Prantl behauptet: Kununu sagt die Wahrheit

27. März 2023 um 07:51
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Marketing ist im Kampf um die besten Kunden selbstverständlich. In jenem um die besten Fachkräfte verstehen das noch immer die wenigsten Unternehmen, findet Kolumnist Urs Prantl.

Treffe ich mich mit mir unbekannten IT-Unternehmern, so recherchiere ich als Vorbereitung auf das Meeting zur Person und zum Unternehmen. Schliesslich will ich ja wissen, mit wem ich es zu tun habe. Neben der üblichen Google-Suche besuche ich dabei immer auch (wenn vorhanden) das Kununu-Profil der Firma, nehme den Score, die Weiterempfehlungsrate und ein paar der jüngsten Bewertungen von Mitarbeitenden und Jobbewerbern zur Kenntnis. Meistens bringe ich im anschliessenden Treffen dann meine Recherche-Ergebnisse in die Diskussion mit ein.
Mit zwei recht unterschiedlichen Reaktionen:
  1. Diejenigen, welche auf Kununu gut bis sehr gut abschneiden, in der Schweizer IT-Szene bedeutet das praktisch eine Bewertung von mindestens 4 von 5, erklären mir Folgendes: Wie sie ihr Kununu-Profil zu ihren eigenen Zwecken nutzen und wie sie vorgehen, damit erstens ein statistisch brauchbares Ergebnis entsteht und zweitens, wie sie dessen Wert möglichst aktiv managen.
  2. Dort, wo der Score mehr oder weniger deutlich unter 4 liegt, wird Kununu in aller Regel runtergemacht und als Lästerportal mit Fake-Bewertungen oder lauter Kommentaren von frustrierten Mitarbeitenden abgetan.
Dazu gilt es zwei Dinge festzuhalten:
  1. IT-Fachleute recherchieren bei der Stellensuche auch auf Kununu und nehmen die dortigen Ergebnisse für bare Münze. Denn Kununu sagt die Wahrheit. Auch wenn das vielen nicht passt und es einige nicht wahrhaben wollen. Sobald eine statistisch relevante Zahl an Bewertungen vorhanden ist, gibt der Score durchaus einen guten Hinweis auf die Mitarbeiter-Kultur des Unternehmens. Diesen empirischen Praxistest habe ich schon x-mal gemacht und bin damit nie falsch gelegen. Sicher gibt es auch die eine oder andere Falschbewertung. Sobald aber genügende Bewertungen vorliegen, kann dem Score durchaus vertraut werden. Kommt hinzu, dass Kununu im Hintergrund einen hohen Aufwand betreibt, um gerade dies auszuschliessen. Stehen doch hinter Kununu nicht Twitter, TikTok oder Facebook, sondern Xing, mit Sitz in Hamburg und damit dem strengen deutschen bzw. EU-Wettbewerbs- und Datenschutzrecht unterliegend. Daher, liebe Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungskräfte: Geht davon aus, dass das Kununu-Profil eurer Firma ein ungeschöntes Spiegelbild der Kultur aus der Sicht eurer Mitarbeitenden ist. Und nehmt es ernst.
  2. Auch wer Kununu hasst oder bloss als Abzocke für Unternehmen versteht (was es zweifelsohne auch ist), sollte sich eines bewusst sein: In Zeiten des Fachkräftemangels, wenn nicht gar Notstands, sind Firmen einfach am kürzeren Hebel. Und was macht man typischerweise, wenn die Nachfrage deutlich grösser ist als das Angebot? Man macht Marketing. Im Kampf um die besten Kunden ist das allen völlig klar. Im Kampf um die (besten) Fachkräfte, verstehen das aber immer noch die wenigsten.
Ich kenne mittlerweile einige kleinere und mittelgrosse IT-Firmen, die mit einem Investment von zehn- bis zwanzigtausend Franken pro Jahr ein äusserst effektives Employer-Branding, auch auf Basis von Kununu, aufgebaut haben und damit messbar bessere Erfolgsquoten bei der Rekrutierung verzeichnen können. Wenn es damit gelingt, bloss eine einzige neue Stelle ohne Headhunter zu besetzen, so hat sich die Investition bereits gelohnt.
Der Durchschnittsscore von IT-Firmen auf Kununu beträgt übrigens aktuell 3.9. Vor wenigen Wochen war er noch bei 3.8, der Trend ist also klar. Leider unterscheidet Kununu beim Score nicht nach Ländern. Sonst wäre der IT-Durchschnittsscore in der Schweiz, davon bin ich überzeugt, mindestens bei 4, wenn nicht sogar noch ein wenig höher. Ohne Zweifel haben hiesige IT-Unternehmen mit einem Score von unter 4 schon länger ein Problem, was deren Employer Branding gegenüber Jobbewerbern anbelangt. Ich meine, das Ziel muss 4.5 und höher sein und alles unter 4.0 sollte die Alarmglocken läuten lassen.
Urs Prantl kreiert zukunftssichere und gesund wachsende IT-Unternehmen und begleitet ihre Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Unternehmensnachfolge und beim Firmenverkauf. Gleichzeitig ist er Host des Podcasts Prantls 5A, in welchem die strategische Einzigartigkeit erfolgreicher IT-Unternehmen im Gespräch mit ihren Inhaberinnen und Inhabern im Dialog herausgeschält wird. Als Kolumnist äussert er auf inside-it.ch seine persönliche Meinung.

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