Prantl behauptet: Bevor eine Strategie versagt, muss sie erstmal umgesetzt werden

31. Oktober 2022 um 09:20
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Zu schnell erklären Unternehmen ihre Strategie für gescheitert, findet Kolumnist Urs Prantl.

Oft höre ich, "unsere Strategie hat versagt". Dahinter stecken zwei Gründe. Entweder man hat es mit der Umsetzung noch gar nicht richtig versucht, oder man will es gar nicht erst versuchen. Bei ersterem hakt es an der eigentlichen Umsetzungsfähigkeit, während es beim zweiten bereits am Willen zur Umsetzung fehlt. Auch wenn das so nicht offengelegt wird, sondern mit der Aussage "die Strategie ist gescheitert", eher versucht wird zu verschleiern.
Ein gutes Beispiel für den mangelnden Willen zur Umsetzung sehe ich aktuell bei der politischen Diskussion über die Energiestrategie 2050. Dort wirft insbesondere die SVP der für Energie zuständigen Bundesrätin Simonetta Sommaruga vor, eine Strategie zu verfolgen, die eben "versagt" habe. Damit allerdings die Energiestrategie 2050 wirklich funktionieren kann, bräuchte es schon lange massive Anstrengungen beim Umstieg von fossilen Energieträgern auf CO2-neutrale wie Sonne, Wind und Wasser und zusätzlich eine engere Zusammenarbeit mit dem europäischen Energienetz und damit mit der EU. Beides sind wahrlich keine Herzensangelegenheiten der SVP.
Einen analogen Fall zur schweizerischen Energiestrategie 2050 konnte ich kürzlich auf Level Unternehmen beobachten. Indem eine Führungskraft während eines Strategie-Reviews opponierte und feststellte, "unsere Strategie funktioniert nicht". Auch, dass sie bei deren Entwicklung von A bis Z mit dabei gewesen war und dadurch Einfluss nehmen konnte, hinderte sie nicht an ihrem destruktiven Kurs. Ich vermute daher eher grundlegenden Widerstand gegen die Strategie als die gewonnene Erkenntnis, dass sie sich nicht umsetzen lässt.
Der Fall der gescheiterten Strategie mangels Umsetzungswillen braucht wohl keine weiteren Erläuterungen mehr. "Die Strategie hat versagt", ist dort auch vielmehr eine Ausrede als eine ernstgemeinte Feststellung.
Anders sieht es allerdings aus, wenn über die Strategie zwar (weitgehend) Einigkeit herrscht, sie aber trotzdem nicht so richtig vom Fleck kommt. Viel zu rasch sind wir nämlich auch dann dazu geneigt, unsere Strategie als gescheitert zu erklären, statt uns ernsthaft zu fragen, wieso sie nicht in Fahrt gerät.
Woran liegt es nun, wenn die Versuchung gross ist, die eigene Strategie zu Grabe tragen zu wollen? Dafür sehe ich in der Praxis vor allem drei Gründe.
Die sich selbst erfüllende Strategie: Ich gebe zu, das ist auch meine Traumvorstellung. Eine inspirierende Vision mit bahnbrechender Strategie entwickeln und dann einfach warten, bis sie zur Realität geworden sind. Tatsächlich gibt es Strategieteams, die das so zwar nicht offen aussprechen, sich aber faktisch genau so verhalten. Wer jetzt denkt, dass das kaum je vorkommt, den muss ich enttäuschen. Nicht umsonst nenne ich diesen Grund nämlich gleich an erster Stelle.
Strategie hat (mindestens) zweite Priorität: An erster Stelle steht immer das operative Geschäft. Es verdrängt wichtige, aber halt eben meist nicht dringende Strategiearbeit ins Hintertreffen. In Unternehmen, welche ausgeprägt operativ getrieben sind und, welche damit durchaus auch erfolgreich sein können, legt sich allerdings der operative Sturm kaum je. Mit dem Ergebnis, dass auch gute Strategien auf der Stecke bleiben und irgendwann für tot erklärt werden (müssen).
Passive Strategie-Umsetzung: Auch wer nicht an eine sich selbst erfüllende Strategie glaubt und gleichzeitig der Strategiearbeit eine hohe Priorität einräumt, kann noch mit deren Umsetzung scheitern, nämlich wenn die Verfolgung von Vision und Strategie mit zu wenig Nachdruck angegangen wird. So braucht es bei der Realisierung einer ambitionierten Vision auch ein hohes Mass an Aggression. Aggression meint in diesem Zusammenhang vor allem zwei Dinge: Erstens den unbändigen Willen, die Strategie zum Fliegen zu bringen und zweitens Umsetzungsprojekte und -Massnahmen, die mit voller Kraft und Nachdruck, und ohne Ausreden, auf die Strasse gebracht werden. Dabei hilft es, die Strategieumsetzung als einen fest verankerten Unternehmensprozess zu behandeln. Und zwar bis zum Einsatz der dazu nötigen Mittel an Personal und Budget.
Eines muss klar sein. Damit eine Strategie scheitern kann, muss sie erstmal umgesetzt werden. Erst dann kann man erkennen, ob sie auch funktioniert. Alles andere sind bloss Ausreden für den – bewussten oder unbewussten – Unwillen, der Strategie zu folgen.
Urs Prantl war über 20 Jahre als Softwareunternehmer tätig. Seit 2012 begleitet er IT- und Software-Unternehmen auf ihrem Weg zu nachhaltig gesundem Wachstum und ist als M&A-Transaktionsberater in Nachfolgesituationen tätig. Er äussert als Kolumnist für inside-it.ch seine persönliche Meinung.

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