

Wie raus aus dem IT-Fachkräftemangel?
4. Juni 2007 um 11:20Das Berufsfeld Informatik ist wieder auf Erfolgskurs, aber der Mangel an Fachleuten nimmt zu. Was tun? Ein Diskussionsbeitrag von Alfred Breu, Präsident der Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik.
Das Berufsfeld Informatik ist wieder auf Erfolgskurs, aber der Mangel an Fachleuten nimmt zu. Was tun?
Ein Diskussionsbeitrag von Alfred Breu (Bild), Präsident der Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik.
Erfreulicherweise hat sich die Branche Informatik vollständig erholt und der Personalbestand übertrifft den Stand von 2001 mit 65’265 bereits wieder deutlich. Was vielen Leuten dabei weniger bewusst ist: Die grössten Informatik–Arbeitgeber gehören nicht zur IT-Branche selbst. Die Mehrheit der Informatiker arbeitet in anderen Branchen wie zum Beispiel bei Banken und Versicherungen, Revisionsstellen, der Kommunikationsbranche oder in Verwaltungen wie dem Bundesamt für Informatik, bei der SwissPost, Kantonen, Spitälern usw. Insgesamt dürften in der Schweiz heute wieder rund 180'000 Personen in der Informatik tätig sein. Eine sehr positive Meldung.
Völlig ungenügender Fachleutemarkt - die Schere öffnet sich immer stärker
Leider ist es in der breiten Öffentlichkeit aber völlig unbekannt, dass die Informatik so viele Leute beschäftigt. Ebenso wenig ist bekannt, wie hoch ihr Wertschöpfungsanteil an der gesamten Schweizer Volkswirtschaft ist. Die Meldungen über Outsourcing und Verschiebung ins Ausland der letzten Jahre liessen bei Nicht-Insidern ein komplett falsches Bild entstehen. Sie haben es geschafft, das Image des Berufsfeldes zu belasten: Die Informatik ist längst nicht mehr ein Traumberuf.
Mit dem Effekt, dass z.Bsp. die ETH Zürich letzten Herbst mit lediglich 116 neuen Informatikstudierenden ein Rekordtief zählte (2005 waren es noch 141) und der Lehrgang mengenmässig auf das Niveau des ersten Studienjahres Anfangs der 80er fiel. Nicht besser sah es an der Uni Zürich mit 65 Eintritten (im Vorjahr 93) aus. Auch bei den Informatik-Lehrstellen ging es je nach Kanton um 30 bis 40 Prozent abwärts. 2005 wurden im Kanton Zürich 280 neue Informatiklehrverträge abgeschlossen, 2000 waren es 474... Die Konsequenz: Weniger Lehrabgänger (4 Jahre danach), dann weniger Fachhochschüler und damit weniger Hochschulabgänger. Bildung ist extrem langfristig. Der Negativtrend heute wirkt sich bis 2013 aus (4 Jahre Lehre, 3 Jahre Fachhochschule). Erst danach könnte sich das Ganze wieder kehren.
Entsprechend unerfreulich sieht es im völlig trockenen Personalmarkt aus. Es bestehen gar keine Aussichten auf Besserung! Aus der jährlichen Salärerhebung von SwissICT ist die Altersstruktur der Informatiker bekannt. Gemäss dieser werden In den nächsten 10 Jahren jährlich 2 Prozent der Informatikfachleute pensioniert, d.h. 4’000 jährlich. Demgegenüber verlassen jährlich nur rund 2’500 neue Informatiker das Bildungssystem. Ein Manko, das nicht ohne Konsequenzen für die Schweizer Volkswirtschaft bleiben wird.
