Versäumnisse in der Luzerner Kantons-IT

1. Juni 2015 um 14:12
  • e-government
  • kanton
  • luzern
  • informatik
image

Proxyserver zu spät eingesetzt und eine mit Beschaffungen überforderte Dienststelle: Zwei Berichte durchleuchten die kantonale Informatik-Abteilung. Die Regierung gelobt nun Besserung.

Proxyserver zu spät eingesetzt und eine mit Beschaffungen überforderte Dienststelle: Zwei Berichte durchleuchten die kantonale Informatik-Abteilung. Die Regierung gelobt nun Besserung.
In der von Affären geplagten Informatikabteilung der Luzerner Verwaltung ist die Führung und Kontrolle nicht immer ausreichend gewesen. Zu diesem Schluss sind zwei Administrativuntersuchungen gekommen.
Der Regierungsrat werde der IT künftig generell mehr Beachtung schenken, sagte Regierungspräsident Reto Wyss am Montag nach der Vorstellung der beiden Berichte. Das zuständige Departement hätte gewissen Projekte enger begleiten und besser kontrollieren sollen und auch entschlossener reagieren müssen. Es seien Fehler gemacht worden, es seien aber auch Fehler erkannt und behoben worden.
Die beiden Administrativuntersuchungen betrafen die Dienststelle Informatik. Eine der Untersuchungen hatte der Regierungsrat im März in Auftrag gegeben, nachdem dem zuständigen Regierungsrat Marcel Schwerzmann vorgeworfen worden war, eine übermässige private Nutzung des Internets durch die Staatsangestellten nicht konsequent genug angegangen zu sein.
Bei der anderen, im November 2014 in Auftrag gegebenen Untersuchung ging es um Verfehlungen zwischen 2009 und 2011. Der damalige Dienststellenleiter soll gegen das Beschaffungs- und Kreditrecht verstossen haben. Dieses Verfahren ist beim Kriminalgericht hängig. Die Regierung wollte wissen, ob die Verhältnisse in der Dienststelle diese mutmasslichen Straftaten begünstigt hätten.
Die Administrativuntersuchung zu den Jahren 2009 bis 2011 kam zum Schluss, dass damals ein "instabiles Umfeld" geherrscht habe. Damals musste die Dienststelle Informatik teils grosse Projekte, wie die Zentralisierung der kantonalen Informatik, abwickeln.
Überforderung
Die Dienststelle sei mit beschaffungs- und kreditrechtlichen Fragen überfordert gewesen, heisst es im Bericht. Die Kontrolle habe nicht den heutigen "Reifegrad" gehabt. Zudem habe die Dienststelle mit der Einführung der Wirkungsorientierten Verwaltung (WOV) mehr Freiheiten erhalten.
Der Bericht kommt aber auch zum Schluss, dass die Vorschriften zum Beschaffungs- und Kreditrecht von der Dienststelle grösstenteils eingehalten worden seien. Zudem hätten die vom Regierungsrat und vom zuständigen Departement ergriffenen Massnahmen Wirkung gezeigt.
Im Bericht zur Internet-Nutzung der Staatsangestellten wird derweil festgestellt, dass es mehr als drei Jahre gedauert habe, bis der neu angeschaffte Proxyserver heikle Webseiten gesperrt habe. Es habe technische Schwierigkeiten gegeben. Niemand innerhalb der Dienststelle habe sich verantwortlich gefühlt, und es habe an einer konsequenten Führung gefehlt.
Dynamische Entwicklung
Der für die Informatik zuständige Finanzdirektor Schwerzmann spricht von "einzelnen Stolpersteinen", die nicht rechtzeitig erkannt worden seien. Er weist darauf hin, dass sich die Informatik in den letzten Jahren stark entwickelt habe und kein Stein auf dem anderen geblieben sei. Diese Entwicklung gehe weiter, weshalb Führung, Kontrolle, Risikomanagement und Information wichtige Themen blieben.
Angesprochen wurde auch die Frage, ob, als die Internetnutzung der Staatsangestellten analysiert worden ist, der Datenschutz verletzt worden sei. Regierungspräsident Wyss sagte, diese Analyse sei nicht ganz unproblematisch gewesen. Für weitere Kontrollen bestehe Überprüfungs- und Handlungsbedarf.
Oberaufsicht kritisiert Regierungsrat
Die Aufsichts- und Kontrollkommission kritisiert nach der Publikation der Berichte zu den Verhältnissen in der Dienststelle Informatik und zur Analyse der Internet-Nutzung in der Luzerner Verwaltung Regierungsrat Marcel Schwerzmann. Sie wirft ihm Führungsschwäche vor.
