Wir leben in einer Zeit moralisch aufgeladener Begriffe. Einer davon ist "Unternehmer".
Menschen, die ihr eigenes Business betreiben, werden mit einem geistigen Qualitätslabel versehen als Unternehmerinnen und Unternehmer, wenn man noch eines draufsetzen will, sogar als Vollblutunternehmerinnen und Vollblutunternehmer bezeichnet. In der Mehrzahl sind sie aber genauso wenig Unternehmer, wie Ölkonzerne so gut wie nie ökologisch nachhaltig wirtschaften oder Zitronenfalter keine Zitronen falten.
Unternehmerisch tätige Menschen sind nämlich eine äusserst seltene Spezies. Und das liegt daran, dass ihnen regelmässig (mindestens) eine der folgenden sechs Eigenschaften fehlt:
- Ein Unternehmer braucht eine klare Vision. Das heisst ein inspirierendes und ambitioniertes Zukunftsbild für die eigene unternehmerische Tätigkeit, das dazu taugt, sich selbst und andere zu motivieren, auch mal schwierige Wege zu gehen und dabei den Mut nicht zu verlieren. Eine Vision, die eine erstrebenswerte Zukunft bereithält und richtiggehend Lust macht, sich anzustrengen.
- Weiter ist eine Unternehmerin stets dazu bereit, ins Risiko zu gehen und die eigene (meist wirtschaftliche) Sicherheit aufs Spiel zu setzen. Ihr ist dabei voll bewusst, dass Investitionen getätigt werden müssen, bevor ein Return eintritt. Es fliessen also erstmal Ressourcen (oft im grossen Stil) ab, bevor ein Gewinn verbucht werden kann. Damit ist der Unternehmerin auch vollkommen klar, dass Investitionen keine Kosten sind, sondern eine Wette auf eine Zukunft mit der Perspektive, dass sich die Investition mehrfach lohnt.
- Weiteres, wesentliches Merkmal eines Unternehmers ist, dass er ein Kundenproblem lösen will und nicht sein eigenes. In der Konsequenz führt das dazu, dass der Unternehmer lernen muss, seine Kunden zu "lieben" und dabei eine Begeisterung – wenn nicht sogar eine Obsession – für die Lösung des von ihm adressierten Kundenproblems entwickeln sollte.
- Ausserdem verstehen Unternehmerinnen, dass für die Verfolgung ihrer unternehmerischen Vision nur die besten Leute gut genug sind. Daher investieren sie einen grossen Teil ihrer Zeit und Mühen darin, die richtigen Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu finden und für ihr Vorhaben zu begeistern.
- Unternehmer sehen Potenziale und Gelegenheiten. Dennoch verkennen sie die Realitäten nicht und versuchen nicht ständig mit dem Kopf durch die Wand zu kommen, sondern suchen lieber einen smarten Weg daran vorbei. Sie sind von Neugier getrieben und ständig offen für Neues und Spannendes.
- Last but not least – Unternehmerinnen mögen keine Bürokratie und arbeiten an ihren Ideen auch nicht bloss von 9 to 5.
Die Schaffung von Arbeitsplätzen hingegen ist meiner Ansicht nach keine notwenige Eigenschaft eines Unternehmers. Arbeitsplätze sind bloss die Folge einer funktionierenden unternehmerischen Idee und nicht eine notwendige Voraussetzung dafür – auch wenn das die Politik regelmässig anders sieht. Im Gegenteil, eine unternehmerische Idee, die ohne oder mit nur wenig Arbeitsplätzen funktioniert, ist wesentlich weniger fehleranfällig und lässt sich auch deutlich besser skalieren. Unsere Softwareindustrie ist dazu geradezu prädestiniert.
Meiner Erfahrung nach hapert es in der Praxis meist bei den ersten drei Eigenschaften "Vision", man höre und staune "ins Risiko gehen" und "Fokus auf ein Kundenproblem". Selbstverständlich hängen diese drei Dinge eng miteinander zusammen. Wer keine Idee für ein schmerzendes Kundenproblem hat, der wird auch deutlich weniger dazu geneigt sein, ins persönliche Risiko zu gehen. Gleichzeitig ist es bei dieser Voraussetzung auch schwierig, eine inspirierende und ambitionierte Vision zu entwickeln.
Urs Prantl kreiert zukunftssichere und gesund wachsende IT-Unternehmen und begleitet ihre Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Unternehmensnachfolge und beim Firmenverkauf. Gleichzeitig ist er Host des Podcasts Prantls 5A, in welchem die strategische Einzigartigkeit erfolgreicher IT-Unternehmen im Gespräch mit ihren Inhaberinnen und Inhabern im Dialog herausgeschält wird. Als Kolumnist äussert er auf inside-it.ch seine persönliche Meinung.