Der Spezialist für Gemeindeinformatik hat letztes Jahr wieder die 50-Millionen-Franken-Umsatzschwelle erreicht.
Die Verwaltungsrechenzentrum AG St. Gallen (VRSG) hat in ihrem 38. Betriebsjahr 2011 einen Umsatz von 50,4 Millionen Franken (plus 1,2 Prozent) erzielt und damit wieder das
Niveau von 2005. Neben dem verbesserten Umsatz haben die Spezialisten für Stadt-, Gemeinde- und Kantonsinformatik mit eigenem Rechenzentrum, eigener Softwareentwicklung und eigener Druckerei aber auch wie in den vergangen zwei Jahren den Gewinn leicht steigern können, diesmal auf 2,8 Millionen Franken (Vorjahr 2,7 Millionen Franken).
Die gestrige Generalversammlung des VRSG ging diesmal in Meilen über die Bühne. Sie findet laut Verwaltungsratspräsident Eduard Gasser alternierend in den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Zürich statt, wo man derzeit die grösste Kundenbasis hat. Gasser betonte an einer intimen Pressekonferenz (inside-it.ch war als einziges Medium der Einladung gefolgt) aber auch, dass sich die VRSG keineswegs als "staatlicher Betrieb" versteht, wie wir kürzlich
geschrieben hatten. Vielmehr gehörten dem VRSG-Aktionariat zwar 134 Städten und Gemeinden an, doch bedeute das lediglich, dass man "nicht dem kurzfristigen Shareholder-Value-Denken verpflichtet sei“, sondern seinen Stakeholdern, erklärt Gasser. Konkret heisst dies, dass die meisten Gelder in die Entwicklung der Produkte und in Innovationen fliessen und eben nicht an die Aktionäre, wie er betont. Auch wenn man als Non-Profit-Organisation laut Statuten nie mehr als fünf Prozent des Umsatzes als Dividenden ausschütten kann, sei man sehr wohl ein vom Staat unabhängiges Unternehmen, das auf dem freien Markt zu bestehen habe.
Profitiert vom BIT-Flop
Im letzten Jahr konnten die Ostschweizer drei Neukunden gewinnen (Eschlikon TG, Ottenbach ZH, Balgach SG), die unter anderem von der Lösung der Konkurrenten Ruf Informatik und Dialog Verwaltungs Data zu VRSG wechselten. Auch in den ersten drei Monaten dieses Jahres sind neue 20 Projekte hinzugekommen. Zudem gingen 2011 in Sachen eGovernement die Ausbauten mit den Tools eRechnung, eUmzug und zuletzt eSchkG für Betreibungsämter kontinuierlich weiter. Und selbst die plötzliche Aufgabe des BIT-Projektes Mitte November 2011 hat laut Gasser bisher nur positive Effekte gehabt. Zum einen habe der seit Oktober 2011 neu
angestellte Geschäftsführer, Peter Baumberger, sofort in einer schwierigen Situation seine Fähigkeiten bewiesen. Und andererseits habe sich die kurzfristig auch von Baumberger mitinitiierte "Dreikönigslösung" inzwischen bewährt. So konnte in den wenigen Wochen nach dem BIT-Ausstieg beispielsweise die Gemeinde Eggersriet Anfang Januar 2012 fristgerecht auf die neue Plattform migriert werden. Bei der VRSG schaut man auf ein erfolgreiches Jahr zurück, und verspricht denn auch heute schon ab 2013 die Preise zu senken. "Dabei hat man zu bedenken, dass wir schon in den letzten acht Jahren fast keine Preiserhöhungen hatten“, meint Gasser die Attraktivität des VRSG unterstreichen zu müssen.
Hinter der "Dreikönigslösung"
steht eine sehr kurzfristig aufgegleiste Partnerschaft, bei der von der VRSG nach wie vor die Kernlösung mit dem Einwohnerregister, den Finanzen und Steuern kommt. Der Partner CM Informatik liefert dazu das Geschäftsleitsystem (Axioma) für Gemeinde- und Stadtverwaltungen und der zweite Partner, die Innovative Web, integriert eine Lösung für deren Aussenauftritt. Damit liefert VRSG heute eine Gesamtlösung, die weitgehend "ohne Medienbrüche" auskomme, wie Gasser erklärt. Zur Partnerwahl hält er nur knapp fest, dass das Projekt "in so kurzer Zeit weder von uns allein noch mit anderen Partnern hätte aufgegleist werden können."
