Prantl behauptet: M&A gehört in jede erfolgreiche Strategie

27. Februar 2023 um 10:05
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Der Kaufpreis bei Übernahmen ist sekundär. Was wichtiger ist und warum, schreibt Urs Prantl in seiner 100. Kolumne.

Dies ist meine einhundertste Kolumne auf dieser Plattform. Am 28. April 2014 startete ich mit der gewagten Behauptung "IT schafft keine Wettbewerbsvorteile", zu deren Argumenten ich auch heute noch stehe. Zwischen diesem und meinem heutigen Beitrag habe ich meine monatlichen Behauptungen stets mit Spass und Leidenschaft in den Raum gestellt und bin noch lange nicht müde.
Nicht zuletzt aufgrund der ungezählten positiven Rückmeldungen, die ich über die Jahre bekam, packe ich jetzt voller Elan das nächste Hundert an und erhoffe mir, dass ich meinen Leserinnen und Lesern weiterhin erleuchtende Inputs und die eine oder andere Provokation liefern kann. In diesem Sinne: Start mit Kolumne 100!

M&A-Boom in der Schweizer IT

Auf der Basis einer Deloitte-Studie titelte inside-it.ch letzte Woche "Schweizer IT-Firmen sind attraktiv für ausländische Investoren" und die 'Handelszeitung' machte daraus sogar "IT-Branche im M&A-Fieber". Nicht, dass mich – oder Simon Boss! – diese Feststellung überrascht hätte. Sie bestätigt jedoch, dass M&A definitiv im Markt für Schweizer IT-KMU angekommen ist. Zusätzlich blies auch Christoph Hugenschmidt, ehemaliger Inhaber und Chefredaktor von inside-it.ch mit seinem Beitrag auf LinkedIn "Das grosse Fressen" ins gleiche Horn, indem er den Verkauf von 50 Schweizer Softwarefirmen in den letzten sechs Jahren nach Übernahmekategorien wie "Heuschrecke", "Weltfirma", "Digitalisierungskrücke" und "Industrielle Logik" analysierte. Last but not least stellte ich selbst bereits im Juni 2021 fest, "Ausverkaufsstimmung im Schweizer IT-Markt" und führte dort eine Reihe guter Gründe für den M&A-Boom auf.
Seither sind wiederum fast zwei Jahre vergangen und das Übernahmefieber bei IT-KMU hat sich vom "sich verkaufen" zum "wir wollen zukaufen" weiterentwickelt. Diesen Hinweis liefert auch die oben erwähnte Studie. Parallel dazu stelle ich im Markt immer wieder fest, dass das Interesse nach zu kaufenden IT-Firmen ebenfalls deutlich gewachsen ist. Zwei Motive stehen dazu an erster Stelle.

Gründe für die Attraktivität von IT-Unternehmen

Erstens, und das erwähnt auch Deloitte in seiner Studie als Grund, denken viele kaufwillige IT-Unternehmer, sie könnten mit dem Zukauf ihr Fachkräfteproblem lösen. Das ist allerdings ein frommer Wunsch. Denn, das zu kaufende Unternehmen wird, wenn es nur einigermassen erfolgreich tätig ist, ebenfalls keine freien Ressourcen vorrätig haben und daher kaum einen Beitrag zur Minderung des Fachkräftenotstands leisten können. Sollten trotzdem freie Kapazitäten in der gewünschten Qualität durch den Kauf verfügbar werden, so wäre ohnehin höchste Vorsicht geboten.
Das zweite Motiv fusst auf dem Wunsch und dem Ziel, die enormen Wachstumschancen im IT-Markt zusätzlich durch anorganisches Wachstum auf die eigenen Mühlen leiten zu können. Ein legitimes Vorhaben, das durchaus auch gelingen kann. Und, sind wir ehrlich, für strategisch denkende und handelnde Unternehmerinnen sogar zum Pflichtprogramm gehören sollte.
Eine erfolgreiche Wachstumsstrategie im IT-Markt muss sich heute zweigleisig ausrichten. Einmal in Richtung organisches Wachstum und zusätzlich in Richtung anorganisches Wachstum durch Zukäufe, strategische Kooperationen oder Joint Ventures.
Dies aus einem einfachen Grund. Die Rahmenbedingungen für rasches und gleichzeitig gesundes externes Wachstum in der (Schweizer) IT sind aktuell so gut wie noch nie. Getrieben und gestützt durch eine extrem hohe Nachfrage nach Digitalisierungslösungen in Wirtschaft und im öffentlichen Sektor sowie durch die hohe Maturität der Branche, die sich in den letzten rund 10 Jahren eingestellt und damit die hiesige IT-Industrie zum ernstzunehmenden Wirtschaftsfaktor gemacht hat.
Das Dumme an dieser "Once in a Lifetime"-Wachstumschance ist allerdings, dass der hohen Nachfrage mit organischem Wachstum allein nicht mehr beizukommen ist. Die Entwicklung ist schlicht und einfach zu schnell. Ergo sollten für die Steuerung des strategischen Wachstums, Zukäufe unbedingt ins Auge gefasst werden, wenn auch mit einiger Vorsicht. Dazu ein paar Tipps.