Gemeinsame Anstrengungen nötig – bessere Kommunikation und Nachwuchsförderung
Die Kommunikation nimmt eine Zentrale Bedeutung für jede Firma und IT-Abteilung ein: Wie ein Verwaltungsrat seine Aktionäre regelmässig und gut informiert, um sie bei Stimmung zu halten, muss es auch die Informatik tun. Positive Meldungen wie Präsentationen von Erfolgsprojekten und ihrem Ergebnisbeitrag sollten Benützer und IT-Mitarbeitende bei Laune halten und den Markt positiv stimmen. Es sollte der Vergangenheit angehören, dass IT-Leute sagen, sie könnten nicht guten Gewissens jemandem eine Informatikkarriere empfehlen….
Alle Informatikbetriebe oder -Abteilungen müssen die Verantwortung für Ihren beruflichen Nachwuchs selber übernehmen, seien sie noch so klein. Die Schweizer Wirtschaft hat bei Abstimmungen über staatliche Eingriffe in die Berufsbildung wiederholt für die Freiheit der Wirtschaft plädiert, richtigerweise. Jetzt ist es an dieser Wirtschaft, für ihren Informatik-Fachleutenachwuchs zu sorgen. Das Ziel: Gute Betriebe bilden aus und schaffen Ausbildungsplätze. Als Faustregel sollte gelten: Ein Ausbildungsplatz auf 5 Fachleute.
Erster Schritt: Ein Nachwuchsförderungskonzept je Betrieb
Das strategische Personalmanagement für Informatik in den Betrieben ist auszubauen. Quantität und Qualität des Personals ist langfristig zu planen und Massnahmen sind konsequent umzusetzen. Mit der Ausrichtung auf die notwendige Professionalitätsstruktur ist ein Konzept nötig, das auf folgenden Pfeilern beruht:
1. Informatik-Grundbildung
Ausbildung vom Lernenden im 4-jährigen System der dualen Berufslehre, im praktischen "Learning by doing". Allenfalls kann diese durch ein Basislehrjahr unterstützt werden oder in einem Lehrbetriebsverbund stattfinden. Ausbilden kann man auch durch Übernahme von Lernenden aus einer Informatikmittelschule oder Privatschule in ein einjähriges Praktikum. Die Informatik-Lehre hat sich bewährt, findet die Anerkennung der Betriebe und hat an den Berufsweltmeisterschaften bewiesen, dass sie im internationalen Vergleich sehr gut abschneidet.
2. Nachlehrförderung
Vertiefungsangebot und Perspektiven für die guten Abgänger der Grundbildung aufzeigen (1-2 Jahresprogramm). Sehr häufig können sie auf diese Weise im Lehrbetrieb gehalten werden und übernehmen wichtige Positionen (Fach- und/oder Führungskarriere). Diese Nachwuchsleute sind zusätzlich in die höhere Berufsbildung zu entsenden.
3. Höhere Berufsbildung
Entsendung zum Besuch einer Fachhochschule oder höheren Fachschule mit eidg. anerkannten Abschluss, berufsbegleitend oder im Vollzeitstudium, je nach Bedürfnis der Firma. Die duale höhere Berufsbildung mit dem eidg. Fachausweis und eidg. Diplom ist hingegen jedem/jeder einigermassen guten Abgänger/-in der Grundbildung nahezulegen.
Umsetzung
Mit der Umsetzung des Konzepts ist möglichst rasch zu beginnen. Wer sich für die Grundbildung interessiert, erhält Unterstützung durch die kantonalen Berufsinspektorate und die Informatik-Lehrmeistervereinigungen. Die Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik (ZLI) stellt dieses Konzept regelmässig an Infoveranstaltungen vor und unterstützt die Betriebe im Einholen der kantonalen Ausbildungsbewilligung und bei der Erstellung des Einsatzprogramms für die künftigen Lernenden. Die nächste öffentliche und unverbindliche Infoveranstaltung über das Nachwuchsförderungskonzept findet am 22. Juni 07 statt, von 11.00 – 13.00 Uhr, im ZLI-Kurszentrum, Hohlstrasse 550, 8048 Zürich. Details und Anmeldung auf www.zli.ch. (Alfred Breu)
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