"Kulturelle Fehler kann man nicht wegregulieren", sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter anlässlich der Rettung der Credit Suisse vor laufender Kamera und doppelte
in einem NZZ-Interview am 25. März nach. Damit hat sie einerseits zwar recht, andererseits schiebt sie mit dieser Aussage die politische Verantwortung für das CS-Schlamassel auch weit von sich. Und das zu Unrecht, wie ich meine.
Die zentrale Frage bei der Credit Suisse (und vielen anderen Banken übrigens auch) lautet vielmehr: Wie konnte überhaupt eine Unternehmenskultur entstehen, die Egoismus und Profitgier zum Geschäftsmodell erhob? Mit dem traurigen Ergebnis, dass der Kunde zum reinen Mittel zum Zweck degradiert wurde.
Symptombekämpfung ist keine Lösung
Ursächlich ging die Credit Suisse nämlich nicht wegen des massiven Abzugs von Kundengeldern, wegen der Wetten der Börsenspekulanten, wegen eines Tweets, wegen der Milliarden-Boni in der Topetage, wegen zu hoher Risiken oder wegen der zahlreichen Skandale der letzten Jahre und auch nicht wegen des massiven Vertrauensverlusts zugrunde, sondern weil die Firma eine moralisch wertfreie Führung pflegte und rein profitorientiert alle Möglichkeiten nutzte, die (einigermassen) legal zur Verfügung standen. Damit setzte das Unternehmen einen Prozess in Gang, der über Jahre hinweg die oben beschriebenen Wirkungen erzeugte und in dem endete, was die Schweiz Mitte März in ihren Grundfesten erschütterte.
Damit wird klar, dass die Lösungen des Problems nicht in der reinen Bekämpfung der Symptome – sei es ein Boni-Verbot, ein Trennbankensystem, eine Erhöhung der Eigenkapitalquote etc. – bestehen kann, sondern vielmehr darin, sich der wirklichen Ursachen anzunehmen. Anderenfalls ist die nächste Katastrophe bereits vorprogrammiert.
"Wo ein Business ist, ist ein Schweizer"
Selbstkritisch müssen wir jedoch festhalten. Die von der Credit Suisse praktizierte moralisch wertfreie Führung (mindestens in der Top-Etage) findet ihren Ursprung in einem Businessverständnis, das in unserem Land allgemein anerkannt und mehrheitlich für gut und richtig befunden wird. Nicht umsonst zirkuliert ausserhalb unseres Landes das Bonmot; "Wo ein Business ist, ist ein Schweizer."
Wer also will der Credit Suisse und ihrer Führung einen Vorwurf machen, wenn sie sich über Jahre so verhielt, wie das System es von ihr (implizit) erwartete? Oder andersherum. Wer das nächste Desaster – eventuell dasjenige der UBS – verhindern möchte, sollte sich grundlegende Gedanken zur oben erwähnten Businesshaltung machen und konsequenterweise diejenigen Kräfte unterstützen, die mehr Gemeinsinn, mehr Solidarität, mehr Mensch und mehr Moral wollen. Karin Keller-Sutter gehört jedenfalls nicht dazu, weist sie doch, wie ich eingangs erwähnte, jede politische Verantwortung dafür weit von sich weist.
KMU pflegen noch Werte
Dass übrigens unser Wohlstand nur dank dem "Gehen über Leichen" (pragmatisch sprechen wir lieber von "Neutralität") aufgebaut werden konnte und mit einer auch nur sanften Abkehr davon aufgegeben würde, ist nichts anderes als ein gut gehegtes und gepflegtes Narrativ jener, die entweder von CS-Umständen direkt profitieren oder daran glauben, dass sie selbst irgendwann mal gewinnen könnten. So wie fast jeder irgendwann mal auch ein Erbe antreten kann.
Glücklicherweise fahren viele KMU in unserem Land – interessanterweise trotz der gleichen Rahmenbedingungen – einen anderen Kurs als die Credit Suisse. Ihre Unternehmerinnen und Unternehmer sind sich ihrer Verantwortung absolut bewusst und pflegen oft eine klar wertorientierte Führung. Eine, die weit über die gesetzlich geforderten Grenzen hinausgeht. Und sie fahren gut damit. Denn eines kennen sie alle nicht: Eine Staatsgarantie.
Urs Prantl kreiert zukunftssichere und gesund wachsende IT-Unternehmen und begleitet ihre Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Unternehmensnachfolge und beim Firmenverkauf. Gleichzeitig ist er Host des Podcasts Prantls 5A (https://kmu-mentor.ch/podcast/), in welchem die strategische Einzigartigkeit erfolgreicher IT-Unternehmen im Gespräch mit ihren Inhaberinnen und Inhabern im Dialog herausgeschält wird. Als Kolumnist äussert er auf inside-it.ch seine persönliche Meinung.