Zukäufe unbedingt ins Auge fassen

Hegen Sie keine zu hohen Erwartungen: Erstmal ist es nicht ganz einfach, die eine Nadel im Heuhaufen zu finden, die gut bis sogar optimal zum eigenen Unternehmen passt. Hat man sie aber gefunden, so liegen immer noch eine Vielzahl an veritablen Hürden zwischen erstem Interesse und einem unterschriebenen Aktienkaufvertrag. Ein erfolgreicher Abschluss eines Deals ist daher immer mehr als ungewiss.
Integration benötigt Management-Ressourcen: Sind Management-Ressourcen bereits jetzt schon knapp, dann sollten Sie auf Übernahmen verzichten oder zuerst welche aufbauen. Die Integration wird nur gelingen, wenn seitens Managements dafür Zeit und Energie investiert werden kann.
Kaufpreis ist sekundär: Meist konzentriert man sich viel zu stark auf den Kaufpreis, auf die dem zugrunde liegenden Zahlen und Bewertungen und das Feilschen darum. Ob eine Akquisition (auch wirtschaftlich) erfolgreich ist, entscheidet sich fast nie über die Höhe des Kaufpreises, sondern über das Gelingen der Integration, der Zusammenführung der Kulturen und über das Heben der Synergiechancen. So gesehen ist ein "teurer" Kauf mit optimaler Integration von Kunden und Mitarbeitenden allemal deutlich billiger als das Gegenteil.
Unternehmensbewertungen sind meist wertlos: Sparen Sie Zeit und Geld für sophistizierte Unternehmensbewertungen und lassen Sie insbesondere die Finger von der DCF-Methode. Keine Bewertung der Welt wird nämlich einen Verkäufer auf Abwegen davon überzeugen, dass sein Unternehmen nicht 10, sondern nur 1 Million wert ist (was ich so bereits erlebt habe). Am Ende des Tages geht es einzig darum, für Verkäufer und Käufer einen fairen Preis mit einem fairen Kaufpreismodell zu finden, welche eine tragfähige Basis für die weitere Zusammenarbeit bilden. Dazu genügen simple Multiple-Modelle, die einfach gegoogelt werden können.

Preis bei Übernahmen wird überschätzt

Der eine Schlüssel zum Übernahmeerfolg liegt in der Kreativität und in einer emphatischen Einschätzung der Verkäufer: Wieso soll verkauft werden? Welche Probleme sollen damit gelöst, welche Ziele erreicht werden? Wie ist die persönliche Situation der Verkäufer? Dem fair gerecht zu werden, dazu braucht es eine gehörige Portion an Einfühlungsvermögen und Flexibilität zur Findung praktikabler Lösungen.
Der zweite Schlüssel zum Übernahmeerfolg liegt in der eigenen Nutzenperspektive. Die Killerfrage lautet: "Was kann uns der Kauf des Zielunternehmens (im besten Fall) bringen?", Aber nicht: "Was gehen wir dabei möglicherweise verlustig?"
Alles andere ist Handwerk!
Urs Prantl kreiert zukunftssichere und gesund wachsende IT-Unternehmen und begleitet ihre Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Unternehmensnachfolge und beim Firmenverkauf. Gleichzeitig ist er Host des Podcasts Prantls 5A, in welchem die strategische Einzigartigkeit erfolgreicher IT-Unternehmen im Gespräch mit ihren Inhaberinnen und Inhabern im Dialog herausgeschält wird. Als Kolumnist äussert er auf inside-it.ch seine persönliche Meinung.

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