

Zürcher Glasfasern: Kritik von unerwarteter Seite (ergänzt)
7. September 2012 um 15:44
Ausgerechnet Alcatel-Lucent-Forschungschef Rainer Fechner sagt im Gespräch mit inside-it.ch: "Ich würde nein stimmen." Glasfaservernetzung innerhalb von normalgrossen Wohngebäuden brauche es nicht.
Ausgerechnet Alcatel-Lucent-Forschungschef Rainer Fechner sagt im Gespräch mit inside-it.ch: "Ich würde nein stimmen." Glasfaservernetzung innerhalb von normalgrossen Wohngebäuden brauche es nicht.
Die Bell Labs, die Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Telekommunikationsausrüsters Alcatel-Lucent, schaut auf eine lange Geschichte der Innovation zurück. In den Bell Labs hat man an den ersten Transistoren gearbeitet, hat Unix entwickelt und war auch bei der Entwicklung der ersten Mobilfunknetze ganz vorne dabei. Entsprechend interessant ist es, dem Leiter der Bell Labs in Deutschland, Rainer Fechner, zuzuhören. Er trat heute Morgen an einer Veranstaltung von Alcatel-Lucent im Zürcher Technopark auf.
Vielleicht war ihm nicht ganz klar, dass sein Arbeitgeber das Stadtzürcher Glasfasernetz, über das in zwei Wochen abgestimmt wird, baut, denn er äusserste sich in seinem Vortrag und in einem kurzen Gespräch kritisch zu dem Projekt. Wie Fechner klar sagte, kann die Bandbreite, die Videodienste und IPTV benötigen, kein Grund für die Verkabelung von Wohnhäusern mit Glasfasern sein. Bis 2020, so Fechner, werde man pro User maximal etwa 110 Mbit/s Bandbreite benötigen. Der Bedarf an Bandbreite von Privaten wachse unteren anderem deshalb relativ langsam, weil Videos laufend besser komprimiert werden können.
Ausserdem stossen die Übertragungsraten, die sich über die klassischen Kupferdrähte der Telefonie und sowieso über die Koaxialkabel der Kabel-TV-Anbieter erreichen lassen, noch lange nicht an Grenzen. Kupferdrahtpaare werden demnächst eine Bandbreite von einem Gbit/s erreichen, Koaxialkabel werden gemäss Fechner früher oder später sogar 10 Gbit/s erreichen - im Fall der Telefon-Kupferdrähte wird die Bandbreite aber nur über eine relativ kurze maximale Distanz von etwa 150 Metern erreicht. Während es gemäss Fechner sinnvoll sein wird, Glasfasern bis in die Keller von grösseren Wohnhäusern zu legen, hält er die Inhouse-Verkabelung mit Glasfasern für unnötig. Auf unsere Frage, ob er in zwei Wochen für oder gegen das Zürcher FTTH-Projekt stimmen würde, sagte Fechner: "Wenn es auch um die Verlegung von Glasfasern bis in die Wohnungen geht, würde ich nein stimmen."
EWZ: Investition für die nächsten 40 Jahre
EWZ-Sprecher Harry Graf gibt auf die überraschenden Aussagen Fechners einige Argumente zu bedenken. So wäre auch bei der Benützung der Telefonie- oder Koax-Infrastruktur im Haus die Verlegung der Glasfasern bis ins Haus und die Umsetzung der Signale auf die Kupferkabel nötig, um den rasch steigenden Bedarf an Bandbreite zu decken.
Ausserdem gehe es beim Stadtzürcher Glasfasernetz, über das die Stadtbevölkerung am 23. September abstimmt, um ein langfristiges Infrastrukturprojekt. Graf: "Es geht nicht um die technologische Entwicklung der nächsten 10 oder 20 Jahre sondern um die Infrastruktur für die nächsten 40 oder 60 Jahre." (Christoph Hugenschmidt)
Stellungnahme von Alcatel-Lucent:
"Die Aussagen von Herrn Dr. Fechner wurden teils missverstanden, insbesondere auch in Hinsicht auf die bevorstehende Abstimmung in der Stadt Zürich. Am Bell-Labs-Tag der Alcatel-Lucent in Zürich wurden verschiedenen Zugangs-Technologien und ihre Vor- und Nachteile besprochen sowie die Sicht aus der Forschung dargestellt. Dabei wurden aus rein technologischer Sicht Forschungsschwerpunkte aufgezeigt und gleichzeitig aber auch die sozialen Aspekte besprochen.
Wie gestern aufgezeigt beträgt der Bandbreitenbedarf nur für Video bis ins Jahr 2020 mindestens 120Mbit/s. Zusätzlich kommen jedoch weitere Dienste hinzu wie beispielsweise Internetservices und vor allem muss in einer solchen Bedarfsaussage auch der Markt, bzw. die Mitbewerbersituation berücksichtigt werden. Dies hat in der Schweiz zur Folge, dass der Bandbreitenbedarf gesamthaft viel höher ist und somit eine Glasfasererschliessung sehr sinnvoll macht. Der Bandbreitenbedarf pro User für die Stadt Zürich ist somit nicht wie im Artikel erwähnt 110Mbit/s, sondern beträgt ein Mehrfaches dieses Volumens.
Herr Dr. Fechner hat sich aus technologischer Sicht dazu geäussert, dass es aus dieser Perspektive immer kritisch zu hinterfragen ist, ob in den letzten Metern Kupfer benutzt werden soll. Jedoch wurden hier weder die politische noch die marktorientierte Sicht berücksichtigt. Herr Fechner hat persönlich keine Aussage gemacht, wie er aus einer gesamthaften Sicht abstimmen würde.
Wie ebenfalls am Anlass aufgezeigt, ist Zürich dank des ewz Open-Access-Netzes in einer weltweit durchgeführten Analyse eine sehr attraktive und "smarte" Stadt. Dies unterstreicht, dass nicht nur die technische, sondern vor allem auch die politische und soziale Sicht bei einer solchen Entscheidung sehr wichtig ist. Aus dieser nicht nur technischen Analyse geht klar hervor, dass ein weiterer Ausbau des FTTH-Netzes in der Stadt Zürich Sinn macht und die Attraktivität der Stadt weiter erhöht. Aus diesen Gründen unterstützen wir das Vorhaben des ewz klar." (Alcatel-Lucent, 8.9.2012)
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