2011 viel gespart
Dass im letzten Jahr mit 4,4 Millionen Franken ein vergleichsweise hoher Betrag im Budget eingespart werden konnte, begründet Gasser unter anderem mit Effizienzgewinnen in der internen Organisation sowie teilweise verschobene Investitionen. Verschoben werde musste das Projekt Einwohnerkontrolle, dass zunächst gemeinsam mit 13 Partnern aufgegleist werden und im Herbst 2012 in Betrieb gehen sollte. Es ist jetzt um ein Jahr auf 2013 verschoben worden und man hat sich von den Partnern getrennt. Probleme hatten sich ergeben, weil die Applikationen zwar funktionierten, aber mit ihnen keine zufriedenstellende Performance erreicht wurde. Nun wird die Lösung VRSG-intern auf einer SOA-basierte Architektur neugebaut.
"Wir wollen wachsen"
Für das kommende Jahr sind die Erwartungen weiterhin gross. Baumberger wird sich daran messen lassen müssen, wie viele neue Kunden und Projekte er gewinnen kann. Laut Gasser will die VRSG jedenfalls weiter wachsen und zwar organisch. So sei die Übernahme von Unternehmen wie etwa ein Kauf der
Abraxas-Anteile des Kantons Zürich kein Thema, wie Gasser sagt. "Wir suchen durchaus Partnerschaften, wollen aber unsere Partner nicht beherrschen", stellt Gasser zwar klar, will sich aber partout nicht zur Konkurrenz äussern.
Um neue Gemeinden, Städte und Kantone zu gewinnen, scheint Baumberger gut gerüstet. Er startete seine berufliche Karriere in der Gemeindeverwaltung Rieden als einst jüngster Gemeindspräsident der Schweiz, hat dann in der Industrie gearbeitet und war acht Jahre lang Kantonsrat. Zwar sei er kein IT-Spezialist, wüsste aber, wie die Gemeinden funktionieren und wo sie der Schuh drückt und kenne die politische Landschaft bestens, sagt er selbst. Sein Netzwerk soll denn auch dazu beitragen, neue Kunden zu gewinnen. Dass er seine einstige Gemeinde Rieden nach der Fusion mit Gommiswald und Ernetschwil zur VRSG geholt hat, ist ein Beispiel für Projekte, die Baumberger und sein Verkaufsteam inzwischen initiiert haben. Noch in diesem Jahr werden weitere fünf Gemeinde-Fusionen begleitet.
Weiterentwicklungen
Doch neben neuen Kunden wird Baumberger auch an der Weiterentwicklung des bestehenden Portfolios gemessen. So soll beispielsweise die Grundbuch-Lösung, die VRSG inzwischen fast für den gesamten Kanton St. Gallen anbietet, auch für andere Kantone ausgebaut werden. Eine Vorreiterrolle übernimmt VRSG beim ab Januar 2013 in Kraft tretenden revidierten Kindes- und Erwachsenenschutzrecht. Für die damit verbundene Neuorganisation der regionalen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) sind neue Datenverwaltungsaufgaben zu erbringen, wie das Speichern spezifischer Fallinformationen oder das Verwalten von Dokumenten, was heute schon auf Axioma möglich sei, wie Baumberger festhält. Zudem sei man dabei, den mobilen Bereich stärker als bisher zu integrieren. Eine erste App soll in Kürze in Betrieb gehen. Hier sind weitere Ausbauten geplant, um die Bürger stärker über Smartphones an ihre jeweilige Gemeinde zu binden, wie Gasser ausführt
Klar ist für Gasser zudem, dass die VRSG künftig eine grössere Rolle als Lösungsanbieter für die Kantone spielen soll. Doch grundsätzlich bleibe man sich insofern treu, als der Weg dorthin konsequent von den Gemeinden in die Kantone hinein gehen wird. Damit unterscheide man sich grundlegend von
"Konkurrenten, die den umgekehrten Weg wählen". Und man werde auch weiterhin auf die Gemeinden, Städte und Kantone konzentriert bleiben und sich nicht in anderen Bereichen engagieren. (Volker Richert)