämlich nicht nur Projektleiter bei OneMoreProject, sondern heimlich auch an anderen IT-Dienstleistern beteiligt. Gemeinsam offeriert es sich besser...
Folge 20: So geht das. Wie man den Staat bei IT-Ausschreibungen betrügt. Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung samt Ittinger Klosterbräu im Frohsinn.
Folge 21: Oder doch lieber Follenzucht? Turi macht einen Tag blau und eine lange Jurawanderung ganz alleine. Etwas muss anders werden in seinem Leben. Sybille ein Kind machen? Forellenzüchter werden?
Folge 22: Der Abend am See. Turi hat sein ganzes Leben in einer langen Wanderung im Jura in die Frage gestellt. Auf dem Heimweg trifft er Sybille.
Folge 23: Stakeholder managen. In der Direktion herrscht Unsicherheit. Man lässt Turi antanzen. Dieser kann sich noch einmal herausreden.
Folge 24: Mehr Workshop. Mehr Workshop! Sein Programm ist definitv in Gefahr. Business-IT-Alignment ist gefragt - und dafür ein Workshop.
Folge 25: Schmürzelers Aufstand. An einem endlosen Workshop versucht Turi, den (Chef-)Beamten einzuprügeln, dass ohne Business-IT-Alignment nichts geht. Bis Schmürzeler der Kragen platzt.
Folge 26: Anything goes. Matter erhöht den Druck auf Turi massiv. Doch was solls? Das Leben mit Sybille ist schön.
Folge 27: Neid und Magenbitter. Die Herren der Beratungsfirma Neid und Magenbitter kommen nach einem weiteren Audit zu einem klaren Schluss: Das Programm gehört nicht in den Kanton. Masts Existenz ist jetzt bedroht.
Folge 28: Alles oder nichts (part I). Gelingt es nach der vernichtenden Kritik von Neid & Magenbitter das Projekt zu retten? Wie ein Löwe kämpft Turi an der alles entscheidenden interdepartementalen Sitzung.
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