Im regierungsrätlichen Bericht fehlt der Aufsichts- und Kontrollkommission (AKK) des Luzerner Kantonsrats eine kritische Wertung der Zielsetzung und des Vorgehens der Analyse des Internetverhaltens. Dies teilte die Parlamentarische Oberaufsicht am Montag mit.
Die AKK stellte fest, dass die Internet-Nutzungsanalysen "ohne Konzept" durchgeführt worden seien, schreibt sie. Die Ergebnisse seien mangelhaft ausgewertet und nicht diskutiert worden.
Der Departementsvorsteher Marcel Schwerzmann habe die Situation falsch eingeschätzt und seine Aufsichtspflicht mangelhaft wahrgenommen. "Die AKK wertet dies als Zeichen der Führungsschwäche" schreibt sie.
So empfiehlt die AKK dem Regierungsrat "unverzüglich" verschiedene Massnahmen einzuleiten. Unter anderem soll die Verordnung über die Benutzung von Informatikmitteln überarbeitet werden und künftig sollen sämtliche Internet-Nutzungsanalysen gegenüber dem Personal kommuniziert werden.
Weiter ist die AKK der Meinung, dass sich der Gesamtregierungsrat während der medialen Berichterstattung zur Internet-Nutzungsanalyse zu wenig für das Personal der kantonalen Verwaltung eingesetzt habe.
Kantonale Vergleiche zeigten, dass das Luzerner Staatspersonal sehr kompetent sei und effizient arbeite, schreibt die AKK. In den Medien sei das Personal aber landesweit mehrfach verunglimpft worden. "Dies schadete wohl dem Image des Kantons, für die Staatsangestellten war es aber auch unangenehm und verletzten", hält die AKK weiter fest.
AKK findet Massnahmen zu wenig umfassend
Weiter beurteilt die AKK die von der Regierung in Aussicht gestellten Massnahmen im Zusammenhang mit dem zweiten Bericht zu den Verhältnissen in der Dienststelle Informatik als zu wenig umfassend.
Der festgestellten mangelhaften Aufsicht und Führung werde nicht genügend Beachtung geschenkt, schreibt sie in einer Medienmitteilung.
Regierungsrat Marcel Schwerzmann habe seine Verantwortung auch dann nicht vollumfänglich wahrgenommen, als es bereits deutliche Anzeichen auf Führungsprobleme gegeben habe. "Die Reflexionsbereitschaft bei ihm ist nach wie vor nicht genügend vorhanden", heisst es.
Die AKK empfiehlt, den umfassenden Massnahmenkatalog des Untersuchungsbeauftragten "vollumfänglich" umzusetzen. Zusätzlich legt sie dem Regierungsrat nahe, "Massnahmen zur Behebung der mehrfach festgestellten Führungsdefizite des Departementsvorstehers zu treffen".
Sie ist auch besorgt über die wiederholten Indiskretionen gegenüber der Presse und empfiehlt der Regierung, rechtliche Schritte einzuleiten.
Die Grünen schreiben in einer Medienmitteilung von "totalem Führungsversagen im Finanzdepartement" und fordern die vollständige Publikation aller Berichte. Andernfalls würden sie die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission PUK verlangen. Auch die SP schreibt, dass die Führung ungenügend gewesen sei. (sda/mim)

Loading

Mehr zum Thema

image

In Genf beginnt das SAP-Grossprojekt

Die Genfer Stadtverwaltung sucht einen Dienstleister für die Migration auf S4/Hana. Bis 2026 soll der Wechsel vollzogen sein.

publiziert am 1.12.2023
image

Software-Fehler bei E-Voting-Auswertung in Basel-Stadt

Ein Software-Fehler hat bei den eidgenössischen Wahlen am 22. Oktober die Auszählung der Stimmen aus dem E-Voting im Kanton Basel-Stadt verzögert.

publiziert am 1.12.2023 2
image

Podcast: Freihändige Beschaffungen und ihre Folgen

In dieser Episode reden wir über Vor- und Nachteile von "Freihändern" und erklären, was dahintersteckt.

publiziert am 1.12.2023
image

Meldesystem für Krankheiten: künftig AHV-Nummer notwendig

Der Bundesrat will das Informations­system für meldepflichtige Krankheiten verbessern. Er hat beschlossen, dass AHV- und Firmen-Nummern eingespiesen werden müssen.

publiziert am 30.11.2023 2