"Wir verdienen nicht mit Blockchain Geld..."

13. Dezember 2019 um 09:45
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Das Schweizer Startup Modum stösst auf grosses Interesse. Aber wie will es sich im Supply-Chain-Markt etablieren? Und hören Pharma-Riesen bei "Blockchain" oder "IoT" überhaupt hin?

Das Schweizer Startup Modum stösst auf grosses Interesse. Aber wie will es sich im Supply-Chain-Markt etablieren? Und hören Pharma-Riesen bei "Blockchain" oder "IoT" überhaupt hin?
Wir treffen Carl Spörri, CCO beim Startup Modum, im Zürcher Flughafen, wo er am Swiss ICT Symposium referiert. Der Ort ist ein gutes Symbol für Modum. Die Jungfirma will ein globaler Player in der Supply Chain werden.
Modum verspricht Herstellern, Transporteuren und Retailern "We Make Your Supply Chain Transparent and Intelligent". Die technologische Basis dafür sollen IoT, Machine Learning und Blockchain bilden. Das sind drei populäre Begriffe im Wortschatz von unzähligen Startups. Die Lieferkette bildet laut vielen Tech-Exponenten ein vielversprechendes Anwendungsgebiet für Blockchain.
Modum konzentriert sich bis anhin auf die Pharmaindustrie und das Problem des Temperatur-Monitorings von Medikamenten. Bei diesen darf in der Lieferkette ein gewisses Mass an Temperaturschwankungen nicht überschritten werden, und MODsense, das Kernprodukt soll genau dies überwachen.
Damit gewann Modum 2018 den Digital Economy Award als "Digital Innovation of the Year", und war auch für den Swiss Logistics Award nominiert.
Preise sind das eine, Buzzwords wie "Blockchain" das andere. Wie weit verhilft eigentlich der Einsatz neuester Technologien der Geschäftsidee zum Erfolg? Nehmen sich die Pharma-Giganten überhaupt Zeit, um dem Startup mit aktuell 30 Mitarbeitenden zuzuhören? Fragen, die sich gerade im Rahmen des spannenden diesjährigen Swiss-ICT-Symposium-Themas "Reality Check" stellten.
Inside-it.ch: Blockchain, IoT, Machine Learning. Klingt nach einer Kombination von Buzzwords. Mit welchem der drei Buzzwords wollt ihr Geld verdienen?
Carl Spörri: Wir wollen nicht mit diesen Technologien Geld verdienen, sondern indem wir Probleme von Firmen in der Pharmaindustrie lösen. Wenn wir unsere jetzige Lösung betrachten, dann ist diese vor allem für die letzte Meile der Distribution designt, für die Temperaturüberwachung von sensitiven Gütern. Blockchain ist nur ein kleiner Teil der Lösung. Aber Blockchain bildet die Basis auf dem Weg zu einer End-to-End-Lösung. Wir verdienen nicht mit Blockchain Geld, sondern beispielsweise damit, dass man pro Medikamenten-Sendung einen gewissen Betrag zahlt, wenn man unsere Lösung nutzt.
Wir überlegen immer, macht Blockchain oder AI Sinn oder braucht es dies nicht. Es gibt unterschiedliche Produktideen, bei denen wir prüfen, ob es einen Business Case gibt. Der Einsatz von Machine Learning für Kontextinformationen und Vorhersagen ist jetzt in der Proof-of-Concept-Phase. Wir wissen noch nicht, ob wir mit einem solchen Service Geld einnehmen können, sehen aber durchaus Potenzial und ein gewisses Kundeninteresse.
Wo seht ihr die grössten Business-Chancen?
Vor allem im End-to-End-Monitoring sehen wir grosse Chancen. Wenn die Pharmahersteller verstehen können, wie es um die Qualität ihres fertigen Produkts bis hin zum Patienten steht, dann hilft ihnen dies. In der Pharma ist die Kontrolle in der Primärdistribution vom Produktionsort bis in die Verteilungszentren vorhanden, aber sobald ihre Produkte beispielsweise zu Grossisten gehen, haben sie die Übersicht nicht mehr. Auch die Grossisten oder die Spitäler wissen nicht, welche Temperaturschwankungen das Produkt schon durchlaufen hat, diese Information wird nicht weitergegeben.
Als Startup muss man bei den grossen Pharmafirmen zuerst überhaupt einen Fuss in die Tür kriegen. Ist Blockchain bei Pharma ein Argument?
