Weiterhin Probleme bei Apobank

8. Juni 2020 um 15:44
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Eine Woche nach der IT-Migration der Bank durch DXC und Avaloq bilden Kunden eine Selbsthilfegruppe. Die Bank nimmt Stellung.

Sie war seit 2017 geplant und wurde über das Pfingstwochenende mit einem "Big Bang" vollzogen – die Migration des Kernbankensystems der deutschen Apotheker- und Ärztebank Apobank auf Avaloq. Rasch tauchten in der ersten Juni-Woche unterschiedliche Probleme auf.
"Leider lief der Start – naturgemäss bei solchen komplexen IT-Umstellungen nicht unüblich – nicht reibungslos", so eine Apobank-Sprecherin heute auf Anfrage.

Die Telefone der Bank laufen immer noch heiss

Bis heute, eine Woche nach dem Launch, sind bei weitem nicht alle Schwierigkeiten gelöst, nachwievor machen sich einige der rund 430'000 Kunden lautstark online Luft und offenbar sind die Telefonleitungen immer noch überlastet. Die Bank-Sprecherin gibt dies zu. "Die Erreichbarkeit war zu Beginn nicht akzeptabel, aber wir haben nun aufgestockt." Das Online-Banking aber sei am Nachmittag des 2. Juni wieder stabil gelaufen, hält sie fest. "Mittlerweile läuft das Online-Banking mit den auf unserer Website beschriebenen Einschränkungen, auch die Banking App ist in der Zwischenzeit im PlayStore eingestellt." Zu den Einschränkungen im Online-Banking zählen Darlehenskonten und Kontoauszüge, welche die Bank nachliefern werde.
Dennoch reihen sich Beschwerden via Twitter und in Foren aneinander. 'Finanz-szene.de' hat eine anonymisierte Auflistung publiziert. Die Kritik betrifft – wie bei jedem Relaunch – das Design, aber auch viel technologisches und die Kommunikation. 
Auch beim Bankenbewertungsportal 'Gute-banken.de' findet man viele Negativurteile über unterschiedliche Aspekte. Manche Kunden flüchten sich in Galgenhumor zum Wechsel: "Einziger Pluspunkt: Meine Kreditkonten sind verschwunden. Das darf gerne so bleiben."
Seit dem 8.6. gibt es gar eine Art "Apobank-Selbsthilfegruppe" mit einer dedizierten Website, vermutlich ein Novum in der Banken-IT-Geschichte. "Diese Seite ist ein Versuch, die von dem bislang ausgebliebenen Apobank-Pfingstwunder betroffenen Kunden miteinander zu vernetzen", heisst es da.
Diverse Probleme seien zumindest teilweise gelöst, schreibt die Bank auf der Website, aber es gibt weiterhin ungelöste: "Teilweise verzögerte Darstellung von Zahlungseingängen /-ausgängen und Zahlungsaufträgen in der Kontenansicht", listet die Apobank auf der Website auf. Auch sind noch nicht alle Bancomaten angeschlossen, teilweise offenbar Konten gesperrt. Und nicht jeder Kunde versteht das neue Online-Banking oder die Apps auf Anhieb.
"Wir verzeichnen aber nach wie vor vermehrte Kundenanfragen", so die Sprecherin. "Das liegt zum einen an den noch bestehenden Einschränkungen, zum Teil auch an den neuen Funktionalitäten. Wir haben unsere Kunden im Vorfeld auf diese Phase eingestimmt und unterstützen sie aktuell nach Kräften, sich schnell im neuen System zurechtzufinden. U. a. haben wir ein Erklärvideo auf unseren Seiten eingestellt und den Leitfaden angepasst. Weitere Erklärvideos werden folgen", so das Statement.
"Wir verstehen, dass unsere Kunden aktuell unzufrieden sind und uns dies mitteilen. Unsere Teams arbeiten mit Hochdruck daran, um die noch bestehenden Einschränkungen für unsere Kunden kurzfristig zu beheben und die Kundenanfragen schnellstmöglich zu beantworten."
Die Bank-Sprecherin kann uns aber keine Zahl nennen, bei wievielen Kunden die Bankdienstleistungen jetzt, eine Woche nach dem Relaunch, einwandfrei funktionieren. Auch eine Schätzung sei nicht möglich, sagt sie auf die Frage, ob es eher 20'000 oder 420'000 Apobank-Kunden seien.

Komplett neue IT-Infrastruktur samt Notebooks und 200 Apps

Zur Rolle und Arbeit der IT-Provider wie Avaloq will die Banksprecherin keine Stellung nehmen. Aber es ist klar, dass Apobank am Pfingstwochenende nicht nur das Kernbanken-System geändert hat. Die Bank habe "die komplette IT-Infrastruktur ausgetauscht und mehr als 200 Spezialanwendungen auf neue Anbieter übertragen", erklärt die Sprecherin. Dies bedeute die Rechenzentren, die in- und externen Netzwerke, die Arbeitsplätze (PCs, Notebooks), die Drucker und die Telefonie, präzisiert sie.
Das bedeutet, dass nicht Avaloq allein beim "Big Bang" involviert war, sondern auch Orbium und insbesondere DXC, die 2017 stolz meldeten: "Das Institut wird dabei unterstützt, auf die etablierte Avaloq-Banking-Suite als künftige Kernbankenplattform reibungslos umzusteigen" Und der Dienstleister fügte hinzu: "Dieses Projekt ist ein Leuchtturmprojekt für DXC im Bankensektor". Nun droht das Projekt statt eines freundlichen Leuchtturm-Leuchtens zur roten Alarmlampe zu werden.
Zusätzlich zu obigen Problemen und Kommunikationschwächen scheint es - wie es in unbestätigten Gerüchten heisst – anfänglich beispielsweise Citrix-Probleme gegeben zu haben, welche die Kundenberater blockierten – und wohl kaum auf Avaloq zurückzuführen sind.

"Migrationen finden in der Regel zu Ultimos statt"

Nun ist schon die Migration eines Kernbankensystems auch ohne die gesamte umliegende IT-Infrastruktur keine Kleinigkeit, wie diverse Beispiele zeigen. Im Falle des totalen Debakels der britischen TSB (kein Zusammenhang mit Avaloq/DXC/Orbium) führte die gescheiterte Migration zu Entlassungen, Bussen, Untersuchungen und politischen Debatten.
Es gibt auch positive Beispiele. So verlief die in Etappen aufgesplittete Migration des Kernbankensystems auf Avaloq bei Raiffeisen kundenseitig grösstenteils erfolgreich, ebenso die Migration von Postfinance auf eine Lösung von Tata.
Die Apobank-Sprecherin möchte auf Anfrage keine Stellung dazu nehmen, wieso die Bank einen "Big Bang"-Relaunch machte, bei dem alle Bankkunden und Mitarbeitende potentiell von Problemen betroffen sind, statt etappiert vorzugehen.
Und warum wurde die Migration an einem Monatsende gemacht? Diese Frage beantwortet sie: "Migrationen finden in der Regel zu Ultimos statt, damit aus bankfachlicher und buchhalterischer Sicht die Daten gut ins neuen System übertragen werden können."

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