Wunderwelt der Internet-Kriminalität

9. Juni 2006 um 16:16
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Und hier noch unsere Freitagabend-Nachricht

Und hier noch unsere Freitagabend-Nachricht
Immer wieder fragen ich mich, wie ein Leben ohne Internet überhaupt möglich gewesen ist. Und als kürzlich Swisscom meinen privaten Internet-Anschluss wegen "Wartungsarbeiten" lahm legte und mich damit aus dem weltweiten Netz ausschloss, erlitt ich hysterische Panikattacken. Echt!
Dasselbe scheint für Kriminelle zu gelten. Wie langweilig und wie gefährlich, mit gezückter Knarre eine Bank zu überfallen oder brutal einem Grossmütterchen die Tasche zu entreissen. Da gibt es heutzutage viel raffinierte Methoden.
So erfand der 23-jährige Edwin Pena aus Miami den VoIP-Diebstahl. Er gründete einen Telekommunikationsanbieter und verkaufte für über eine Million Dollar ganz günstige Telefongespräche. Diese routete er über gehackte Firmennetzwerke zu einem "richtigen" Internet-Telefonie-Anbieter, der dann die Kosten für die Terminierung der Gespräche an normale Telefonnetze zu bezahlen hatte. Der gute Edwin besass bei seiner Verhaftung drei Luxus-Autos, darunter einen BMW M3 und ein über 12 Meter langes Motorboot...
Der Sysop und die UBS-Optionen
Auch ziemlich viel kriminelle Energie entwickelte der Systemadministrator Roger Duronio von UBS PaineWebber. Er verdiente 125'000 Dollar im Jahr und war mit seinem Bonus (nur 32'000 Dollar statt 50'000) nicht zufrieden, ging zu seinem Chef, drohte, sofort wegzulaufen. Er wurde subito entlassen und in Begleitung von Security-Leuten aus dem Gebäude komplimentiert. Der Sysop lief darauf schnurstraks zu einem Broker und kaufte UBS-Optionen - sollte der Kurs fallen, hätte er den entgangenen Bonus mehrfach reingeholt.
Und dafür, dass der Kurs fiel, wollte Mr. Duronio gleich selbst sorgen. Der gute Mann hatte offensichtlich mit seinem Rausschmiss gerechnet und zuvor eine "elektronische Bombe" in den UBS-Servern platziert. Am 4. März 2002 gingen 2'000 Server der UBS-Tochter vom internen Netz, 8'000 PaineWebber-Broker sassen vor blinden Bildschirmen. Der Vermögensverwalter gab über drei Millionen Dollar aus, um Netz und Server wieder zum laufen zu bringen und die Daten wiederherzustellen.
Duronio, dessen Prozess in diesen Tagen in Newark über die Bühne geht, droht eine Strafe von bis zu 30 Jahren Gefängnis.
Ob der Trick des brutal unterbezahlten IT-Spezialisten Duronio funktionierte, wissen wir nicht. Im Gefängnis wird ihm auf jeden Fall auch eine 100 Meter lange Yacht nicht viel nützen...
Streikende Arbeiten legen Internet in Nigeria lahm
Nicht kriminell, aber sehr militant sind zur Zeit die Arbeiter des staatlichen nigerianischen Telekommunikationsunternehmens Nitel. Sie streiken gegen den Versuch der Regierung, Nitel zu privatisieren - und weil sie seit vier Monaten keinen Lohn mehr gesehen haben.
Und zwar arbeiten sie nicht nur nicht, sondern legen gleich auch noch die nigerianische Wirtschaft lahm. Ab diesem Montag war Festnetztelefonie in Nigeria fast nicht mehr möglich. Grund: Es ist niemand da, der die Generatoren in den Nitel-Zentralen anwirft, wenn der Strom ausgeht, was pro Tag mehrmals vorkommt.
Zudem funktioniert der Gateway zum Unterwasserkabel, über das internationale Anrufe und der nigerianische Internet-Verkehr läuft, nicht mehr. Die Folgen für die nigerianische Wirtschaft sind dramatisch. So hat sich der Zins für kurzfristige Ausleihungen unter Banken, ein wichtiger Indikator, seit Montag verfünfacht.
Nur gut, dass Swisscom-Angestellte, soviel wir wissen, ihren Lohn immer pünktlich bekommen und der Ständerat am Mittwoch die bundesrätliche Hauruck-Privatisierung von Swisscom endgültig abschoss. (Christoph Hugenschmidt)
P.S. Apropos Kriminialität: Alexander Falk, der mit der unterdessen schon lange untergegangenen Distefora für viel Träume und brutale Enttäuschungen gesorgt hat, muss gemäss einem Bericht des deutschen Manager-Magazins wieder zurück ins Kittchen. Das Hanseatische Oberlandsgericht hat den Entscheid eines Hamburger Gerichts, ihn aus der Untersuchungshaft zu entlassen, wieder rückgängig gemacht.

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