In einigen Fällen hilft es, aber in anderen Situationen stellen wir nicht Blockchain in den Vordergrund. Kunden schätzen an uns, dass wir ein gutes Verständnis von der Supply-Chain in der Pharma haben und ebenso von Technologien. Zudem sprechen wir meist mit Supply-Chain-Verantwortlichen oder Qualitätsverantwortlichen, nicht unbedingt mit der IT. Sie müssen zwar auch mit ins Boot, aber sie sind in den wenigsten Fällen die Käufer.
Sie versprechen Transparenz in der Lieferkette. Aber möglicherweise wollen nicht alle, dass man die Ursache der Probleme so genau lokalisieren kann. Wie stark spürt ihr, dass es Widerstände gegen eure Lösungen gibt?
Auch in der Supply Chain gibt es gewisse Machtverhältnisse. In der Pharma liegt diese beim Hersteller. Er wählt seine Carriers, er sagt, welchen Distributoren er seine Produkte geben will. Er kann sehr viel beeinflussen und kann sich durchsetzen. Die Schweizerische Post, einer unserer Partner, ist auf der einen Seite ein Multiplikator, aber auf der anderen Seite auch abhängig von den Bedürfnissen ihrer Kunden, da sie unsere Lösung verschiedenen Kunden anbietet.
Wir hören in vielen Fällen, dass man ab und zu Stichproben nehmen will, und mehr nicht. Es gibt sogar wenige Firmen, die offen sagen, sie hätten kein Interesse, mehr Fakten zu kennen, weil es sie zwingen würde, etwas zu ändern. Aber das behindert uns in unserer Geschäftsentwicklung nicht stark.
Wo sind die grössten Hürden auf dem Weg zur Internationalisierung? Supply Chains sind selten national. Sind die Hürden technologisch oder juristisch?
Weder noch. Es ist die Branche. Die Pharmabranche ist konservativ und bewegt sich langsam. Das hat auch mit den hohen Qualitätsanforderungen zu tun, die Firmen einzuhalten haben. Sie haben eine der höchsten Dichten an Prozessvorschriften bei der Herstellung von Produkten. Das schafft auch für uns Hürden, weil auch wir hohe Anforderungen erfüllen müssen. So sind wir 9001-ISO-zertifiziert und das zwei Jahre nach der Firmengründung. Würden wir uns in einer anderen Branche bewegen, wäre das wohl nicht der Fall.
Die andere Hürde ist das B2B-Business. Man muss irgendwie hineinkommen. Die Sales-Prozesse sind extrem lang, sie dauern sechs bis neun Monate. Aber es gibt auch Vorteile: Wenn man einmal im Geschäft ist, wird im nächsten Jahr nicht wieder gewechselt. Wir machen also bei RFPs mit und versuchen gleichzeitig, bei vielen Projekten für Co-Innovation mitzumachen. Gleichzeitig gehen wir Beratungsmandate ein und bauen ein Netzwerk auf, um an die richtigen Leute zu kommen.
Mit Blockchain, IoT und KI habt ihr als Startup drei Technologien, in welche ihr investieren müsst, um Produkte zu entwickeln. Zudem basiert beispielsweise Blockchain nicht wirklich auf überall etablierten Standards. Verzettelt und überfordert ihr euch nicht selbst?
Wir müssen uns sehr gut überlegen, wo wir als junges Unternehmen Ressourcen einsetzen. Wir bauen keine eigene Blockchain-Lösung, sondern nutzen existierende Netzwerke und Protokolle. Potentiellen Kunden sagen wir beispielsweise, dass wir andocken können an ein existierendes Netzwerk wie Mediledger, eine Lösung für die Anforderungen des US Drug Suppy Chain Security Acts. Wir haben zudem verschiedene Partner und bringen vor allem den Zustandsüberberwachungsteil ein. Wir testen gewisse Dinge selbst, und versuchen dann im Sinne vom Co-Innovation einen Kunden zu finden, um das Investment zu teilen. Wenn wir eine Idee haben, aber bei Kunden kein Interesse vorhanden ist, dann müssen wir sie stoppen. Es ist die Kombination dieser Punkte, die wir ausbalancieren müssen. Wir stellen uns diese Frage fast täglich. (Gespräch: Marcel Gamma)

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